Das Ehren der Tora und die Tage des Omerzählens

Datum: | Autor: Rav Igal Polischuck | Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag
Tage des Omerzählens

Die Tage des Omerzählens – Eine Zeit in der wir uns darauf vorbereiten, die Tora auf ein Neues offenbart zu bekommen.

Laut den Kommentaren des Rambam sind es halbfestliche, an die Chol HaMoed erinnernde Tage. Trotz dessen haben diese Tage auch einen Trauercharakter, da während dieser Zeit die Schüler des Rabbi Akiwa starben. Während der Tage des Omerzählens halten wir keine Hochzeiten ab, hören keine Musik und lassen uns die Haare nicht schneiden.

Die Gemara führt als Grund für diese schwere Strafe den fehlenden Respekt der Schüler für einander an. Wie kann es aber sein, dass dies so eine schwere Strafe zur Folge hatte? Raw Sender Erlanger führt an, dass es hier nicht um persönliche Verfehlungen der Schüler geht. Die Schüler Rabbi Akiwas waren große Gehlehrte und sie waren es, die der nächsten Generation die Tora weitergaben. Die Weitergabe der Tora wäre mangelhaft ausgefallen, wenn die Gelehrten nicht bestraft worden wären. Leute, denen es an Respekt für ihren Mitmenschen mangelt, sind nicht in der Lage, die Tora der nächsten Generation weiterzugeben. Respekt und Hochachtung gegenüber denen, die sich dem Studium der Tora widmen, ist eine der wichtigsten Grundlagen. Genau daran mangelte es den Schülern Rabbi Akiwas und genau das war der Grund für eine so schwere Strafe.

Aus diesem Grunde sind die Tage des Omerzählens eine besondere Zeit, in der wir uns die Wichtigkeit der Tora selber vor Augen führen müssen. Sie ist und unser Leben – in dieser Welt wie auch in der Kommenden Welt. Die Wichtigkeit der Tora tritt in vielen Dingen zu Tage und die Tage des Omerzählens und ihr Trauercharakter sollen sie uns nochmal besonders vor Augen führen. Diese Tage sind dazu da, damit wir an einem Mangel an Respekt gegenüber der Tora selber und denen, die sie studieren, arbeiten und ihn beheben.

Wir werden uns jetzt mit einigen ganz besonders wichtigen Aspekten des Respektes vor der Tora befassen.

Vor vielen Jahren hat unser Lehrer Gaon Raw Mosche Shapiro folgendes Gleichnis erzählt: Woran erinnert Rosch HaSchana? An einen König, der seinen Palast verlässt und durch sein Reich fährt. Da, wo die Leute etwas vom Königtum verstehen, wird ihm der ihm gebührende Respekt erwiesen. Es gibt aber auch etwas ungehobeltere Gesellen, die es gewohnt sind, Gäste mit Steinen zu “begrüßen”. Solchen Leuten muss man extra sagen, dass einem König ein besonderes Maß an Respekt gebührt. Was ist für solche Leute “besonderer Respekt”? Dass man wenigstens das Steineschmeißen sein lässt.

So sieht es auch mit G-tt aus – er hat sich unseren Vorvätern in Seinem Palast offenbart, der Generation, der die Tora offenbart wurde. Leute aus diesen Generationen wussten noch, wie echter Respekt vor Dem König aussieht. Was unsere Generationen angeht, ist es schon eine reife Leistung, wenn wir das Steineschmeißen sein lassen. Was meint hier Raw Mosche genau? Eines der größten Probleme unserer Zeit ist die Geringschätzung der Tora. Die Tora ist der Wille des Königs der Könige – G-tt. Und ausgerechnet diese “begrüßen” wir mit “Steinwürfen”.

Im Buch “Scha’arei T’schuwa” von Rabbeinu Jona wird etwas überaus schreckliches als Strafe für die Geringschätzung der Worte der Tora angeführt: Der Kareth! Was ist hier mit “Geringschätzung der Worte der Tora” gemeint? Man könnte meinen, dass es uns selber nichts angeht, aber so einfach ist es nicht. Es wird nämlich gesagt, dass der, der die Tora studieren könnte, es aber nicht tut, diese geringschätzt. Daher muss man, wenn man an seinem Respekt gegenüber der Tora arbeiten will, sich zuerst der Wichtigkeit des eigenen Tora-Lernens bewusst zu werden. In unseren Jeschiwot besteht der Brauch, die Tora am Anfang des Semesters im Monat Ijar bis zum Anfang des Schawu’oth mit der größtmöglichen Konzentration zu lernen, um jegliche Ablenkungen zu vermeiden.

Wir werden jetzt einen weiteren Aspekt des Respektes vor der Tora beleuchten; In der Tora (Vajikra 19:32) wird gesagt: “Erhebe dich vor einem grauen Haupte und ehre den Alten”.

Laut der Interpretation im Traktat Kiduschin (32B) ist hier ausschließlich ein Gelehrter der Tora gemeint. Es gibt aber auch eine Interpretation, laut derer man jeden älteren Menschen mit einem besonderen Maß an Respekt behandeln muss (ausgenommen davon sind Verbrecher, Frevler und dergleichen, siehe dazu den Raschi-Kommentar zum Vers). Die gängige Halacha lautet, dass nicht nur vor einem älteren Gelehrten der Tora aufstehen muss, sondern auch vor einem jüngeren. Womit wird dies begründet? Das Wort “saken” wird als Abkürzung für “se kana chochma” – “er hat sich Weisheit angeeignet” interpretiert.

Demnach basiert die erste Interpretation auf der Ansicht, dass das Ende des Verses seinen Anfang erklärt, also dass Alter und Gelehrsamkeit da sein müssen. Die zweite Interpretation verpflichtet zum besonderen Respekt vor älteren Leuten im Allgemeinen und vor Gelehrten der Tora, egal, ob sie alt oder jung seien. Die gängige Halacha folgt, wie oben erwähnt, der zweiten Interpretation.

Dieser Tora-Vers hält uns zum Respekt gegenüber den Trägern der Tora, also Tora-Gelerten an. Der Verstoß gegen dieses Gebot führte, wie oben erwähnt, zum Tod der Schüler von Rabbi Akiwa.

In unserer Generation wollen viele mit allem “auf du” und Kumpel sein. Es ist einem schwer zuzugeben, dass jemand über ihm steht und man ihm besonderen Respekt schuldig ist – es läuft seinem Ego zuwider, was eine Masche des Jetzer HaRa (Trieb oder Drang zum Bösen) ist.

Wir müssen uns angewöhnen, den Trägern der Tora mit Respekt zu begegnen. Von meinem Lehrer, dem Gründer und Rektor der Jeschiwa Tifrach, habe ich folgende wichtige Gedanken zu diesem Thema gehört: Die Respekt vor der Tora fängt nicht bei den Größen der Generation an, also bei herausragenden Tora-Gelehrten wie z.B. Raw Schach oder Raw Steinmann. Sie fängt beim kleinen Jungen an, der da sitzt und den Chumasch oder die Mischna studiert. Es wird gesagt, dass die Welt ganz besonders für diesen kleinen Jungen, der Tora lernt, erschaffen wurde. Das Ganze gilt natürlich auch, in einem noch höheren Maße, für den Jugendlichen oder jungen Erwachsenen, der jetzt in die Jeschiwa geht. So nähern wir uns langsam auch den Größen der Generation, den herausragenden Tora-Gelehrten. Man muss jedem Träger der Tora mit Respekt begegnen, sei er klein oder groß und die Trauer um die Schüler von Rabbi Akiwa erinnert uns daran.

Ein wichtiger Aspekt des Respektes gegenüber der Tora ist, dass eine solche Einstellung gegenüber dem G-tteswort uns über unseren wahren Platz in der Welt klar macht.

Im Traktat Megillah wird der Respekt gegenüber der Tora als “dawar chamur” bezeichnet, als eine “ernste Sache”, was nicht mal über das Tora-Lernen gesagt wird.

Rabbeinu Jona erwähnt in seinem Buch “Scha’arej T’schuwa” (dritter Kapitel) eine schwere Strafe für den Verstoß gegen eine Reihe von Geboten. Eines dieser Gebote ist, wie oben erwähnt, der Respekt vor dem G-tteswort. Eines der Gründe für eine solch schwere Strafe stellt die Stellung der Tora im jüdischen Volk dar. Wenn die Leute sehen, wie der Tora Respekt entgegengebracht wird, treibt es sie an, die Tora selber zu studieren und sie ihren Kindern weiterzugeben. Begegnet man aber Gelehrten der Tora nicht nur nicht mit Respekt, sondern, G-tt behüte, mit Verachtung, so wird man auch die Tora nicht lernen wollen und sie fängt an, im jüdischen Volke in Vergessenheit zu geraten. Dies ist eine schreckliche Katastrophe.

Unser großer Lehrer Raw Naftali Zwi Berlin, der Neziv, hatte einige äußerst wichtige Bemerkungen zum Thema Respekt vor Tora-Gelehrten gemacht (siehe Vajikra 19:32). Es wird im Traktat Bawa Kama gesagt, dass man sich im Falle von schweren Krankheiten an einen Tora-Gelehrten wenden solle. Was ist der Grund dafür? Weil dem Gebet eines Tora-Gelehrten eine ganz besondere Kraft innewohnt. Im Traktat Ta’anit wird gesagt, dass bei Dürren zuerst wenige anfingen zu beten. Wer aber sind diese “wenigen”? Es sind die Gelehrten der Tora. Daraus können wird erkennen, dass die Gebete eines Tora-Gelehrten auf eine ganz besondere Art und Weise angenommen werden.

Der Neziv ergänzt außerdem noch, dass der oben erwähnte Tora-Vers eine “etza le-parnassa”, also ein Ratschlag, wie man sein materielles Wohlergehen bestreiten kann, sei.

Was ist damit gemeint? Das Thema ist, wie oben erwähnt, die Kraft des Gebetes. Außerdem wird gesagt, dass die Geringschätzung von Tora-Gelehrten Hungersnöte nach sich zieht. Die Achtung von Tora-Gelehrten hingegen lässt den g-ttlichen Segen auf das Land hinabsteigen. Es ist wohlbekannt, dass die g-ttliche Barmherzigkeit fünfhundert mal so groß ist wie die g-ttliche Strenge. Wenn also jemand gesündigt hat und dafür eine bestimmte Strafe verdient hätte, er dann aber diese Sünde durch Tschuwa (Rückkehr zu G-tt) wieder ausgleicht, dann wird die Güte und der Segen, der ihm dann zuteil wird, fünfhundert mal so groß sein wie die zu erwartende Strafe. Neziv schreibt darüber im Zusammenhang mit dem Respekt gegenüber Tora-Gelehrten, um zu unterstreichen, wie groß der Segen für die Erfüllung dieses Gebotes sein würde.

In Ramchals Buch “Dereh HaSchem” wird die Tora als das höchste Wirken G-ttes bezeichnet; als etwas, dass Ihm am allernächsten kommt. Und wenn wir der Offenbarung der Tora von neuem würdig sein wollen, müssen wird die Tage des Omerzählens als Tage der Buße begreifen und unsere Einstellung zu ihr verbessern. Schawuot wird “sman mata Toratejnu”, “Zeit der Offenbarung unserer Tora” genannt. Die Tora wird nur denen gegeben, die sie wahrhaftig zu schätzen wissen.

Übersetzt von B. Baran

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