Vorbereitungen zu „Tekiat Schofar“

Datum: | Autor: Rav Chaim Grünfeld | Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag
Schofar

Der Name des Schofar

Am Rosch haSchana wird für die Erfüllung der Mizwa der “Tekiot” ein spezielles Blasinstrument verwendet – das Schofar. Der Arisa“l leitete dessenn Namen vom Wort שפופרת (Schfoferet) ab, womit ein ausgehöhltes Rohr bezeichnet wird[1].

Chasal hingegen verstehen es als von שפר – schön stammend: „G’tt sagte zu Jisrael: „In diesem Monat sollt ihr eure Taten mit dem Schofar erneuern, שפרו מעשיכם, verschönert eure Taten… so werde Ich mich von der Anklagebank (Midat haDin) auf den Stuhl des Verteidigers (Midat haRachamim) setzen“[2].

Eine weitere schöne Andeutung wird von den Posskim erwähnt, wonach die Anfangsbuchstaben von שטן ואין פגע רע – kein Satan und schlimmen Begebenheiten – das Wort ‘Schofar’ ergeben[3].

Eine weitere häufig zitierte Andeutung wird aus dem Passuk (Dewarim 29,17) „שורש פורה ראש ולענה – vielleicht ruht in euch eine Wurzel, die Gift und Wermut hervorbringt” entnommen[4], und eine weitere folgt aus dem Passuk (Tehilim 24,7) „שאו שערים ראשיכם והנשאו פתחי עולם – erhebt ihr Tore eure Häupter und werdet erhoben ihr ewige Pforten, damit eintreten kann der König der Ehre”[5].

All diese Andeutungen bergen in kurzen Worten den Sinn von „Tekiat Schofar“, dem höchsten Moment von Rosch haSchana, der die Kraft besitzt, selbst tief in die Sünde herabgesunkene und von unreinen Gelüsten vergiftete Neschamot zu Teschuwa-Gedanken zu bewegen, alle versperrten Tore und Mauern, die der Mensch zwischen sich und Haschem errichtet hat, zu sprengen und jegliches Hindernis aus dem Weg zu räumen, um bis zum „Kisej haKawod“ ([G’ttlichen] Ehrenthron) vorzudringen.

Letzte Vorbereitungen

Tehilim, Sohar, Torahlernen

Um dieses Ziel tatsächlich erreichen zu können, benötigt es jedoch einer gewissen Vorbereitung. In vielen Gemeinden gibt es zwischen ‘Keriat haTorah’ und ‘Tekiat Schofar’ eine kurze oder längere Pause. Diese sollte unbedingt (auch) als geistige Vorbereitung zum Schofarblasen genutzt werden, jeder gemäß seinen Möglichkeiten. Die einen lesen dann Tehilim, andere lesen die in vielen Machsorim abgedruckte Auszüge aus dem Sohar haKadosch, die von ‘Tekiat Schofar’ handeln. Manche lernen in Sifre Mussar oder in anderen Sefarim, um sich geistig vorzubereiten.

Vom Diwre Chajim von Zans sZl. wird berichtet, dass man ihn im Sefer ‘Kezot haChoschen’ lernen sah, einem Kommentar zum Schulchan Aruch Choschen Mischpat, oder den Tosfot zu einer schweren Sugja (halachisches Thema)[6]. Seinen Sohn, der Schinawer Raw und Verfasser des ‘Diwre Jecheskel’ sZl., sah man im Schulchan Aruch die Halachot von ‘Kläger und Ankläger’ (טוען ונטען) lernen[7].

Rabbi Nathan Meier Wachtvogel sZl., der Maschgiach der Jeschiwa Lakewood sagte, dass unsere beste Verteidigung vor dem himmlischen Gericht in der “Kabbalat ol haTorah” (das “Joch” der Torah auf sich zu nehmen) bestehe, in dem sich jeder ernsthaft vornimmt, im kommenden Jahr mehr Zeit und Mühe ins Torahlernen zu investieren. Deshalb wird am Rosch haSchana Schofar geblasen, um uns an das Schofar von “Matan Torah” (Offenbarung der Torah) zu erinnern und Hkb“H damit zu besänftigen. In diesem Sinn erklärte er die Worte von Chasal: „Sagt vor Mir (die Psukim von) Malchujot (im Musafgebet), um Mir als euren König zu huldigen und damit das Gedenken an euch vor Mir zum Guten aufsteigt – und wodurch wird dieses gute Gedenken erweckt? Durch das Schofar”[8]. Raw Wachtvogel erklärte den Zusammenhang so, dass es dem Jehudi nur durch den Schofar – durch das intensive Torahlernen – gelingt, G’tt richtig zu erkennen und in seinem Königreich einzutreten![9]

Mikwa

Einige haben den Minhag, in die Mikwa zu gehen, insbesondere der Ba’al Tokea (Schofar-Bläser), der ‘Makre’, der dem Bläser die Reihenfolge der Tekiot vorsagt und der Schliach Zibbur von Mussaf, obwohl sie sich bereits am Morgen vor Schacharit in der Mikwa gereinigt haben[10]. Manche Zadikim jedoch wehrten sich dagegen und meinten die Tefilat Schacharit sei “nicht metame“ (verunreinige nicht)[11]. Rabbi Schimon Pollak sZl., der Raw von Belenyes (Ungarn) hingegen führte aus, dass auch der Kohen Gadol sich am Jom Kippur fünfmal in die Mikwa begab, obwohl er inzwischen nicht „unrein“ geworden war. Zweck der ‘Tewila’ war es, sich zwischen den einzelnen Stufen der Awodat Jom haKippurim auf die kommende Awoda (heilige Verrichtung) vorzubereiten, und dieser Grund gilt auch am Rosch haSchana[12]. Insbesondere bei ‘Tekiat Schofar’, wo es sich um eine Mizwa deOrajta handelt, ist eine besondere Vorbereitung geboten[13].

Einst wollten die Jehudim eines Städtchens ihren Ba’al Tokea seines Amtes entheben, weil er sich weigerte in die Mikwa zu gehen. Als er sich darüber bei Rabbi David Mosche Friedmann sZl., der erste Tschortkover Rebbe, beklagte, fragte ihn dieser, weshalb er sich weigere ihren Willen nachzukommen. Er antwortete: „Mir ist kalt, ich erkälte mich schnell”. Darauf entgegnete der Rebbe: „Wenn es kalt ist, so bläst man nicht!”[14]

Nächstenliebe

Im Jahr 5697 (1937) als die Gefahr vom Ausbruch des zweiten Weltkriegs über Europa schwebte, bat Rabbi Elchonon (Chone) Halberstamm, der Rebbe von Kolaschiz (Kolaczyce) sZl., seiner Gemeinde vor ‘Tekiat Schofar’, dass sie jetzt alle die Mizwa von “weAhawta leRe’acha kamocha” – “liebe deinen Nächsten wie dich selber” auf sich nehmen sollen[15].

Der Rebbe mahnte dies nicht nur an, sondern lebte förmlich mit dieser Mizwa. Sah er auf der Strasse einen Armen ohne Stiefel oder mit zerrissenen Kleidern, so zog er auf der Stelle seine guten Stiefel aus oder zog seinen Mantel aus und schenkte es dem Armen. Einst musste die Gemeinde vor ‘Tekiat Schofar’ länger als sonst auf das Eintreten des Raws warten, der vor dem Schofarblasen in die Mikwa ging. Später ergab es sich, dass er dort einen armen Jehudi mit zerrissenen Kleidern traf. Sofort übergab ihn der Rebbe seine eigenen Kleider und sein Gabbai musste nach Hause eilen, um ihm neue Kleider zu bringen[16].

Vom bekannten Zadik Rabbi Schajele (Steiner) von Kerestier sZl. wird erzählt, dass seine Vorbereitung zu den Tekiot im Kuchenschneiden bestand, den er für die hungrigen Gäste vorbereitete, damit sie gleich nach der Tefilat Mussaf “Kidusch” machen konnten. Er meinte dazu: „Andere sind während diesem heiligen Zeitpunkt mit dem Lernen der tiefen Geheimnisse von ‘Tekiat Schofar’ beschäftigt; ich hingegen beschäftige mich mit diesen Sachen, wie es (in der Tefilat Tal/Geschem) heißt „laSowa weLo leRason“ – „segne uns dieses Jahr zur Sättigung und nicht zum Hunger“! [Ein Wortspiel, mit der Sättigung Anderer beschäftigt zu sein als mit den “Rasin – Geheimnisse“ von Tekiat Schofar][17].

Von einem anderen Zadik wird berichtet, dass man ihn vor den Tekiot die Pferde im Stall füttern sah. Er erklärte dies damit, da heute die Tefila sehr lange dauern wird, die Tiere nur spät, wenn überhaupt gefüttert werden. „Tekiat Schofar ist zwar eine Mizwa der Torah, aber auch Tierquälerei ist ein Verbot der Torah!”[18]

Beracha eines Zadiks

Bei manchen Rebbes ist es der Minhag, dass ihnen während dieser Pause „Kwittlech“ (Bittzettel) der Chassidim vorgelegt wird, damit sie der Zadik bei seiner Tefila im Sinn hat. Bei einigen Admori“m werden die Namen aller ihrer Chassidim in einem Heft aufgeschrieben, die dann vom Rebbe durchgelesen werden[19].

Einst befanden sich beim alten Tschortkover Rebben so viele Leute für Rosch haSchana, dass nicht genügend Zeit war, um alle Zettel einzeln durchzulesen. Darauf meinte der Zadik: „Jetzt müssen wir uns der Ejza (Ratschlag) des Apter Raw sZl., bedienen, der sich einmal genau in einer solchen Situation befand. Da steckte er alle Kwittlech in die zwei großen Seitentaschen seines Kittels, legte seine Hände über die Taschen und sprach: „Ich bensche alle in diesen Zetteln erwähnten Personen mit Kindern, Leben und Parnassa…“[20].

Drascha

Mancherorts bereitet der Raw den Zibbur mit einer kurzen Drascha auf das Schofarblasen vor und fordert die Zuhörer zur Teschuwa auf. So schreibt Rabbi Efrajim Salman Margulies sZl., der Raw von Brody, in seinem halachischen Standardwerk zu den Halachot der Heiligen Tage ‘Mate Efrajim’ (gest. 5588/1828): „Wenn sich dort ein Chacham befindet, der über gute Eigenschaften verfügt, so spreche er zu den Anwesenden Worte, die das Herz bewegen und zur Teschuwa anregen“.[21]

Aus der Zeiten der Rischonim besitzen wir vier Draschot grosser Führer des jüdischen Volkes, wie den Ra’awad (R. Awraham ben Dawid) aus der Provence (Frankreich), der Ramba“n (R. Moschen ben Nachman) aus Spanien, der Mahari“l (Morenu Rabbi Jakov Mulin haLevi) in Aschkenas und Rabbi Jisrael Isser’les, der Verfasser des ‘Terumat haDeschen’ in Österreich. Doch sie sprachen ihre Drascha am Schabbat vor Rosch haSchana[22].

In späteren Zeiten wurde in den meisten aschkenasischen, ungarischen und chassidischen, wie auch in verschiedenen sefardischen Gemeinden, diese Rede auf die Zeit vor den Tekiot verschoben[23]. Die Schüler des Ba’al Schem Tov warnen jedoch davor, in diesem heiligen Moment auf keinen Fall irgendwelche Sünden Jisraels zu erwähnen.

Stattdessen soll die Midat haRachamim (Erbarmen) auf den Klall Jisrael durch Fürsprechungen erweckt werden[24].

Eine interessante Andeutung auf die Wichtigkeit dieser Drascha wird von Rabbi Mordechai ben R. Schmuel sZl., der Raw von Wielkatz (Wielkie Oczy) in Galizien in seinem bekannten Sefer Scha’ar haMelech (Amsterdam 5522/1762) aus dem Passuk gemacht (Schmot 19,19): „Mosche jedaber wehaElokim ja’anenu beKol“ – „Mosche redete und G’tt antworteten ihm mit lauter Stimme“. Zuerst muss Mosche – der Raw – zur Gemeinde reden, danach antwortet ihnen G’tt durch die Stimme des Schofars”[25].

Rabbi Simcha Bunem von Pschis’cha sZl. pflegte den Chassidim die Worte des Rambam über den Sinn von Tekiat Schofar vorzulesen: „Obwohl es eine Gesera (“Dekret”, Vorschrift ohne Angabe des Grundes) der Torah ist, ist dennoch auch diese Andeutung darin enthalten: „Wacht auf aus eurem Schlaf und kehrt zu G’tt zurück!“ – Danach brachen alle in lautes Weinen aus[26].

Einst wurde Rabbi Isser Salman Melzer sZl., der Sluzker Raw und Rosch Jeschiwa, gebeten, vor den Bachurim der Jeschiwa eine Drascha vor ‘Tekiat Schofar’ zu halten. Der Raw stellte sich vor das Rednerpult hin und begann zu weinen. So stand er 10 Minuten lang und weinte ununterbrochen, danach kehrte er – ohne auch nur ein Wort gesagt zu haben – an seinem Platz zurück[27].

Teschuwa-Gedanken beim Schofar Blasen

Da das Schofarblasen eine äußerst günstige „Et Razon“ ist und die aus den Tönen des Schofars entstehende Mal’achim direkt zum „Kiseh haKawod“ (g’ttlichen Thron) aufsteigen, ist es wichtig, vor ‘Tekiat Schofar’ Teschuwa zu machen. Denn auch wenn für die Mizwa des Schofarblasen zahlreiche Gründe angegeben werden, ist und bleibt die Mahnung zu Teschuwa der eigentliche Zweck von Tekiat Schofar, wie in den Sefarim haKedoschim festgehalten wird[28].

Der Schlo“H haKadosch zitiert hierzu den folgenden Ausspruch von Chasal: „Hkb“H sagte zu Jisrael: „Blaset in das Horn eines Widders, damit ich euch den Sechut (Verdienst) der ‘Akedat Jizchak’ gedenke“[29], und schreibt: „Dies gilt aber nur dann, wenn vor ‘Tekiat Schofar’ Teschuwa gemacht wird! Wenn man sich – wie bei der ‘Akedat Jizchak’ – in Gedanken vor Haschem als fehlerloses Korban niederlegt und seine Hände und Füße bindet, d.h. sich vornimmt, seine Hände und Füße fortan nicht mehr gegen G’ttes Willen verstoßen lassen…“[30].

Der Ketaw Sofer erwähnt den Midrasch, in dem es heißt: „Nach der ‘Akedat Jizchak’ sagte Hkb“H zu Awraham Awinu: „Wenn deine Kinder am Rosch haSchana möchten, dass ich für sie den Sechut des Akeda in Erinnerung rufe, so sollen sie vor mir in einem Schofar aus diesem (Widder) blasen“. Da fragte Ihn Awraham: „Was ist ein Schofar?“ Und G’tt antwortete: „Drehe dich um!“ Da erhob Awraham seine Augen und erblickte einen Widder…“[31]

„Wusste Awraham tatsächlich nicht was ein Schofar ist”, fragt der Ketaw Sofer, und antwortet: Awraham Awinu wunderte sich über die Besonderheit des Schofarblasens, wieso es nütze. Wie ist es möglich, dass durch die Tekiot die Sünden vergeben werden? Hkb“H klärte ihn auf und antwortete: „חזור לאחוריך – kehre um“, durch Teschuwa.

Wenn man von seinem bisher begangenen Weg umkehrt und sich vornimmt, sich fortan G’tt zuzuwenden, dadurch werden die Sünden vergeben[32].

Eine Andeutung hierzu wird aus dem Passuk (Wajikra 25,9) והעברת שופר בחודש השביעי – lasse ein Schofarschall ergehen im siebten Monat” gebracht, dessen Anfangsbuchstaben das Wort „Teschuwa“ ergeben[33].

In diesem Sinne interpretierte der Ponivezher Maschgiach, Raw Chajim Friedländer sZl., den gleich nach ‘Tekiat Schofar’ gesagten Passuk (Tehilim 89,16): „אשרי העם יודעי תרועה – gelobt ist das Volk, das die Teruah kennt, Haschem, im Licht Deines Angesichts wandeln sie“. Chasal fragen darauf: „Kennen denn die anderen Völker nicht auch die Teruah? Sie besitzen doch ebenso Blashörner und Trompeten? Jisrael unterscheidet sich darin, dass sie es verstehen, ihren Schöpfer mit der Teruah dazu zu bewegen, sich vom ‘Kiseh haDin’ (Stuhl des strengen Gerichts) zum ‘Kiseh Rachamim’ (Stuhl der Milde und des Erbarmens) zu begeben“[34].

Und wie gelingt es Jisrael, tatsächlich G’tt mit der Teruah umzustimmen?

Durch unsere Gedanken der Teschuwa! Mit der aufrichtigen Absicht ein neues Kapitel aufzuschlagen und drastische Änderungen in seinem bisherigen Lebenswandel vorzunehmen, dadurch wird Hkb“H bewogen sich beim Gericht gnädig zu verhalten[35].

Somit wird in den Sefarim haKedoschim die Ansicht von Chasal über den von der Torah gebotenen Klageton der Teruah, die entweder ein gebrochenes Stöhnen (‘Schwarim’) oder ein anhaltendes Wimmern (‘Teruah’) bedeutet[36] erklärt: „Tekiat Schofar ohne ‘Hirhure (Gedanken) Teschuwa’ aus tiefem Herzen hilft nichts, d.h. man erfüllt zwar die Pflicht von „lischmoa Kol Schofar“ – „vom Hören der Schofartöne“, kann jedoch damit kein Erbarmen über sich im Himmel erwecken.

In den Psukim von Kr“a Sata“n, die viele vor dem Schofarblasen sagen, bittet man (Tehilim 118,5): „מן המיצר קראתי… – aus der Enge/Bedrängnis rief ich G’tt, Er antwortete/erhörte mir/mich durch die G’ttesweite”. Die Form des Schofar verkörpert diesen Passuk, denn auf der einen Seite wo man hineinbläst besitzt es ein ganz enges Loch, auf der anderen Seite hingegen, aus dem die Töne hervordringen, ist die Öffnung sehr breit. Die Schofartöne müssen aus der Enge und Not ertönen, aus gebrochenem Herzen voll „Hirhure Teschuwa“, in der Erkenntnis der eigenen schweren Lage und der aufkommenden Verzweiflung darüber. Dann steigen die Schofartöne, das “Stöhnen und Wimmern” über die begangenen Sünden, aus der breiten Öffnung empor und öffnen alle Tore des Himmels…“[37].

Andere gehen einen Schritt weiter und erklären:

„Die Schofartöne sind die im tiefen Herzen gehegten Hirhure-Teschuwa und das innerliche Flehen um Erbarmen für diejenigen, deren Mund verschlossen ist und die nicht fähig sind, ihr Herz vor G’tt auszuschütten und ihre Bitten in klare Worte zu fassen…“[38].

Demnach erklärte Rabbi Jisrael Friedmann von Tschortkov sZl. die besondere Wirkungskraft von ‘Tekiat Schofar’ so: „Gesprochene Tefilot und Bitten werden auch von den himmlischen Anklägern gehört und diese können darauf, chalila, „mekatreg“ sein, d.h. sie anprangern. Deshalb befahl Hkb“H am Rosch haSchana Schofar zu blasen, das nur aus dem im Herzen gedachten und verspürten Flehen und Bitten besteht, das von den Anklägern nicht vernommen und daher auch nicht beanstandet werden kann, und so ungehindert vor dem König gelangt[39].

Bekannt ist das Gleichnis des Rabbi Dov Beer, der Meseritscher Magid sZl., der die Schofartöne mit dem Hilferuf der verstoßenen Söhne des Königs vergleicht, die ihres unziemlichen Benehmens wegen aus dem Palast verjagt und in ein fremdes Land verbannt wurden. Nach vielen Jahren in der Not im Exil überkam sie große Reue, doch sie wussten nicht, wie sie ihren Vater umstimmen konnten, um wieder nach Hause zurückzukehren. Da erfuhren sie, dass der König sich gerade in ihrem Land aufhielt und eilten sogleich in dessen Nähe und wollten um Gnade flehen. Doch durch die vielen Jahre im Exil hatten sie ihre Muttersprache vergessen und konnten daher nicht mit ihrem Vater sprechen. So begannen sie eindringlich zu schreien, bis der König auf sie aufmerksam wurde. Sogleich erkannte er seine verstossenen Söhne und erbarmte sich ihrer[40].

“Widui“ während Tekiat Schofar

Wegen der Wichtigkeit der Teschuwa vor und während dem Schofarblasen, empfiehlt der Arisa“l, zwischen den Tekiot-Abschnitten der ersten 30 Tekiot (תקיעות דמיושב) leise „Widui“ zu sagen und seine Sünden bekennen. „Es ist dann eine günstige Zeit dafür, weil der „Ankläger“ „verwirrt“ ist und der Widui direkt mit den Schofartönen zum Kiseh haKawod gelangt“[41]. Da jedoch am Rosch haSchana eigentlich kein Widui gesagt werden darf, soll man nicht „ich habe gesündigt“ sagen, sondern lediglich seine Sünden aufzählen und zwar so leise, dass selbst “die eigenen Ohren” nichts davon hören[42]. Da dies zu den Tekiot gehört, stellt dieser ‘Widui’ keinen “Hefsek“ (Unterbrechung) dar[43].

Laut manchen Posskim hingegen gilt dies als Unterbrechung und demnach soll dieser Widui nur “in Gedanken“ gedacht werden[44]. Mir scheint, dass es laut diesen Posskim vielleicht sinnvoll wäre, den Widui bereits vor den ‘Berachot’ von Tekiat Schofar zu sagen, da auch alle vor den Tekiot gesagten Tefilot und Psukim zusammen mit den Schofartönen aufsteigen.

Die „Kawana“ des Zibbur

Jeder Zuhörende muss (לכתחילה) während den Tekiot die Kawana (Andacht) haben, damit die Mizwa von ‘Tekiat Schofar’ zu erfüllen[45]. Deshalb sagen manche vor den Tekiot die in vielen Machsorim abgedruckte Erklärung: „Ich bin bereit, um jetzt die Mizwa deOrajta des Hörens des ‘Tekiat Schofar’ zu erfüllen, wie es in der Torah (Bamidbar 29,1) heisst „Jom Teruah jihje laChem“[46].

Wer gerade noch rechtzeitig zum Schofarblasen nach Schul kam, die Tekiot zwar hörte, jedoch nicht die dazu benötigte Andacht hatte, erfüllt im Nachhinein (בדיעבד) dennoch seine Pflicht, weil er ja wegen der Mizwa von ‘Tekiat Schofar’ nach Schul kam, und folglich bereits zuvor den Gedanken hatte, diese Mizwa auszuführen[47].

Ferner muss darauf geachtet werden, dass die Kinder während dem Schofarblasen keinen Lärm machen und dass niemand spricht oder sonst irgendwelche Geräusche von sich gibt!

Um die Tekiot andächtig mitzuhören, wird geraten, die in den Machsorim abgedruckten „Simanim“ der Tekiot anzuschauen und sich so von nichts ablenken zu lassen[48].

Zum Schluss noch eine lehrreiche Anekdote:

In der Stadt Skwer (Skwyra, Ukraine) gab es einen “modernen” Rabbiner. Einst besuchte dieser am Rosch haSchana den Zadik Rabbi Dawid Twersky, den Skwerer Rebben sZl., um ihm „Gut Jom Tov“ zu wünschen. Dabei erkundigte er sich, wie die heutigen Tekiot verlaufen waren. Rabbi Dawid gab ihm ausführlich Auskunft, welche der Tekiot ihm leichtgefallen waren und bei welchen er Mühe hatte. „Bei uns verlief alles glatt wie ein Flötenspiel“, prahlte darauf der Rabbiner. Da entgegnete ihm der Rebbe: „Nun, Ihr steht doch das ganze Jahr hindurch auf gutem Fuß mit dem ‘Jezer haRa’ und streitet Euch nicht mit ihm, deshalb lässt er Euch ebenfalls ungestört blasen. Wir hingegen schlagen sich mit ihm während des ganzen Jahres, folglich lässt er uns am Rosch HaSchana nicht blasen…“[49].

Möge Haschem unsere Tekiot erhören, und allen Lesern und dem ganzen Klall Jisrael ein gebenschtes, gesundes und süßes Jahr bescheren, und uns endlich das große Schofar von Moschiach ertönen lassen, Amen!

  1. Pri Ez Chajim (Scha’ar haSchofar Kap.3)
  2. Midrasch Wajikra Rabba 29,6
  3. Elja Rabba 585,6 und Sidur R. Jakov Emden (Dine Schofar 6,13)
  4. Keduschat haJehudi zu Rosch haSchana und Jismach Jisrael (-Alexander) Parschat Nizawim-Wajelech 2 im Namen des ‘Jehudi haKadosch’, wie auch Chidusche haRim zu R“H
  5. Diwre Schmuel (-Slonim) R“H/ S.176
  6. beSefer Chajim-Zans (Tischri, S.149) und ausführlich in Halichot Chajim-Zans (Minhage Tischri ‘Tekiat Schofar’ §2)
  7. Diwre Jecheskel haChadasch S.370
  8. Rosch haSchana
  9. Leket Reschimot (Jamim haNora’im S. 74)
  10. Mate Efrajim 585,1. Siehe auch Imre Noam (-D’zikov, Band Moadim S.28b), Minhag des Schinawer Raw (Diwre Jecheskel haChadasch), R. Awraham Jehuda Schwarz (Kol Arje) der Raw von Mad (Ungarn), R. Josef Zwi Duschinsky der Raw von Chust und später von Jeruschalajim (Kuntras Minhage Maharja“z), Minhag Skwer und Bobow (Nite Gawriel zu R“H Kap.42/§3), Rabbi Jakov Jisrael Kanievsky, der Steipeler sZl. u.a.
  11. Minhage Maharja“w (S.48) im Namen des R. Naftali von Ropschitz, Lekat Kemach haChadasch 48,12 im Namen des Minchat Elasar von Munkatsch, Halichot Chajim-Zans (Minhage Tischri ‘Tekiat Schofar’ §2) und Kedosch Jisrael (-Wischnitz, S.172) im Namen des Ahawat Jisrael von Wischnitz und seines Schwiegervaters der Imre Noam von D’zikov.
  12. Schu“t Schem miSchimon haSchalem Bd1/O“Ch 27
  13. Imre Noam (-D’zikov)
  14. Da’at Skenim (- Itinge, S.29) u.a.
  15. Diwre Chono (Kap. 10/S. 159)
  16. ibid. (Kap.9/S.126)
  17. Elef Ketaw Bd2/822. S.a. Siach Skenim Bd3/S.392
  18. Jemot Olam (-Amschinov, S. 205) über einen Schüler des ‘Choseh von Lublin’ sZl.
  19. Minhag Ruszin, Minhag Bels (s. Betcha Na’awa Kodesch zu Tischri S.105), Minhag des Diwre Chajim von Zans (Mekor Chajim 60) u.a. Siehe ferner Ta’ame haMinhagim 694
  20. Diwre Dawid (-Tschortkov), wird auch in Ta’ame haMinhagim ibid. Zitiert.
  21. Mate Efrajim 585,1
  22. Siehe ausführlich in Minhage haKehilot (-Goldhaber, Bd2 S.59/33 §1)
  23. ibid. und viele weitere Quellen siehe in Minhage Mahari“z haLevi (-Dunner, R”H 22,11/§23)
  24. Siehe z.B. Ben Porat Josef (‘Drusch leSchabbat Schuwa’), Tefila leMosche (vom ‘Jismach Mosche’ aus Uhely) zu Tehilim 89,16 und 10,7 u.a.
  25. Scha’ar haMelech 3,4
  26. Sifseh Zadikim P. Emor und Rambam Hilchot Teschuwa 3,4 (s.a. Kizur Schu“A 129,15 und Chaje Adam 142,21)
  27. Kodesch-Elul S.91
  28. Siehe Rambam ibid., Draschot Chatam Sofer zu R“H/ S.5 und 9a, Arwe Nachal zu R“H, Bet Aharon (-Karlin, P. Nizawim S.129a-b), Jitaw Panim (-Siget, R“H 7), Mate Efrajim in Elef haMagen (590,46), Aron Edut (R“H/ S.5b und 7b) u.a.
  29. Rosch haSchana 16a
  30. Schlo“H haKadosch (Massechet R“H ‘Derech Chajim’ 2)
  31. Midrasch Tanchuma (Ende P. Wajera)
  32. Ketwa Sofer-Draschot uMamarim (zu R“H S.13)
  33. Chessed leAwraham (-Radomsk, R“H/ S.16b)
  34. Midrasch Wajikra Rabba 29,4
  35. Sifsej Chajim Bd1/S.115
  36. Rosch haSchana 34a
  37. Ateret Rosch (von R. Dov-Beer von Lubawitsch, Scha’ar Rosch haSchana 18-19), Pri Zadik (von R. Zadok haKohen von Lublin, Bd5/S.93a) und Torat Schmuel (von R. Schmuel von Lubawitsch, Kap.18/S.29)
  38. Ba’al haTanja in Likute Tora (P. Nizawim S.44b), Diwre Chajim (-Zans, R“H/S.5b) und Machschawot Charuz (von R. Zadik haKohen von Lublin, S.15a)
  39. Jismach Jisrael (-Tschortkov, R“H/5690). Siehe auch Igra dePirka (-Dinaw, 273) und Netiwot Schalom (-Slonim, R“H/ S.131)
  40. Or haMe’ir und Keduschat Levi zu R“H, Imre Elimelech (-Grods’zisk, ‘R“H scheChal beSchabbat’ S.166b) und Torat Schmuel (-Lubawitsch, Kap.70/ S.110)
  41. Pri Ez Chajim (Scha’ar haSchofar Kap.5), Schlo“H Maßechet R“H, Magen Awraham (584,2), Jesch Sechar (Dine R“H 11), Chid“o in Awodat haKodesch 260, Sidur R. Jakov Emden, Jesod weSchoresch ha’Awoda, R. Chajim Palag’i in Moed leChol Chai (14,10), Schu“A haRaw (584,2), Bet Aharon (-Karlin, R“H/S.132b), Sohar Chai (-Komarno, P. Pinchat S.210b), Nefesch Dawid des Ba’al ha’Aderet S.131, Schu“t Or leZijon (R. Ben Zijon Abba-Scha’ul, Bd1/39) u.a.
  42. Magen Awraham ibid. im Namen des Schlo“H ibid., Jad Efrajim 584 und Mekor Chajim 585
  43. Keze haMate (-Schwarz) zu Mate Efrjaim 590,23 u.a.
  44. Mischna Berura (592,12) im Namen des Sidur Derech haChajim (R. Jakov von Lissa), Schu“t Mahari“l Diskin (Ku“A 79) und ausführlich in Schu“t Jechawe Da’at (R. Owadja Josef, Bd1/55). Siehe ferner Draschot Chatam Sofer (R“H/ S.9a) und Pisske Teschuwot (592/§19) im Namen des R. Akiwa Eiger sZl.
  45. Mate Efrajim 585,3, Sidur R. Jakov Emden (Dine Schofar 6,1) und Jesch Sechar (Dine R“H 4)
  46. Kaf haChajim 585,12
  47. Schu“A haRaw 589,9 und Mischna Berura 16. Siehe ferner Pisske Teschuwa 589,6.
  48. Jessod weSchoresch ha’Awoda
  49. Jalkut Me’ore Or (-Tschernobel, R“H/ S.149)

TEILEN

HINTERLASSEN SIE EINE ANTWORT