Chanuka und das jüdische Haus

Datum: | Autor: Rav Igal Polischuck | Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag
chanuka

Nach den Schiurim von Raw Jigal Polischuk

Die jüdischen Feiertage sind nicht nur dazu da, sich an vergangene Ereignisse zu erinnern.

An diesen Tagen spüren wir die spirituelle Energie der damaligen Ereignisse. Jeder Feiertag hat eine spirituelle Quelle. Jahr für Jahr erlebt unser Volk das eine oder andere Ereignis unserer Geschichte wieder. Was charakterisiert die Energie von Chanuka? Trotz des großen Sieges im Krieg geht es hier in erster Linie um das Wunder mit den Lichtern der Menora.

Auf den ersten Blick ist es gar kein neues Wunder. In Gemara Schabbat steht geschrieben, dass dieses Wunder in guten Zeiten täglich geschah. „Der östliche Leuchter“ erinnerte das Volk an die Präsenz der Schechina. Alle Leuchter wurden mit derselben Menge an Öl gefüllt, jedoch leuchtete nur der östliche Leuchter nicht nur nachts, sondern auch tagsüber. Von ihm nahm man am folgenden Abend das Licht, um die anderen Lichter anzuzünden. Das Wunder war so gut wie konstant. Es verschwand nur wegen der Sünden des jüdischen Volkes mit dem Verschwinden der g-ttlichen Präsenz. In guten Zeiten hingegen war es konstant. Das Wunder von Chanuka ist quasi die Offenbarung dieses konstanten Wunders.

Ramchal schreibt, dass die höchste spirituelle Welt in verschiedenen Abstufungen auf unsere materielle Welt Einfluss nehme. Die höchste Einflussstufe zeige sich darin, dass in unserer Welt spirituelle Ereignisse stattfänden. Das seien Wunder. Die Präsenz der Schechina in unserem Volk sei eine Offenbarung der höchsten spirituellen Welt, womit auch Wunder einher gehen.

Eine bekannte Mischna aus dem Traktat Avot behandelt die zehn Wunder im Tempel.

Am Ende des Traktat Joma geht es auch um andere Wunder des Tempels. Der Tempel war ein Ort, an dem die Schechina präsent war. Dort trafen die physische und spirituelle Welt aufeinander. Darüber hinaus schreibt der Gaon von Vilna, dass das Wunder von Chanuka nicht so verwunderlich sei: es fand in Eretz Jisrael statt, als der Tempel stand. Das Wunder von Purim im Gegenteil, dass in der Diaspora stattfand, sei ein echtes großes Wunder.

Heute haben wir weder den Tempel noch die Menora.

Wir haben nur Überreste der Ereignisse von damals, die sogenannte „Schechina im Exil“, “Schechina begaluta”. Dies an sich ist schon ein großes Geschenk. Die Orte, an denen die Schechina präsent ist, sind Orte des Tora-Studiums. Sogar dort, wo nur einer sitzt und Tora lernt, ist die Schechina präsent. Daraus folgt, dass Tora lernen an Chanuka einen besonderen Status trägt.

Rav Naftali Zwi Yehuda Berlin aus Wolozhin (Netziv) fragt, warum es im Tempel zwei Objekte gab, die mit dem Torastudium verbunden waren. Er bezieht sich auf den Aron Hakodesch, den Toraschrein, in dem der die Torarolle aufbewahrt wurde und, außerhalb des Allerheiligsten, auf die Menora. Netziv erklärt, dass die schriftliche Tora im Allerheiligsten aufbewahrt wurde und dass die mündliche Tora von der Menora symbolisiert wurde.

Laut Ramban (Wochenabschnitt Behaalotcha) war das Anzünden der Menora ein Trost für Aaron, der keinen Anteil an den Opfergaben der Stammesfürsten hatte.

Ramban erklärt, dass er damit nicht nur das Anzünden der Menora im Tempel meint, sondern auch die Ereignisse von Chanuka. Man könnte denken, es handle sich nur um das Anzünden der Menora. Dann bleibe aber trotzdem ungeklärt, warum dies wichtiger als die Opfergaben im Tempel sei. Heutzutage haben die Kohanim keine besondere Rolle beim Zünden der Chanukkia. Man könnte es wie folgt erläutern: das selbstlose Torastudium der Kohanim führte zum Verdienst, dass sie den Tempel wiedereinweihen, die Menora wieder anzünden und das Ölwunder erleben durften, das acht Tage lang andauerte. Die Menora als Symbol für die mündliche Tora war der Grund für ihre Blütezeit zu Zeiten des Zweiten Tempels. Die Offenbarung der Mündlichen Tora fand genau in der Zeit des zweiten Tempels statt, obwohl wir sie natürlich schon am Berg Sinai bekommen haben.

Bedeutet es, dass man an Chanuka noch mehr Tora lernen sollte? Normalerweise lernt man an Chanuka doch eher weniger…

Ich stellte Raw Itzchak Darzi, einem nahen Schüler von Rav Eliaschiw, diese Frage. Er sagte, dass er schon oft Rav Eliaschiw und Rav Schlomo Salman Auerbach fragte: Warum kann die Frau nicht die Chanukkia zünden, während der Mann im Kolel lernt? Dennoch haben wir nicht den Brauch so zu handeln. Familienväter unterbrechen Lernen und Arbeit und eilen nach Hause, um die Chanukakerzen zu zünden. Warum ist dies so? Rav Darzi zitierte mir die folgende Antwort von Rav Eliaschiw:  Rambam sagt über Chanuka, dass Kerzenzünden «ein Lieblingsgebot» ist. Durch sie kommen wir der Tora näher. Der Tora näher zu kommen, ist wichtiger, als sie zu lernen. Und will man das Gebot lieben, so kann man es nicht durch einen Schaliach erledigen lassen.

Es steht geschrieben, dass wer zum Kerzenzünden eilt (Schabbat- und Chanukakerzen), es verdient, dass er und seine Kinder Toragelehrte werden.

Natürlich gehört auch dazu, selbst Tora zu lernen. Aber es gibt hier ein Problem: Tausende Juden erfüllen es, doch werden sie nicht zu Toragelehrten. In Traktat Schabbat (226) steht über Chanukakerzen geschrieben: «Eine Kerze pro Person und pro Haus». Haus steht hier im Sinne von Haushalt mit Familie und auch im Sinne von Ort, wo Kerzen gezündet werden. Es ist wichtig, dass wir nicht vergessen, dass die Schechina neben dem Tempel und Orten des Torastudiums auch einem anderen Ort für das jüdische Volk präsent ist: im jüdischen Zuhause. Der erste Ort der Schechina in der Tora war das Zelt unserer Mutter Sara. Dort wird es als Wolke über ihrem Zelt beschrieben. Mann und Frau können es verdienen, dass die Schechina in ihrem Haus präsent ist.

Einmal wurde Rav Mosche Feinstein die folgende Frage gestellt: Wenn man sagt, dass Mann und Frau die Präsenz der Schechina in ihrem Haus verdienen können, geht es hier nur um Gerechte und Gelehrte wie Chafetz Chaim? Können einfache Menschen es etwa nicht erreichen? Rav Feinstein war mit der Frage sehr unzufrieden: «Jagt nicht die Schechina aus jüdischen Häusern!» Jeder Jude, nicht notwendigerweise ein Toragelehrte, kann den Verdienst bekommen die Schechina im Haus präsent zu haben.

Es steht geschrieben, dass wer keine Frau habe, auch keine Tora habe.

Das klingt komisch. Haben die die Jeschiwaschüler etwa keine Tora? Es wäre toll, würden alle so lernen wie sie. Warum haben sie dann «keine Tora»? Es gibt ein gewisses Level an Toraverständnis, dass ein Mann nur mit einer Frau erreichen kann. Die Frau wird mit Bina (Verständnis) und der Mann mit Daat (Wissen) assoziiert. In Pirkei Avot steht, dass ohne Bina auch kein Daat existiert. Gibt es kein Verständnis, so gibt es auch kein Wissen. Diese zwei Aspekte der Intelligenz werden erst vereinigt, wenn eine jüdische Familie entsteht.

Kehren wir zurück zum Zitat aus dem Traktat Schabbat: «Eine Kerzen pro Person und pro Haus».  Um das Gebot von Kerzenzünden vollständig zu erfüllen, braucht man eine Einheit in der Familie, ein starkes, jüdisches Zuhause. Und daher steht Chanuka für Freude im Haus. Das Licht von Chanuka ist das Licht des jüdischen Zuhauses, das Licht der jüdischen Familieneinheit. Dieses Licht ist der Grund für die Präsenz der Schechina in unseren Häusern. Für ein vollständiges Toraverständnis müssen unsere Häuser ein Ort der Schechina werden. Keine Einheit in der Familie bedeutet keine Freude im Haus und kein vollständiges Verständnis der Tora.

Nur wo die Familie total vereint ist, kann das Gebot des Kerzenzünden an Chanuka vollständig erfüllt werden. Dies erklärt die Antwort von Rav Eliaschiw auf die Frage, warum man an Chanuka weniger lernt, wobei man denken könnte, man müsse mehr lernen.

Eines der Verbote, das die Griechen dem jüdischen Volk auferlegt hatten, war das Verbot den Monat zu heiligen, “Kiddusch Hachodesch”.

In einem bekannten Kommentar von Raschi, sagt er, dass die Tora genau mit diesem Gebot anfangen sollte. Im Talmud steht geschrieben, dass die Heiligung des Monats den physischen Zustand des Menschen beeinflusst. Nicht nur die Naturgesetze beeinflussen den Menschen, sondern auch, wie der Sanhedrin in Jerusalem den Monat heiligt. Die Tatsache, dass die Juden die Fähigkeit haben, auf die Natur der Welt Einfluss zu nehmen, störte die Griechen ungemein. Das widersprach ihrer Weltanschauung. Das war das erste, was sie bekämpften.

Es gab noch ein anderes Detail im Kampf der griechischen Kultur mit der Tora, dem selten Aufmerksamkeit geschenkt wird. Es ist bekannt, dass die Griechen die Töchter Israels vergewaltigten, das sogenannte «Recht der ersten Nacht» ausübten. Hier sieht man den bösartigen Plan der Griechen noch viel mehr als im Verbot des neuen Monats. Die Verbindung von Mann und Frau zu stören, bedeutet den Grund für die Präsenz der Schechina im jüdischen Volk auszulöschen. Des Weiteren verbaten die Griechen Mann und Frau allein zu sein. Die Häuser mussten offen sein. Wurde ein Haus versperrt, so waren die Bewohner vom Tode bedroht! Dies war der Plan der Griechen – alles, was die Juden untereinander und mit dem Erschaffer verband, zu zerstören.

Gerade deshalb haben wir neben Torastudium auch eine weitere wichtige Verpflichtung: mit der Familie zusammen zu sein. Die Mehrheit von uns wuchs nicht in Häusern von Gerechten und Gelehrten auf. Viele wuchsen in unvollständigen Familien auf. Woher sollen wir dann wissen, was eine jüdische Familie ist? Das lernt man auch nicht in der Jeschiwa. Braut und Bräutigam werden damit gesegnet, ein binjan adei ad – einen ewigen Bau – zu bauen. Nun wie baut man ihn?

Rav Pinkus bringt ein Beispiel dafür, was an Chanuka geschah. Stellen Sie sich eine Gruppe von Jeschiwaschülern vor, die Messer aus dem Esszimmer nehmen und in den Krieg ziehen. Nichtsdestotrotz waren die Chaschmonaim nicht verrückt! Ihre Taten sind auch nicht verrückt!

An Chanuka sagen wir ein Gebet über Starke (giborim) und Schwache (chalaschim).

Spricht man über physische Stärke, dann waren die Griechen die Starken und die Paar Juden, die gegen sie in den Krieg zogen, die Schwachen. Spricht man über die spirituelle Stärke, dann wechseln die Rollen.

Dies bezieht sich auch auf die Frage, wie man eine jüdische Familie baut. Lasst uns daran erinnern, wie viele Hürden und Schwierigkeiten jeder von uns auf dem Weg zur Tora hat. Wie viel Überwindung kostet uns die Teschuwa! Aber in jedem von uns ist noch „ein Tropfen reinen Olivenöls“ übrig! Aus diesem Tropfen, nicht durch unsere Verdienste, sondern mit g-ttlicher Hilfe, zündeten wir eine Flamme von Tora und Emuna! Der Kampf ist eine der Offenbarungen unserer Lebenskraft. Deshalb danken wir dem Erschaffer al hamilchamot „für die Kriege“. Krieg bedeutet nicht nur den Gegner physisch zu bekämpfen. Das ist auch der konstante Kampf mit dem schlechten Willen in uns, mit dem Schlechten, das uns in der Welt umgibt. In unserem Inneren verstehen wir, dass der Allmächtige uns hilft, trotz allem. Einerseits haben wir viele Probleme. Nach allem, was wir erlebt haben, ist es schwer, eine Familie basierend auf den Werten der Tora zu bauen. Lasst uns ein Beispiel von den Chaschmonaim nehmen, trotz aller Schwierigkeiten „in den Krieg ziehen“ und uns auf die große Hilfe des Erschaffers verlassen. Der Allmächtige gibt uns die Kraft, gegen den Strom zu schwimmen und den schlechten Willen zu besiegen. Der Allmächtige machte bereits so viele Wunder für uns auf dem Weg der Teschuwa. Daraus lernen wir, dass wenn wir viel an uns arbeiten, uns auch beim Aufbau des jüdischen Zuhauses viel g-ttliche Unterstützung erwartet! Lass uns den Verdienst haben, dass unsere Häuser sich mit Freude und Licht der Tora erfüllen und unsere Kinder den Willen haben, auf dem Wege des Dienstes dem Erschaffer zu leben! Eine fröhliches und helles Chanuka!

Vorbereitet von Rav Arye Katz

Übersetzt von Orli Krief

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