Wochenabschnitt Emor – Die Verbindung des ‚Omer‘ mit Erez Jisrael

Datum: | Autor: Rav Chaim Grünfeld | Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag
Erez Jisrael

„Wenn ihr in das Land kommt, das Ich euch gebe, und seine Ernte schneiden werdet, sollt ihr dem Kohen ein Omer der Erstlinge eurer Ernte bringen. Er soll das Omer vor Haschem schwingen zum Wohlgefallen für euch, am anderen Morgen des Schabbat…..“ (23,10).

„Am Pessach wird über die Ernte gerichtet“, sagt die Mischna. Damit sind Regen, Wind und Wetter gemeint, die für das Gedeihen der Ernte wichtig sind, wie Rabenu Chananel erklärt. „Deshalb“, fügt Rabbi Akiwa hinzu, „befahl die Torah, am Pessach das Korban Omer darzubringen, damit Hkb“H auch die Ernte auf den Feldern segnet“[1].

Rabbi Jonathan Eibeschütz sZl. wundert sich darüber und fragt:

„Wie ist es demnach zu verstehen, dass wir am Rosch haSchana im Musafgebet in den „Sichronot“ sagen: „weAl haMedinot bo jeOmar Eso laRa’aw we’Eso laSowa“ – „und über die Länder wird an diesem Tag bestimmt, welches Hunger leiden und welches satt sein wird“?

Dies bringt ihn zur Annahme, dass am Rosch haSchana über die Ernte der ganzen Welt gerichtet wird; am Pessach hingegen wird doch nur über die Ernte von ‘Erez Jisrael‘ gerichtet! Damit erklärt er den Irrtum der Ratgeber des Par‘ohs, die seine Träume von den sieben fetten Kühen und vollen Ähren, die von den mageren Kühen und ausgedörrten Ähren verschlungen wurden, auf ganz abwegige Weise deuteten und dachten, dass sie sich etwa auf die Geburt und den Verlust von sieben Töchtern oder Provinzen beziehen würden[2]. Weshalb kamen sie nicht wie Josef auf das Naheliegende?

Es lag doch auf der Hand, dass sich die Träume auf satte und hungrige Jahre bezogen!

Chasal sagen aber, dass Josef am Rosch haSchana aus dem Gefängnis kam[3]. Daher träumte Par‘oh am „Tag des Gerichts“ von der himmlischen Geserah (Dekret), die sein Land betraf. Die Ratgeber nahmen jedoch irrtümlicherweise an, dass auf der ganzen Welt – wie in Erez Jisrael – am Pessach über die Ernte gerichtet wird, und fanden daher den Zeitpunkt der Träume von Par‘oh ungeeignet, um diese mit der neuen Ernte in Verbindung zu bringen.

Josef haZadik hingegen kannte den Unterschied und konnte daher die Träume richtig deuten. Deshalb gilt die Mizwa des ‚Korban Omer‘ nur in Erez Jisrael, da nur dort am Pessach die Ernte gerichtet wird[4].

Weshalb aber unterscheidet sich Erez Jisrael tatsächlich von allen anderen Ländern auf der Erde, was den Gerichtstag der Ernte angeht?

Das „Heilige Land“ ist die bereits bei der Welterschaffung vorbestimmte Heimat des jüdischen Volkes. Es ist einerseits das „Erez Kena’an“, vom Ausdruck „Hachna’ah“ abgeleitet, das „Unterdrückung und Demut“ bedeutet, also ein Ort der ständigen Unterdrückung und Erniedrigung. Hier wurde das jüdische Volk immer wieder von anderen Völkern beherrscht, unterdrückt und terrorisiert. Andererseits ist es „Erez Jisrael“, das heiligste, von G’tt und den Nation am höchsten geschätzte aller Länder.

Das Leben in diesem Land hängt von der geistigen Entwicklungsstufe des jüdischen Volkes ab: Ob es „Bne Jakov“ ist und sich auf einer niedrigen Stufe befindet oder es „Jisrael“ ist, das auf einer hohen Stufe steht. Erez Jisrael ist aus diesem Grunde seit jeher mit dem Schicksal, der Natur und Geschichte des jüdischen Volkes verbunden. So wie die jüdische Nationalgeschichte mit ‚Pessach‘ und ‚Jeziat Mizrajim‘ ihren Anfang nahm, begann auch die Geschichte von Erez Jisrael am Pessach. Das eine hängt mit dem anderen zusammen, und deshalb erwähnte Haschem den geplanten Einzug in Erez Jisrael zur gleichen Zeit, als Er vom Auszug aus Mizrajim sprach und verkündete dem werdenden jüdischen Volk: „weHozeti, weHizalti, weGa’alti, weLakachti und – weHeweti“ –

„Ich werde euch herausführen, euch erretten, euch erlösen, euch nehmen – und euch (nach Erez Jisrael) bringen“ (Schmot 6,6-7).

Das erste in Erez Jisrael gegessene Produkt war die Gerste von der neuen Ernte, als die Bne Jisrael zur Zeit von Jehoschua bin Nun am 10. Nissan (2488) vor Pessach ins Gelobte Land kamen (Jehoschua 5,11-12). Diese Gerste war das erste „gewöhnliche“ irdische Lebensmittel, mit der sie nach 40 Jahren ‚Man‘ wieder ihren Hunger stillten[5]. Die jüngere Generation hatte sogar bisher noch nie etwas anderes ausser dem ‚Man‘ gegessen!

Das Omer bestand aus Gerstenmehl, die eigentlich ein „Ma’achal Behema“ (Viehfutter) ist und somit die niedrige geistige Stufe repräsentiert.

Mit dem Eintritt nach Erez Jisrael begann die Aufgabe des Klall Jisrael, sich zusammen mit all seinem materiellen Besitz auf eine hohe geistigen und ruchani’usdigen Stufe zu erheben.

Chasal lernen aus dem oben erwähnten Passuk, dass die Mizwa der Omer-Darbringung erst mit dem Eintritt in Erez Jisrael begann[6], als Jisrael nicht nur seine Freiheit, sondern auch seine nationale Selbstständigkeit erlangt hat, wie Raw Hirsch sZl. kommentiert. Mit dem Darbringen des „Korban Omer“ von der neuen Gerstenernte am Pessach wird die Verbundenheit und Zusammengehörigkeit der jüdischen Nation mit seiner Heimat betont; Ihre gemeinsame Geschichte begann am Pessach und voneinander abhängig. Beide mussten von irdischer Tiefe – ‚Jisrael‘ aus dem Galut Mizrajim und ‚Erez Jisrael‘ aus Erez Kena’an – in geistige Höhen erhoben werden. Dies wird mit der dazu auserkorenen Gerste, dem „Ma’achal Behema“, symbolisiert!

Vielleicht kann damit auch die Besonderheit des Gerichts über die kommende Ernte in Erez Jisrael begründet werden, die deswegen eben am Pessach stattfindet, zum Zeitpunkt des Beginns seiner Nationalgeschichte.

Somit lässt sich auch der folgende Ausspruch von Rabbi Jochanan im Midrasch verstehen:

„Die Mizwa des Omer soll in euren Augen nie geringgeschätzt werden, denn durch ihren Sechut (Verdienst) erbte Awraham Awinu Erez Jisrael!“[7] Wer den Zeitpunkt des Korban Omer und seine Hintergründe näher betrachtet, beginnt seine tiefe Verbindung zu ‘Awraham Awinu‘ – dem Vater und Gründer des Klall Jisraels – und zu ‘Erez Jisrael‘ zu verstehen, die, wie oben erwähnt, voneinander abhängig sind.

Befindet sich nämlich Jisrael auf einem hohen geistigen Niveau, so schwingt es das ‘Korban Omer‘ vor Haschem von Unten nach Oben (‚Tenufah‘) und erhebt alles Niedrige und Materielle auf der Erde mit sich zusammen bis zur höchsten Stufe der Heiligkeit empor. Dann ist es „Erez Jisrael“ – das heilige und ruhmreiche, von allen Nationen der Welt bewunderte und gepriesene Land, wo sich jedermann G’tt nahe fühlt.

  1. Rosch haSchana 16a
  2. Raschi Bereschit 41,8 gemäss Midrasch Bereschit Rabba 89,6
  3. ibid. 10b
  4. Tiferet Jehonathan
  5. Raschi Jehoschua 5,11-12 und Kiduschin 37b gemäss Rabenu Tam in Tosafot zur Stelle
  6. Menachot 84a
  7. Psikta Rabbati 18,4

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