Spät abends ging eine Gruppe von Bachurim von der Jeschiwe zu ihrer Unterkunft.
Draußen herrschte tiefe Dunkelheit, man konnte kaum etwas sehen.
Plötzlich hörten die Bachurim hinter sich jemanden rennen. Da sie nicht wussten, wer ihnen nachrannte, begannen sie aus Angst, auch zu rennen. Je schneller sie rannten, desto schneller rannten auch ihre Verfolger.
Die Bachurim rannten, bis sie endlich ihre Unterkunft erreichten und verschlossen gleich hinter sich die Türe. Doch schon bald klopfte es heftig am Eingang. Die Bachurim fürchteten sich, mussten jedoch nach einem Blick durch einen Spalt feststellen, dass es sich um Polizisten handelte. Sie hatten also keine Wahl und mussten die Türe öffnen.
Die Polizisten erklärten ihnen, dass den Bachurim ein Wunder geschehen sei, denn als die Polizisten sie auf der Strasse gehen sahen, dachten sie, dass sie eine Gruppe von Einbrechern sind. «Ihr habt auf unsere Aufforderung, stehenzubleiben, nicht reagiert und seid sogar noch davongerannt. Wir hätten fast auf euch geschossen», sagte einer der Polizisten.
Dann wollten sie die Identitätskarten der Bachurim sehen.
Alle außer einem konnten ihre Ausweise vorzeigen. Der Eine jedoch wohnte in einer anderen Unterkunft und erklärte den Polizisten, dass er seinen Ausweis in seiner Unterkunft habe. Die Polizisten begnügten sich nicht damit und verlangten, dass er den Ausweis zeigen müsse.
Dafür wollten sie ihn zu seiner Unterkunft begleiten, damit auch er seine Identität nachweisen könne. Es blieb dem Bochur keine andere Wahl, als in Begleitung der Polizisten dorthin zu gehen und ihnen seinen Ausweis zu zeigen.
Damit war die Geschichte aber noch nicht fertig.
Am nächsten Morgen wurde diese nächtliche Begebenheit dem Maschgiach, Reb Jerucham Lewowitz, bekannt, der sofort, am selben Tag, einen «Schmus» ankündigte.
Mit scharfen Worten begann der Maschgiach: «Ich will euch den Emes sagen», sagte er, «wegen dem gestrigen Vorfall meine ich, dass wir die Jeschiwe schließen müssen. Ich habe bereits mit den Rosche Jeschiwe darüber gesprochen.»
Die Bachurim verstanden zunächst nicht, worauf Reb Jerucham hinaus wollte. Was war an der Begegnung mit den Polizisten so außergewöhnlich? Sie schauten einander fragend an und meinten, dass der Maschgiach nur aufgeregt war, weil der eine Bochur seinen Ausweis nicht bei sich trug. Das konnte aber nicht sein, da keiner der Bachurim seinen Ausweis bei sich hatte.
Da fuhr der Maschgiach fort:
«Wie kann es sein,» schrie er, «dass die Bachurim einen Freund allein mit den Polizisten gehen ließen, dass ihn niemand begleitete?! Nicht genug der Gefahr, einen jüdischen Bochur mit Polizisten (in der damaligen unsicheren Zeit) allein gehen zu lassen. aber dass keinem einfiel und keiner nachfühlte, welche unglaubliche Angst der Bochur doch sicher hatte, als er allein mit den Polizisten in der dunklen Nacht gehen musste.»
«Wie kann man einem Bochur nur so etwas antun?» rief Reb Jerucham. «Die ganze Toiro, das ganze Lernen ist doch absolut nichts wert, wenn keine Midois toiwois (Guten Eigenschaften) vorhanden sind!»
Halewaj (möge es so sein, dass) wir verstehen die Gefühle unserer Mitmenschen so gut, dass die Trauer der Drei Wochen nicht mehr nötig sein wird.
Mit freundlicher Erlaubnis des DJZ Verlags