Wochenabschnitt Emor – Die siebenfache Läuterung in der Omerzeit

Datum: | Autor: Rav Chaim Grünfeld | Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag
Läuterung

Die siebenfache Läuterung in der Omerzeit

אֱמֹר אֶל הַכֹּהֲנִים בְּנֵי אַהֲרֹן וְאָמַרְתָּ אֲלֵהֶם לְנֶפֶשׁ לֹא יִטַּמָּא בְּעַמָּיו.

Der Midrasch leitet den Beginn dieser Parscha „Emor el haKohanim – Sage zu den Kohanim“ mit dem Passuk aus Tehilim ein (12,7): „Imrot Haschem Amarot tehorot, Kesef zaruf ba’Alil la’Arez, mesukak Schiw’atajim – die Sprüche von Haschem sind reine Sprüche, geläutertes Silber durch eine Mörserkeule in der Erde, siebenfach geläutert“.

Worin besteht der Zusammenhang dieser Psukim, und was möchte der Midrasch damit erklären?

Wie in den Sefarim haKedoschim betont wird, gelten die „Omertage“, in denen sich der Klall Jisrael nach ihrem Auszug aus der Unreinheit Mizrajims physisch und geistig auf ‘Matan Torah‘ vorbereitete, auch für jeden Jehudi als eine besonders für die Läuterung seiner irdischen Begierden und seines Charakters geeignete Zeit. dabei geht es hauptsächlich um die „sieben Midot“ (Eigenschaften) – Chessed, Gewura, Tif‘eret, Nezach, Hod, Jesod und Malchut – die alle menschliche Eigenschaften umfassen. Daher bestehen die Omertage aus „Schewa Schabatot temimot – sieben vollständigen Wochen“, d.h. dass der Mensch sich in ihnen vervollkommnen soll. Auch das Wort „Sefira – zählen“ wird als vom Wort (Schmot 28,18) „Saphir“ abgeleitet verstanden, eine Anspielung auf die Aufgabe, sich wie ein Edelstein zu veredeln[1].

Wie aber ist es dem an die irdischen Massstäbe gebundenen und gewohnten Menschen möglich, an seinen rohen Charakterzüge und seinem ungehobelten Wesen zu arbeiten und es zu läutern?

Dazu benötigt er die Torah, weil „Imrot Haschem Amarot tehorot“, die Sprüche G’ttes rein wie in der Erde geläutertes Silber sind, dass siebenfach geläutert ist und daher ganz rein ist. Ebenso reinigt die Torah den Menschen, der sie lernt und sich nach ihr richtet, und läutert den Menschen siebenfach – d.h. alle seine sieben Midot.

Vielleicht ist auch das der Sinn des erwähnten Midrasch, der sich über den ersten Passuk dieser Parscha wundert: „Emor el haKohanim – rede mit den Kohanim, den Söhnen von Aharon, und sage ihnen, er [ein Kohen] soll sich an keiner Nefesch verunreinigen in seinem Volk“. Obwohl hier von der Berührung eines Toten die Rede ist, wird das Wort „Nefesch” – „Seele“ verwendet, das eher zum Körper eines Lebenden passt. Das dürfte eine Andeutung auf die Seele der Kohanim selber sein, die sich nicht nur körperlich nicht verunreinigen dürfen, sondern ihrem Status gemäss, auch besonders auf die Reinheit ihrer Seele achten müssen!

In diesem Sinn lässt sich auch die Erklärung von Raschi deuten, warum in diesem Passuk der doppelte Ausdruck „Emor-weAmarta“ verwendet wurde, was soll dieses zweimalige „Sagen“ bedeuten? „Emor – Du Mosche spreche mit den Gedolim (Erwachsenen), damit sie – weAmarta – die Ketanim (Kinder) warnen sollen“. Die Grossen der G’ttesdiener, sollen den Kleineren als Vorbild gelten, wie man sich auch innerlich von der Unreinheit lösen und seine sieben Eigenschaften vervollkommnen kann.

Doch Chasal fragten sich im Midrasch, wie denn diese Läuterung der großen und kleinen Leute erreicht werden kann und wo diese Antwort im Passuk angedeutet ist?

Es ist nicht anzunehmen, dass der Passuk die Kohanim – und im übertragenen Sinn jeden Jehudi, der ein Diener G’ttes sein möchte – damit beauftragt, seine sieben Midot zu reinigen, ohne ihm das wirkende Rezept dafür zu verschreiben – ihm nicht die dafür benötigten Mittel zu geben!

Deshalb deuteten Chasal den eigentlich unnötigen doppelten Ausdruck von „EmorweAmarta“ als Andeutung auf den Passuk in Tehilim „Imrot Haschem Amarot tehorot“, wo ebenfalls dieses doppelte Sagen vorkommt: Mit „Imrot Haschem – die Sprüche von Haschem“, ist die Torah gemeint, „Amarot tehorot“, welche reine Sprüche beinhält. Sie sind das Reinigungsmittel der jüdischen Seele, welche die Kraft und Fähigkeit besitzen, sie siebenfach zu läutern. Somit ist der oben zitierte Passuk so zu deuten: Emor el haKohanim“, die Torah – die Sprüche von Haschem – ist für die Kohanim – für den echten G’ttesdiener – das Hilfsmittel um sich zu läutern und die Würde des Kohen zu erreichen und bewahren. we’Amarta alehem“, weil deren reine Sprüche auf sie einwirken wird bis sie rein sein werden.

Die jeweils in der Omerzeit geleinte ‚Parschat Emor‘ hat demnach nicht nur eine Gemeinsamkeit mit ihr, weil in ihr die Mizwa von „Sefirat haOmer“ erwähnt wird.

Sie ist vielmehr eng mit der Aufgabe dieser sieben Wochen verbunden und setzt sich mit dessen Thematik auseinander.

Betrachtet man den Inhalt der Parscha, so teilt sich diese in fünf Themen: a) Spezifische Halachot der Reinheit der Kohanim, um für die heilige ‘Awodah‘ im Mischkan würdig und rein zu sein. b) Spezifische Halachot über die Tiere, wann diese für als Korbanot geeignet sind. c) Die Parscha von Schabbat, allen Moadim inklusive der Mizwa des Omerzählens. d) Die Mizwa des Anzündens der Menorah und der Bereitstellung der 12 „Lechem haPanaim“ (Brote, die auf dem Tisch im Mischkan gestellt werden). e) Die tragische Begebenheit mit dem ‘Mekalel‘ (Fluchenden) und dessen Bestrafung.

Der Kohen und das Korban verkörpern und symbolisieren den vorwärts strebenden Jehudi, der sich dem G’ttesdienst widmen und sich dem ‚Bet haMikdasch‘ (Tempel) und dem ‚Misbeach‘ (Altar) – Haschem – nähern möchte. Er muss daher ohne Fehl und Tadel sein. Egal ob körperliche Unreinheit oder innere, seelische Mängel, sie alle behindern die ‚Awodat Haschem‘ und müssen zuallererst ausgemerzt werden. Dazu hilft ihm der Schabbat, der siebte Wochentag, an dem er sich ungestört der Torah widmen kann, was er während der sechs Arbeitstage nicht tun konnte. Ebenso die sieben Tagen der Jamim Tovim [erster und letzter Tag Pessach, Schawuot, Rosch haSchana, Jom Kippur, erster Tag Sukkot und Schemini Azeret] und insbesondere die sieben Wochen der Sefirat haOmer. All diese sind auf die Kernzahl der Sieben abgestimmt, weil sie die besondere Kraft besitzen, die sieben Midot zu reinigen.

Dies geschieht hauptsächlich mit der Kraft der Torah, den „Imrot Haschem“, die ihn anleitet, wie er an seinen sieben Midot arbeiten und sie vervollkommnen kann, bis er den Status des fehlerlosen Kohen und vollkommenen Korban – im Sinn von „Schewa Schabbatot Temimot“ – erreicht. Denn das Licht der Tora gleicht den sieben Lichtern der Menorah, mit deren Entzündung Aharon haKohen die ‚Neschamot‘ des Klall Jisrael jeden Tag beleuchtete und reinigte, bis es ihnen möglich war, alle ihre sieben irdische Eigenschaften und Wesenszüge in den Griff zu bekommen, bis sie so rein und leuchtend wie das „Ner der Menorah“ waren.

Erst dann, wenn man auf dieser hohen Stufe der Reinheit angelangt ist, wie „Kesef zaruf – siebenfach geläutertes Silber“, kann man irdische Begierden und menschliche Neigungen beherrschen und ablegen. Der Mensch wird dann zu einem echten Kohen und zu einem fehlerlosen Korban, der im Bet haMikdasch alles Irdische wie Fleisch, Brot und Wein Hkb“H darbringt, und es ‚leSchem Mizwa‘, mit Heiligkeit und Reinheit verwendet und ihnen auf diesem Weg zu ihrem geistigen Ursprung zurück verhelfen kann, den Zweck ihrer Erschaffung zu erfüllen.

So konnten die Kohanim die auf dem ‚Schulchan‘ (Tisch) im Bet haMikdasch liegenden 12 Lechem haPanim (Brote), an jedem Schabbat in Heiligkeit anordnen und am nächsten Schabbat aufessen, weil sie dem Schabbat gleichend, ihre sieben Eigenschaften geläutert hatten und das Brot wie die Korbanot in Heiligkeit assen. Dank dieser Heiligkeit wurde dem Lechem haPanim seine irdische Einschränkungen entzogen, und es blieb eine ganze Woche lang frisch und war bei der Verteilung ausreichend, um alle Kohanim zu sättigen[2].

Der Mekalel (Fluchender) hingegen, der Sohn eines Mizri war und seine ägyptische Tum’ah nicht abgelegt hatte, konnte nicht an das Wunder der ‘Lechem haPanim‘ glauben[3]. Seine siebenfach beschränkte Seele, die sich nicht an den g‘ttlichen reinigenden Sprüche der Torah labte und erquickte, blieb an den beschränkten irdischen Ansichten und menschlichen Neigungen haften. Für ihn ergaben alle geistige Werte und Ziele keinen Sinn, die Tore der „sieben himmlischen Sphären“ (Sefirot Eljonot) blieben ihm verschlossen, da er seine sieben Midot nicht geläutert hatte. Er empfand daher keinen Respekt vor dem g’ttlichen Namen, dem geistigen Ursprung und der Quelle jeglicher Materie, und beschämte diesen. Folglich musste er sterben. Die letzte Verbindung mit G’ttes Lebenskraft wurde ihm entzogen, er wurde wieder zur niedrigsten Stufe des Irdischen und Materiellen, dem leblosen „Domem“ (דומם) – „zum Staub der Erde hinabgestoßen und mit Steinen beworfen“ (מיתת סקילה) und in ihr für ewig vergraben.


  1. Mehr dazu sieh in meinem Artikel zu Parschat Behar.
  2. Joma 21 und 39a
  3. Raschi 24,10 gemäss Midrasch Wajikra Rabba 32,3

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