Judentum und Umweltschutz – Gesundheit

Datum: | Autor: Rav Aryeh Carmell | Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag
Gesundheit

ln diesem Artikel versucht Raw Aryeh Carmell SZL (naher Schüler von Raw Elijahu Elieser Dessler und Herausgeber von Raw Dessler’s Buch “Michtaw Me’elijahu”), halachische Richtlinien für die Lösung moderner Probleme zum Schutz der Umwelt aufzustellen. Er berücksichtigt auch die tieferen moralischen Fragen, die sich dabei ergeben, und skizziert die grundlegenden Änderungen in unserer Einstellung, die seiner Meinung nach nötig sind, um eine Welt ohne Verschmutzung herbeizuführen.

GESUNDHEIT

Kontrolle über die physische Umgebung in der Halacha.

Obwohl die Gesetze des Judentums zuerst in einer von unserer sehr verschiedenen Zeit verkündet wurden, waren einige der Probleme jener Zeit bemerkenswert ähnlich den Problemen, mit denen wir uns heute befassen müssen. Die totale Bevölkerung jener Zeit war wahrscheinlich nur ein Bruchteil der unserigen, und die Technologie war die der Eisenzeit, doch lebten viele Menschen in dichtbevölkerten Städten, und Fragen der Umweltverschmutzung waren auch in der vordersten Linie des rabbinischen Interesses. Einige dieser Fragen sind gesammelt von Rambam (Hilchot Schechenim „Gesetze über nachbarliches Verhältnis“).

Das Recht, einen Schaden zu verüben, kann durch „Chasaka“ (Gewohnheitsrecht) erworben werden, außer den vier Arten von Schäden, die in diesem Kapitel beschrieben werden: Rauch, Staub, schädliche Gerüche und Schwingungen. Diese sind so schädlich, dass ein Einspruch immer angenommen werden muss.

Wir müssen nicht betonen, dass dies einige der Hauptprobleme sind, die ein Stadtbewohner in der modernen Welt hat.

Rambam fügt hinzu, dass jede Person das Recht hat, Ruhe zu genießen, ohne durch die Tätigkeit ihrer Nachbarn gestört zu werden. Wenn beispielsweise jemand in seinem Hof Arbeiten ausführt, die „Raben oder andere Vögel“ (welche seinen Nachbarn durch ihren Lärm stören) anziehen, oder wenn sein Nachbar empfindlich oder krank ist, so dass der Lärm ihm schädlich sein kann, muss er mit seiner Arbeit aufhören oder sie in einem größeren Abstand ausführen, so, dass die Störung weniger stark ist.

Dieser Entscheid ist abgeleitet von einer Begebenheit im Talmud betreffend den blinden Amora Rav Josef von Pumpedita, Babylonien. Rav Josef hatte einige Obstbäume im Garten seines Hauses. Einige Leute begannen einen Handel in der Gegend, welcher Raben und Krähen anzog, und diese Vögel verunreinigten die Früchte.

Rav Josef befahl seinem Schüler Abaje zu veranlassen, dass diese Störung verschwinde; die eigentlichen Worte, die er benutzte waren: Werde diese Krähen los für mich. Dieser ungewöhnliche Befehl, verbunden mit der Erwähnung von Rav Josefs außergewöhnlicher Empfindlichkeit, scheinen Rambam zu der obenerwähnten Entscheidung geführt zu haben.

Ein ähnlicher Fall kam von Rabbi Jitzchak bar Scheschet (Ribasch – eine der halachischen Größen in Spanien und später in Nordafrika anfangs des 14. Jahrhunderts).

Ein Jude aus der Stadt Castile ‏-‎ wir nennen ihn Reuven – beklagte sich, dass sein Nachbar – Schimon – sich in einer solchen Art mit Weben beschäftigte, dass die Wände von Reuvens Haus zitterten. Außerdem sei seine Frau kränklich, und das ständige Klopfen verursache ihr Kopfschmerzen. Schimon betonte, dass es für ihn außerordentlich teuer wäre, seinen Arbeitsplatz zu wechseln und schlug vor, Reuven solle sein Haus kaufen. Rabbi Jitzchak entschied zugunsten Reuvens, indem er das obige Talmudzitat erwähnte und auch den Entscheid von Rambam. und so legte er ein wichtiges Prinzip fest, das für unser Thema hier Bedeutung hat, d. h. dass, was immer die Kosten auch sein mögen, „eine Person nicht sich selbst einen Schaden ersparen darf, indem er seinem Nachbarn Schaden zufügt“.

Diese Bestätigung durch die Halacha auf das Recht des Einzelnen auf Zurückgezogenheit und eine ruhige Umgebung gibt den Mitgliedern einer Nachbarschaftsgemeinschaft (Chazer oder Hof in der Sprache der Mischna) die Möglichkeit, jemanden aus ihrer Gruppe daran zu hindern, eine Beschäftigung auszuüben, die andere stören würde. Die einzige Ausnahme ist die Eröffnung einer Tora-Schule wegen der Wichtigkeit des Tora-Unterrichts.

Schutz der Gemeinschaft

Bis jetzt sprachen wir von den Rechten des Einzelnen. Natürlich beschäftigten sich die Weisen des Talmuds auch mit der Notwendigkeit, die Gemeinschaft als Ganzes gegen Verunreinigung, verursacht durch den Einzelnen, zu schützen. Schon zu Zeiten der Mischna (vor dem zweiten Jahrhundert) führten die Rabbiner das Prinzip der „Städteplanungs-Gesetze“ ein, die strengstens die Orte der Dreschplätze, Schlachthäuser, Friedhöfe und Gerbereien in der Lage zur Stadt kontrollierten. Wegen der starken Gerüche mussten die letzteren im östlichen Teil der Stadt gelegen sein; und die Diskussion im Talmud stellt klar fest, dass dies wegen des Windes so war, der in Eretz Jisrael vom Westen her weht. Solcherlei Vorschriften sind schon sehr alt, und in mancher Form mögen sie schon vor der Tora-Zeit bestanden haben. Ich habe Vermutungen gesehen, dass das höfliche Widerstreben der Einwohner von Chevron, Abraham das Recht auf einen Landkauf für Begräbniszwecke zu erteilen, auf ein Stadt-Gesetz, das die Zuteilung von Begräbnis-Plätzen in der Stadtgrenze verbot, gestützt war. Aus diesem Grund musste Abrahams Kauf der Höhle Machpela vom ganzen Stadtrat genehmigt werden.

Wie dem auch sei, ist es sicherlich wahr, dass nach Matan Tora die Batei Din der Städte diese Dinge immer ernst nahmen; es war ihre Verantwortung, für eine sichere und gesunde Umwelt zu sorgen. lhr leitendes Prinzip war, dass die Rechte des Einzelnen immer dem Wohl der Gemeinschaft unterzuordnen waren. Die Macht dies durchzuführen kam von dem gesetzlichen Prinzip „hefker Bet-din hefker“, durch welches aller Besitz dem Willen des Bet-din, d.h. den Prinzipien der Tora unterworfen ist. Alle aufgezeichneten Verordnungen von Joschua, die den Besitz von Land durch die Stämme in Israel regelten, begrenzten Besitzerrechte in dieser Art, indem sie die Rechte des Einzelnen zugunsten der Gemeinschaft einschränkten.

Auch in Babylonien machte der Raw der Stadt, der auch der Aw Bet Din war, sich selbst persönlich verantwortlich für die Sicherheit der Umwelt, indem er dies als religiöse Pflicht, die ihm durch die Tora auferlegt wurde, betrachtete. Wir finden zum Beispiel, dass Raw Huna, der größte Tora-Gelehrte seiner Zeit, jeweils persönlich die Mauern der Stadt Sura vor Beginn der Winterstürme inspizierte. Wenn er eine Mauer fand, die er als unsicher betrachtete, ließ er sie sofort niederreißen. Falls der Besitzer sich dies leisten konnte, musste er sie auf eigene Kosten wieder aufbauen lassen; falls nicht, zahlte es Raw Huna von seinem eigenen Geld.

Wir sehen, dass unsere Rabbiner die Sicherheit unserer Umgebung als etwas betrachteten, das in das Tora-Gebiet fiel.

Es wurde von ihnen als so wichtig angesehen, dass es nicht einem niedrigen Beamten anvertraut werden konnte. Verantwortung dafür wurde der Persönlichkeit des Gadol Hador selbst übergeben – dem Fürsten der Tora selbst. Dies stimmt überein mit ihrer Ansicht von der Tora als g-ttlichem Gesetz, das den Menschen und seine Umwelt in weitmöglichstem Sinne regiert.

Sorge für Gesundheit und Hygiene als ein wesentlicher Teil der Tora wird in einer Episode im Talmud besonders erwähnt. Raw Huna fragte seinen Sohn, warum er nicht die Vorträge von Raw Chisda, einem brillanten jüngeren Kollegen, besuche. Der Sohn antwortete: „lch erwartete Tora, aber ich hörte nur über weltliche Dinge“. „Was zum Beispiel?“ „Dinge über persönliche Hygiene“, antwortete sein Sohn, indem er Einzelheiten erwähnte. “Dies sind Dinge von Leben und Tod, und Du nennst sie weltliche Dinge?“ sagte Raw Huna. Wir folgern daraus, dass alles, was mit der Gesundheit und dem Wohlbefinden von Menschen zu tun hat, auch von geistiger Bedeutung und innerhalb der Sphäre der Tora ist, welche höchste körperliche und geistige Gesundheit ihrer Anhänger verlangt. Wie weit ist dies von der Ansicht, dass die Tora in ihrer „religiösen“ Sphäre begrenzt werden muss!

Eine Quelle von Gefahr und Unbequemlichkeit, welcher wir auch besonders in Entwicklungsstädten in Erez Jisrael unterworfen sind, ist die Ablage von Baumaterial auf öffentlichen Straßen während der Bauzeit. Diese Tätigkeit ist von der Mischna strengstens geregelt, zum Beispiel:

Es ist verboten, auf einer öffentlichen Straße Lehm einzuweichen oder Ziegel herzustellen. Während Bauarbeiten müssen Steine und andere Baumaterialien sofort auf dem Bauplatz abgelagert und dürfen nicht auf der Straße angehäuft werden.

ln einem Entscheid von weitreichender Bedeutung schreibt der Talmud vor, dass jemand, der etwas Gefährliches auf einem öffentlichen Platz liegen lässt, seiner Verantwortung nicht entgehen kann, indem er dies nicht als seines anerkennt: Hamafkir nesakaw – chajaw.

In dem besonderen Falle, der im Talmud beschrieben wird, bezieht sich das auf jemand, der auf einer öffentlichen Fahrstraße eine Flasche fallen lässt und weitergeht, ohne die Scherben aufzulesen. Aber das Prinzip kann auch im weiterem Sinne angewandt werden. Es könnte auch auf die Verschmutzung von Gewässern durch schädliche industrielle Abflüsse angewandt werden – eines der schwersten gegenwärtigen Umweltsprobleme. Gemäß dieser Halacha könnte der Fabrikbesitzer für allen nachfolgenden Schaden haftbar gemacht und er könnte vor Gericht an der Verschmutzung gehindert werden.

Zwei Aspekte der Hygiene

Die Tora erwähnt die Verunreinigung der Umgebung direkt in ihren Gesetzen bezüglich der Organisation des Lagers der jüdischen Armee.

Wenn Du hinausgehst und gegen Deine Feinde kämpfst, sollst Du Dich vor jeder schlechten Sache schützen.

Aus den darauffolgenden Zeilen und ihrer talmudischen Interpretation wird uns klar, dass das Lager bis zu einem gewissen Grade eine Heiligkeit besitzt, die wir normal mit dem Vorhof des Tempels in Verbindung bringen, und falls ein Soldat durch einen zufälligen Samenausfluss unrein geworden ist, er davon ausgeschlossen werden muss. Zwei weitere Dinge werden gefordert: 1) Außerhalb des Lagers wird ein Platz als Latrine festgesetzt. Jeder Soldat ist für das Vergraben seines Unrates verantwortlich und muss deshalb bei seinen Waffen einen Spaten haben. (Jeder, der auch bei einer modernen Armee war, weiss, wie wichtig dies sogar heute ist). 2) Soldaten müssen richtig gekleidet sein.

Jeder Platz, wo Tora gelernt oder gebetet wird, wird durch die Rabbiner mit der Heiligkeit des „Lager Israels“ ausgestattet; und die Reinheit der Umgebung muss in den letzteren zwei Aspekten eingehalten werden, d.h. Freiheit von verunreinigenden Stoffen und 2) Freiheit von sexueller Anregung.

(Erschienen in der Jahresschrift zum Jubiläum der Jüdischen Schule Zürich, herausgegeben von R’ A. Lewenstein SZL).

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