Über den Monat Adar Bet (den zweiten Adar) steht folgendes geschrieben: „Wenn der Adar anfängt, muss man mehr Freude machen“ (es gibt Zweifel bezüglich des ersten Adar, da es nur ein Schaltmonat ist). Ich führe hier daher einige Sprüche über die Bedeutung der Freude auf, die zum einen glücklich machen und zum anderen helfen können, Freude in sich zu erarbeiten. Um diese kleinen Abschnitte zu verstehen und zu spüren, lohnt es sich, sie im Laufe des Monats einzeln zu lesen.
Rabbi Meshulem Susha von Anipoli (von dem bekannt ist, dass er in bitterer Armut lebte, aber dennoch sagte,
dass er in seinem Leben nie Schwierigkeiten erfuhr) sagte, dass man dem Heiligen, gepriesen sei Er, mit Weinen, und mit Freude dienen kann. Der Hinweis auf den Unterschied zwischen diesen beiden Arten des Dienstes findet sich in Teilim (126:5-6): „Wer mit Tränen sät, wird mit Gesang ernten. Wer sein Samen-Mass trägt, geht und weint, wer seine Garben trägt, kommt mit einem Lied.“ „Diejenigen, die in Tränen säen“, sind diejenigen, die dem Allmächtigen mit Bitterkeit dienen. „Diejenigen, die mit Gesang ernten“, sind diejenigen, die mit Freude dienen. Der Unterschied zwischen den beiden besteht darin, dass diejenigen, die mit Weinen dienen („gehen und weinen“), nur das erhalten, was sie gesät haben („einen Sack mit Samen tragen“). Diejenigen, die mit Freude dienen („mit einem Lied kommen“), werden ein Vielfaches ihres Lohns erhalten („der seine Garben trägt“)![1]
Ich habe gehört, dass es zwei Arten gibt, dem Heiligen, gepriesen sei Er, zu dienen:
entweder nach der ersten Anweisung von Ramo in Schulchan Aruch Orach Chaim („Ich stelle den Herrn immer vor mich“, ein Dienst, der auf der Furcht vor G-tt beruht) oder nach der letzten Anweisung von Ramo im selben Buch („Und wer ein fröhliches Herz hat, hat immer ein Fest“, ein Dienst, der auf der Liebe zu G-tt und der Freude beruht). Gewiss, ohne Ehrfurcht vor G-tt kann es keinen wahren Dienst geben, noch kann es wahren Dienst ohne Liebe geben. Die Frage ist nur, worauf der Schwerpunkt gelegt werden soll.
Es heißt:
„Denn mit Freude werdet ihr hinausgehen…“ (Jeschajahu, 55:12) – durch Freude kann man aus allem Bösen „herauskommen“. Und weiter steht geschrieben: „…und mit Frieden (Schalom) werdet ihr geführt werden“, d.h. diejenigen, die G-tt in Freude dienen, werden die Grenze der Vollkommenheit (Schemut) erreichen.
„Dient dem Herrn mit Freude“ (Tehillim 100,2).
Dieser Vers kann auch als „dem Herrn mit Freude dienen“ verstanden werden (das hebräische Wort be-simcha kann beides bedeuten). Das heißt, die Freude an sich wird als Dienst an G-tt betrachtet!
Die Worte, die wir in „Aleinu Leschabeach“ sagen:
„Es ist uns aufgetragen worden… der uns nicht wie die Völker gemacht hat“ – sollten mit Freuden gesagt werden.
Freude ist der Schlüssel zum Wohlbefinden – sowohl in materiellen als auch in geistigen Dingen.
Wenn das Böse sieht, dass jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen ist … dreht er den Menschen durch Kummer um (im Namen von Rabbi Avraham von Slonim).
In jeder erwachsenen Persönlichkeit steckt auch eine Kinderpersönlichkeit, von der man viel lernen kann:
Ein Kind ist glücklich, auch wenn es aus irgendeinem Grund kurz vorher geweint hat.
Wer sich umschaut, wird scheinbar anständige Menschen finden, deren Gedanken unrein sind oder die ständig (sogar am Schabbat) nur an Geld, Macht und sozialen Status denken.
Wenn er solche Menschen sieht, soll er sich aufrichtig über sein Schicksal freuen (in seinem Herzen trauere er aber um solche Menschen).
Wenn wir doch nur wie der Weinschenk und der Bäcker des Pharao in ihrer Freude wären!
Denn wenn man heute einen fröhlichen Menschen sieht, fragt man sich: Ist etwas besonderes passiert? Und diese Adligen, die im Gefängnis waren, verfielen nicht in schwere Depression, sondern waren das ganze Jahr über guter Dinge, und als sie eines Tages traurig waren, fragte Jossef sie: „Warum seht ihr heute traurig aus?
„Und es soll geschehen: wo zu ihnen gesagt wurde: ’nicht mein Volk‘, soll zu ihnen gesagt werden: ‚Söhne des lebendigen Gottes'“ (Hoschea, 2:1).
Die Erklärung ist folgende: Anstatt zu denken, dass sie nicht Mein Volk sind, ist es besser, dass sie im Glauben und in der Freude gestärkt werden, auf den rechten Weg zurückkehren und zu sich selbst sagen: „die Söhne des lebendigen G-ttes“.
Es gibt zehn Namen der Freude in der heiligen Sprache.
Sie sollen den Juden helfen, die zehn Völker zu bezwingen, von denen der Heilige, gepriesen sei Er, zu unserem Vorvater Abraham sprach.
Rav Jitzchak Silber, gepriesen sei das Andenken des heiligen Gerechten, erzählte mir,
dass er einen Juden kannte – einen einfachen Mann -, der sich sehr bemühte, seine Mitmenschen zur Beschneidung zu überreden. Als dieser Jude mit seinem Vorhaben Erfolg hatte, glühte sein Gesicht buchstäblich vierzehn Tage lang davon.
Er erzählte mir, dass er einen sehr G-ttesfürchtigen Juden kannte, der einen sehr klugen Sohn hatte.
Dieser Sohn wurde krank und verließ diese Welt einige Tage vor Simchat Tora. Normalerweise war es der Vater des Verstorbenen, der alle Akathot (traditionelle Tänze mit Torarollen) organisierte. Die Leute dachten, dass es dieses Mal anders sein würde, aber zu ihrer Überraschung freute er sich und tanzte und sang Lieder zum Lob der Tora. Dieser Mann sagte ihnen, dass, so wie das Gebot „Und quält eure Seelen“ (am Jom Kippur) unter allen Umständen erfüllt werden sollte, so sollte auch das Gebot „Und ihr sollt euch an eurem Fest erfreuen“ unabhängig von den Umständen erfüllt werden (Rabbi Silber erzählte mir diese Geschichte mit Tränen in den Augen)![2]
Mein Lehrer, Rabbi Gedaliah Eisman, gesegnet sei das Andenken des Gerechten, sagte,
dass er immer eine Stelle aus „Mesilat Jesharim“ (Kapitel 19) zitiert, die besagt, dass König David, als er G-tt bat: „Bewahre dies für immer“ (Divrei Ha-Jamim I, 29:18), in erster Linie nicht die Spenden meinte, die an dieser Stelle erwähnt werden, sondern sie mit der größten Freude zu begleiten.
Und zwei Tage nach meiner irusin (Verlobungsfeier) erzählte uns mein Lehrer von seinen Forschungen darüber, warum es so wichtig ist, die Braut und den Bräutigam aufzuheitern.
Die Mischna im Traktat Avot spricht von zehn Wundern, die sich im Tempel ereigneten. Eines davon war, dass sich keine einzige Person darüber beschwerte, dass es in Jerusalem nicht genug Platz gab. Wie konnte das möglich sein? Schließlich kamen alle zum Fest – auch die wütendsten und ungeduldigsten Menschen. Warum hat sich keiner von ihnen beschwert, da manche Leute keinen echten Grund brauchen, um sich trotzdem zu beschweren? Zu sagen, dass G-tt diesen Menschen den Freien Willen genommen hat, ist nicht möglich – schließlich ist es das Wesen des Menschen, dass er die Freiheit der Wahl hat, und wenn dem so ist, wie ist es dann möglich, ihm diese Eigenschaft zu entziehen?
Die Antwort findet sich in dem Vers, der Jerusalem „die Freude der ganzen Welt“ nennt, also dass Jerusalem eine Stadt der Freude war. In den Kommentaren der Weisen zur Heiligen Schrift (Ende von Schemot Raba; Midrasch Eicha, 2:15) steht sogar geschrieben, dass eine Person, die sich während eines der drei Feste in Jerusalem aufhielt und sich wegen ihres Borterwerbs Sorgen machte, verpflichtet war, aus Jerusalem hinauszulaufen, einen Ort zum Nachdenken zu finden, sich zu beruhigen und dann nach Jerusalem zurückzukehren.
Alle unsere Reaktionen auf Ereignisse werden weitgehend von unserer momentanen Laune bestimmt. Wer im Lotto gewonnen hat, merkt kaum, wenn ihm unmittelbar danach jemand auf den Fuß tritt. Eine Person, die „mit dem falschen Fuß zuerst aufgestanden ist“, könnte dagegen ziemlich heftig reagieren, wenn sie jemand leicht mit der Schulter anrempelt. Da Jerusalem eine Stadt der Freude war, war es nur natürlich, dass es allen Anwesenden leicht fiel, sich nicht über die Überfüllung der Stadt zu beschweren.
Es ist also klar, warum man sich soviel Mühe gibt, das Brautpaar aufzuheitern.
Dies soll den frisch Vermählten zu Beginn ihres Ehelebens einen Schub an Freude geben. Sie ist nämlich der Schlüssel zur Lösung von Problemen wie z.B. des gegenseitigen Annörgelns und anderer Missstände in der Familie. Wenn die Ehegatten fröhlich sind, können sie Schwierigkeiten und Meinungsverschiedenheiten leicht überwinden. Wenn es keine Freude gibt, wird eine unbedeutendste Kleinigkeit wie eine Katastrophe erscheinen und ihr Eheleben negativ beeinflussen.
Als ich 20 Jahre alt war, erhielt ich einen Brief von dem großen Weisen Rabbi Joel Kluft, gesegnet sei sein Andenken:
„…Unterhaltung, die den Kopf erfrischen soll, wird nicht als müßiger Zeitvertreib betrachtet, denn sie ist notwendig für die Gesundheit von Körper, Seele und Geist… und die Hauptsache ist, dass man immer, mit allen Mitteln, versucht, in Freude zu sein. Und, wie Rabbi Chaim Vital sagte, kein Gebot kann das tun, was die Freude tut, und keine Sünde wird so viel Schaden anrichten wie die Trübsal…“.
„Das Äußere weckt das Innere, und wenn ein Mensch sich bemüht, das, was er tut, mit Leichtigkeit und Eile zu tun, wird es in ihm Begeisterung und Freude hervorrufen“ („Mesilat Jesharim“, Ende des siebten Kapitels).
Nachdem sie das geteilte Meer überquert hatten, waren die Juden glücklich und rezitierten das berühmte „Lied vom Meer“ (Schirat hajam) – obwohl nur einen Monat zuvor mindestens achtzig Prozent des jüdischen Volkes umgekommen waren. Der heilige Rabbi Aaron von Bels kam während des Zweiten Weltkriegs in das Land Israel. Obwohl die Schoa ihm den größten Teil seiner Familie geraubt hatte, war sein Gesicht voller Freude (Rabbi Mosche Schapiro, ein großer Gelehrter jener Tage, gehörte zu denen, die ihn trafen; er erzählte, dass Rabbi Aaron, der die Schrecken der Nazilager überlebt hatte, erschöpft und abgemagert aussah und nicht mehr als 40 Kilo wog). Rav Aharon wurde gefragt: Wie ist das möglich? Er antwortete, er habe es aus dem Lied vom Meer gelernt.
„Und so soll es sein: Wenn ihr geht, sollt ihr nicht mit leeren Händen gehen“ (Schemot 3:21).
In der Heiligen Schrift deutet die Formulierung „und es wird sein“ auf freudige Ereignisse hin. Das heißt, dass Sie vor Freude nie mit leeren Händen dastehen werden!
Im Buch Esra (2:65) heißt es, dass die Juden, als sie in das Land Israel zogen, mit „Sängern“ unterwegs waren.
Kommentatoren erklären, dass die Juden das Land Israel mit Freude betreten wollten. Und bei der Grundsteinlegung für den Zweiten Tempel setzten die Juden die Leviten mit Trompeten ein, um dies in einer freudigen Stimmung zu tun.
- [Anmerkung des Autors. Damit ist das Weinen aus Furcht vor dem Schöpfer gemeint, das zum Dienen anspornt, aber keineswegs Tränen der Verzweiflung und Depression. Da die Grenze zwischen diesen Zuständen nicht leicht auszumachen ist, sollte der Dienst mit Freude vorgezogen werden]. ↑
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[Anmerkung von Rav Yigal Polischuk. Nach dem Gesetz darf sich eine trauernde Person an Simchat Tora nicht wie üblich vergnügen. Wenn jedoch die Freude und Heiterkeit der ganzen Gemeinde von ihm abhängen, ist es ihm erlaubt, fröhlich zu sein]. ↑