Du sollst bleiben a Jid – Mein Großvater, der Režicer Rebbe

Datum: | Autor: Rav Itzchak Silber | Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag
Mein Großvater

Erinnerungen von Raw Jitzchak Silber SZ”L

Mit Genehmigung seines Sohnes Raw Benzion Silber schlito

Wir setzten die Publikation der Auszüge aus dem Buch der Erinnerungen von Raw Jitzchak Silber SZ”L fort. Raw Jitzchak Silber ist eine herausragende Gestalt der letzten Generation, dem es nicht nur gelungen ist, während der Sowjetzeit nichts von seiner Einhaltung von Tora und Mitzwot aufzugeben, sondern auch wörtlich Tausende Talmidim aufzustellen.

Fortsetzung

Kapitel 2: Režica. Mein Großvater, der Režicer Rebbe

Der zweite Sohn von Rav Naftoli (er hatte drei Söhne) Rav Izhak Zijuni stand mit sechsunddreißig Jahren an der Spitze der Gemeinde von Režica (heute Rēzekne) und wurde zum Režicer Rebbe. Das war in der zweiten Hälfte des vorletzten Jahrhunderts.

Sein Sohn Rav Benzion ist mein Vater.

Ich kenne meinen Großvater nur aus Erzählungen. Man sagte, dass er den ganzen Tag in der Synagoge verbrachte, immer mit Tallit Gadol und Tefillin, die er erst mit Sonnenuntergang ablegte.

In der Gemeinde von Režice gab es nicht wenige gelehrte Leute und mein Großvater schlug ihnen gewöhnlich vor, sich jede Frage anzuhören, mit der die Menschen zu ihm in die Synagoge gekommen waren. Er hielt die Meinung der Kenner zu dieser Frage fest und äußerte dann seine eigene. Er vermachte seinen Söhnen, dass diese ebenso handelten und schrieb es auch so in seinem Testament.

Ich muss sagen, dass mein Vater diesen Hinweis befolgte. Ich weiß noch, dass Vater während des Krieges zur Zeit der harten Hungersnot den Juden in der Gemeinde in Kasan einige „Erleichterungen “erlaubte. Mein Vater erlaubte unmittelbar am Pessach Mazza zu backen sowie Erbsen und andere Hülsenfrüchte zu essen. Diese Entscheidung traf und besprach er in Anwesenheit von zwei Rabbinern, die damals auf Durchreise in Kasan waren.

Wenn der Režicer Rebbe am Freitagabend unterwegs zur Synagoge an den jüdischen Läden vorbeiging, passte er immer auf, dass diese bis zum Schabbatbeginn geschlossen wurden.

Einmal geschah es, dass ich einer Frau begegnete, die in jener Zeit zu Besuch in Režice gewesen war. Sie schilderte mir folgende Szene. Sie steht in der stillen, abendlichen Straße. Der Schabbatanfang naht. Plötzlich beginnt ein unheimlicher Trubel, alle beeilen sich, verbreiten Lärm, die Geschäfte werden zugemacht, dass die Rolläden nur zu so knallen. Die Frau fragt verängstigt: „Was ist denn los? Was ist passiert?“. Und man antwortete ihr: „Reb Itzele kommt!“.

Die Menschen kamen von weither, um den Režicer Rebben um Rat zu fragen. Und allen waren die Fälle bekannt, wo das Missachten der Worte des Rebben zu einem sehr traurigen Ende führte. Man liebte ihn und fürchtete ihn.

Der Volksmund erzählt immer Geschichten über die Weisen. Über meinen Großvater berichtete man auch Wunder. Zwei solche Geschichten möchte ich hier auch wiedergeben.

Vor Schabbateintritt wuschen sich die Jiden im Dampfbad. Es kam zu einem Streit und einer gab dem anderen (und der andere war der Melamed, der den kleinen Jungen die Tora beibrachte) eine Ohrfeige. Der Režicer Rebbe sah dies und rief: „Rachmones, Jidn! Jidn, habt Mitleid mit ihm! Jemand soll zurückschlagen! Schnell!“ Aber niemand tat dies.

Am gleichen Abend verschluckte sich der Beleidiger des Melameds während der Schabbatmahlzeit und starb. Erst da verstanden die Juden, worum der Rebbe gebeten hatte: hätte jemand dem Schläger die Ohrfeige zurückgegeben, hätte der die härtere Strafe für sich vermeiden können.

Die zweite Geschichte über den Frisör bedarf eines kleinen Vorworts: das jüdische Gesetz verbietet es, sich mit einer Rasierklinge zu rasieren – die Juden dürfen sich nur mit einem speziellen Rasierapparat rasieren.

Alle hielten sich streng an diese Regel. Da eröffnete ein Jude in Režice einen Frisiersalon und fing an, die Kunden mit einer Rasierklinge zu rasieren. Der Režicer Rebbe ließ ihn zu sich kommen und warnte ihn: Hör zu, mein Lieber, man darf mit der Rasierklinge nicht rasieren. Mach das auf eine andere Weise!

Der Frisör versprach es, aber es verging eine gewisse Zeit und es wurde bekannt, dass er nach wie vor mit der Rasierklinge rasiert (vielleicht, weil die Rasierklinge sauberer rasierte, als die damaligen Rasierapparate und weil es leider auch eine Nachfrage dafür gab). Der Rebbe ließ ihn wieder kommen:

  • Mein Sohn, du hast doch gesagt, dass du es nicht mehr tun wirst?

Der Frisör erwiderte:

  • Rebbe, ich muss doch etwas verdienen! Wenn ich die Menschen nicht auf diese Weise rasiere, was werde ich dann essen?

Da sagte der Rebbe:

  • Und auch, wenn man etwas zu essen hat, was nützt es einem dann?

Und mehr fügte er nicht hinzu. Bald darauf erkrankte der Frisör an Krebs. Man gab ihm das beste Essen, aber essen konnte er es nicht…

Ein Jid aus Režice erzählte mir, dass er als Bub dem geheimnisvollen Rebben gern nachging. So sah er eines Tages, wie Reb Itzele, wie immer mit Tallit und Tfillin, die Straße entlang ging, plötzlich in eine enge Gasse zwischen den Häusern abbog und dort irgendetwas tat. Der Junge wartete ab, bis der Rebbe weg war und schaute in den Winkel hinein. Da lag eine Hündin mit ihren Welpen. Der Rebbe hatte ihr Futter gebracht…

Es war einmal in Kasan (mir ist noch die Owrashnaja-Straße, in der wir damals wohnten, gut in Erinnerung). Zu unserer Nachbarin Frau Gurewitsch kam ihre Mutter zu Besuch. Ich kam mit ihr ins Gespräch und sagte, dass mein Vater aus Režice stamme.

  • Aus Režice? Wo Reb Itzele lebte?- rief sie. – Er hat doch meine Mutter gerettet!
Und sie erzählte mir folgende Geschichte.

An einem Frühlingsmorgen ging ihre Mutter, nachdem sie die Wäsche gewaschen hatte, wie man es damals zu tun pflegte, zu dem Steg am Fluss, um die Wäsche zu spülen. Als sie an der Synagoge vorbeiging, lief der Schammes (der Synagogendiener) nach draußen und rief ihr zu:

„Reb Itzele bittet dich zu warten“. Sie wartete vielleicht fünfzehn oder zwanzig Minuten. Endlich kam der Schammes hinaus und winkte mit der Hand: „Du kannst weiter gehen“.

Die Frau wunderte sich, warum man sie wohl aufgehalten hatte? Als sie aber zum Fluss kam, traute sie ihren Augen nicht: als ob es den Steg nie gegeben hätte! Der Steg war vom Hochwasser hinweggespült worden, während die Frau auf den Rebben gewartet hatte. Was wäre wohl gewesen, wenn sie auf diesem Steg gestanden hätte?

Fortsetzung folgt ijH.

HINTERLASSEN SIE EINE ANTWORT