Wochenabschnitt Wajakhel Pekudej – Weshalb befahl Mosche nicht sofort den Bau des Mischkan?

Datum: | Autor: Rav Chaim Grünfeld | Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag
Mosche

וַיַּקְהֵל מֹשֶׁה אֶת כָּל עֲדַת בְּנֵי יִשְׂרָאֵל וַיֹּאמֶר אֲלֵהֶם: אֵלֶּה הַדְּבָרִים אֲשֶׁר צִוָּה ה‘ לַעֲשֹׂת אֹתָם (35,1) Raschi schreibt dazu folgendes: „Als Mosche Rabenu am Jom Kippur vom Berg Sinai mit den zweiten Luchot haBrit (Bundes-Tafeln) hinabstieg, konnte er den Bne Jisrael mitteilen, dass Haschem ihnen ihre Sünde vergeben hat. Als Teil der Teschuwa übergab er ihnen am anderen Morgen die Befehle von Hkb“H über den Bau des Mischkan und die Abgabe des Machazit haSchekel (Halber Schekel)“.

In der Parschat Jitro (18,13) hingegen steht:

„Wajehi miMacharat…“ Am anderen Morgen saß Mosche zu Gericht, um die Streitfragen des Klall Jisrael zu schlichten. Raschi lehrt, dass hier die Rede vom anderen Morgen von Jom Kippur ist. Da Jitro seinem Schwiegersohn Mosche vorhielt, dass er den ganzen Tag sitze und das Volk um ihn von Morgen bis Abend stehen müsse (18,13-14), müssen wir wohl davon ausgehen, dass Mosche am Tag nach Jom Kippur, also am 11. Tischri, zuerst zu Gericht saß und erst danach „gegen Abend“ die Mizwa vom ‚Binjan haMischkan‘ verkündete. Diese Annahme geht auch daraus hervor, dass die Bne Jisrael an den darauffolgenden zwei Tagen (12.-13. Tischri) ausschließlich mit der Spendesammlung beschäftigt waren. Hätte Mosche ihnen diese Mizwa gleich am Morgen des 11. Tischri gesagt, so wäre wohl kaum jemand an diesem Tag mit anderen Problemen vor dem Gericht erschienen[1].

Es stellt sich daher die Frage, weshalb dieser Gerichtstag so wichtig war, dass Mosche ihnen nicht gleich am Morgen die Mizwa des Mischkan-Bau übergab. Mosche richtete das Volk ja jeden Tag, ihre Fragen konnten daher sicher noch einen oder zwei Tage warten?

Der Ramban ist, im Gegensatz zu Raschi, nicht der Ansicht, dass Mosche Rabenu am Tag nach Jom Kippur zu Gericht sass. Er schreibt stattdessen, dass sich dieses „miMacharat“ nicht direkt auf den nächsten Morgen, sondern auf einen späteren Zeitpunkt bezieht.

Die obige Frage ist daher nur gemäß der Ansicht Raschis schwer.

Manche beantworten sie anhand einer Drascha von Chasal zum Passuk (35,5): „Kechu me’itchem Teruma“ – „Nimmt von ihnen eine Abhebung“, nur von „ihnen“ sollst du nehmen, damit ist gemeint, was ihnen tatsächlich gehört, also kein Diebesgut[2]. Deshalb musste Mosche Rabenu zuerst alle Streitfragen entscheiden, damit jedermann auch wirklich nur von seinem eigenen Besitz und Vermögen für das Mischkan spendete, und es nicht mal versehentlichen Diebstahl gab.

Vielleicht kann man diese Frage auch so beantworten: Der Mittelpunkt der gesamten Welterschaffung ist die Torah. Der Mittelpunkt des Mischkan war der ‚Aron haKodesch‘ (Heilige Bundeslade) mit den ‚Luchot haBrit‘, denn das Mischkan war bekanntlich das Universum im Miniaturformat. Wie konnte das Volk aber nach einem solchen Rückschlag beim Egel (‚goldenen Kalb‘), als die Gesetze der Torah mit Füssen getreten wurden, plötzlich ein Heim und Zentrum für die Torah in ihrer Mitte errichten? Mosche Rabenu versuchte daher zuerst, einen direkten Kontakt zwischen den Bne Jisrael mit der Torah zu schaffen. So kam jeder mit seinen Fragen und Zweifeln zu Mosche. Dieser klärte und beantwortete ihre Fragen gemäß der Gesetze der Torah und knüpfte somit eine neue Verbindung zwischen Jisrael und der Torah.

Erst danach befahl Mosche den Bau des Mischkans, des Heims und Zentrums der Torah inmitten des Volkes.

In diesem Sinn wird in den Sefarim haKedoschim der Passuk zu Beginn dieser Sidra וַיַּקְהֵל מֹשֶׁה אֶת כָּל עֲדַת בְּנֵי יִשְׂרָאֵל„Mosche versammelte die ganze Gemeinde der Bne Jisrael“ so interpretiert: Jeder ‚Talmid Chacham‘ (herausragender Torah-Gelehrter) und ‚Manhig haDor‘ (geistiger Führer der Generation) wird bekanntlich „Mosche“ genannt[3]. Die Aufgabe der geistigen Führer des jüdischen Volkes ist es, das jüdische Volk zu versammeln und zu vereinen. וַיֹּאמֶר אֲלֵהֶם אֵלֶּה הַדְּבָרִים אֲשֶׁר צִוָּה ה‘ לַעֲשֹׂת אֹתָם“ – „Er sprach zu ihnen: Diese sind die Dinge, die G’tt geboten hat zu tun“. Ziel der Versammlung und Vereinigung des jüdischen Volkes ist es, damit sie der ‚Manhig‘ zur Torah näher bringen und G‘ttes Wort offenbaren kann, und sie zu lehren, was Hkb“H von ihnen fordert.

Dies gelingt allerdings nur dann, wenn das jüdische Volk ein wirkliches Interesse daran zeigt, dem Willen von Haschem zu gehorchen und sich von den ‚Gedole haDor‘ führen und belehren zu lassen. Dies verdeutlichte uns Mosche Rabenu, als er zuerst die Bne Jisrael richtete und erst danach zum Bau des Mischkan aufrief. Damit wollte er uns diese Regel vermitteln: Wer kann zum Bau eines G‘tteshauses, zur Errichtung eines Hauses der Torah “in sich selbst“ schreiten? Derjenige, der sich von den ‚Gedolim‘ und Zadikim der Generation belehren und leiten lässt!

  1. siehe Paneach Rasa
  2. Sohar haKadosch Bd2/S.198a
  3. מֹשֶׁה שַׁפִּיר קָאָמְרַתְּ, Schabbat 101b, Sukka39a, Beza38b und Chulin 93a – אִתְפַּשְׁטוּתָא שֶׁל מֹשֶׁה בְּכָל דָּרָא וְדָרָא, Tikune Sohar S.112b

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