Zwei Geschichten über Sukkot
Mit freundlicher Genehmigung Der Jüdischen Zeitung Zürich
Lebensrettung durch Sukkabretter
Der Admor, Reb Mordechaj von Rachmestriwka sz’l, der sich vor vielen Jahren in Jeruschalajim niederliess, war für sein Zidkut und seine aussergewöhnliche Liebe zu jedem Jehudi bekannt. Folgende Geschichte habe ich von einem jeruschalmer Bewohner gehört, der dies bezeugte.
Die Geschichte geschah in einer schweren Zeit, als eine Epidemie ausbrach und viele Bewohner in Jeruschalajim daran erkrankten. Die Tochter eines Jehudi erkrankte auch daran und für ihre Heilung schrieb der Arzt vor, dass sie sich ständig mit viel heissem Wasser waschen müsse.
Die Armut und die schweren Umstände die damals zwischen den Bewohner von Jeruschalajim herrschten, erschwerten diese Aufgabe. Denn man konnte nicht einmal etwas Holz auftreiben, um Wasser für das kranke Mädchen aufzuwärmen.
Als der Admor Reb Mordechaj davon hörte, stand er unverzüglich auf und kroch in den Estrich. Dort holte er ohne viel zu sagen, seine teuren Sukkabretter herunter und brachte sie diesem Jehudi, sodass er damit ein Feuer entfachen kann und das lebenswichtige Wasser erhitzen konnte.
Um zu verstehen, welch eine grosse Tat es war, muss hinzugefügt werden, dass es sich bei diesen Bretter um Hölzer handelte, die er von seinem Vater, Grossvater und Urgrossvater erbte, und sie von dem ‚Meor Einajim‘ stammten. Weil sie so angesehen und kostbar waren, nahm er sie mit sich mit, als er nach Erez Jisrael auswanderte. Sie wurden ganz vorsichtig behandelt und gut aufbewahrt. Reiche Leute versuchten unzählige Male, die Bretter für viel Geld zu erwerben, jedoch weigerte er sich diese Bretter zu verkaufen, obwohl er sehr bedürftig war.
Hier jedoch, wo es sich um die Lebensrettung einer jüdischen Seele handelte, zögerte er keine Sekunde und kroch in den Estrich um sie herunter zu holen. Die Bretter waren aber noch nicht bereit für das Feuer, denn er musste vorerst alle heilige Namen, die in den Hölzern eingraviert waren, entfernen, um sie würdig zu behandeln. Dann beeilte er sich aber, um dem Vater des Mädchens die Hölzer zu bringen.
Das Ganze geschah unauffällig und wurde von ihm getan, als ob es die normalste Handlung sei.
Wenig schlafen
Eine der Eigenschaften, die man für den Erwerb der Tora benötigt, ist ‚wenig schlafen’. Es gibt unzählige Geschichten über Gedolim die sich diese Eigenschaft erworben haben und sich kaum Schlaf gönnten. Wir wollen hier ein Beispiel dafür bringen:
Es war am Sukkot nach einem Schmitta-Jahr, als der Neziw sich einen Etrog kaufte. Die Liebe, die der Neziw zum heiligen Land hatte, war bekannt. Er unterliess es deshalb auch nicht, die Bracha über die Arba Minim, jeweils auf einen Etrog, der aus Erez Jisrael stammt, zu sprechen. Auch sein Enkel, Reb Chajim Solowiejczyk begab sich jeweils zu ihm, um diesen Etrog zu benschen.
Auch in diesem Jahr, nach dem Schmitta-Jahr, unterliess der Neziw es nicht, einen Etrog aus Erez Jisrael zu erwerben, um darauf die Bracha zu sprechen. Wir wollen uns jetzt nicht an diesem Ort in halachische Aspekte einlassen, der Neziw war jedoch der Meinung, dass es Lehalacha kein Problem ist, und es deshalb richtig ist, die Bracha darauf zu sprechen. Sein Enkel, Reb Chajim hingegen, zweifelte daran, ob es richtig ist, in diesem Jahr nach dem Schmitta-Jahr, eine Bracha über einen solchen Etrog zu sprechen und suchte und fand deshalb einen anderen Etrog für die Bracha. Er kam also nicht zu seinem Grossvater, um den Etrog zu benschen.
Am ersten Tag Sukkot, nach dem Dawenen, ging Reb Chajim zum Neziw, um ihm ‚Gut Jom Tow’ zu wünschen, worauf sein grosser Grossvater gleich hervor schoss: „Ich weiss, weshalb du dieses Jahr nicht gekommen bist, um meinen Etrog zu benschen! Es ist, weil du über meinen Etrog in diesem Jahr, halachische Zweifel hegst! Ich werde dir aber beweisen können, dass es selbst nach deiner Meinung, keinerlei Zweifel gibt!“
Reb Chajim liess nicht locker und erklärte: „Werter Grossvater, ich weiss, dass du dieser Meinung bist. Es scheint mir aber anders zu sein. Ich glaube, dass lehalacha ja Zweifel bestehen!“
Das Gespräch ging schliesslich zu Ende, als der Neziw seinem Enkel versicherte, dass er seinen Psak darlegen und seine Position beweisen werde. Und so verabschiedeten sie sich voneinander.
Am nächsten Morgen um drei Uhr frühmorgens (!) klopfe der Schamasch des Neziw an Reb Chajims Fenster und gab ihm bekannt, dass sein Grossvater ihn rufen liess. Reb Chajim erschrak und fürchtete, dass seinem Grossvater irgendetwas passiert war, denn der Neziw war damals schon in einem sehr fortgeschrittenen Alter. Er weckte alle seine Kinder auf und alle zusammen rannten zum Haus des Neziw.
Als sie sich der Sukka des Neziw näherten, konnten sie feststellen, wie vor dem Neziw ein Stapel Sefarim bis zum S’chach hinauf (so drückte sich der Brisker Raw aus, als er die Geschichte erzählte) lag. Der Neziw war über seine Sefarim gebeugt und darin vollkommen vertieft.
Alle atmeten auf, als sie sahen, dass er gesund ist und man sich nicht um ihn sorgen muss.
Raw Chajim schickte nun alle Kinder wieder nachhause und ging alleine ins ‚Kodesch Kodoschim’ zu seinem Grossvater.
Als der Neziw ihn kommen sah, sagte er gleich: „Siehe, ich habe dich rufen lassen, um dir in all diesen Sefarim zu zeigen, dass es selbst laut deiner Meinung, kein Problem gibt, den Etrog dieses Jahr zu benschen!“
Reb Chajim entschuldigte sich und sagte: „Entschuldigung lieber Grossvater, lasse mir bitte ein paar Minuten, denn ich muss zuerst noch Birkat Hatora sprechen. Ich kann erst dann zuhören.“
Als der Neziw diese Worte hörte, war er ganz verwundert: „Wie bitte? Habe ich in meinem Alter verdient, das zu sehen? Dass mein Enkel um drei Uhr früh noch keine Birkat Hatora gesagt hatte?!“ Er klatschte in seine Hände und klagte: „Oh weh! Um drei Uhr noch keine Birkat Hatora gesagt, weil man noch schlief…!“
Reb Chajim erzählte, dass er darauf so stöhnte, dass er überhaupt nicht mehr dazu kam, mit ihm zu sprechen und wieder nachhause gehen musste!
Wenig Schlaf!