Geschichte von Rav Scholom Schwadron
Mit freundlicher Genehmigung der Jüdischen Zeitung Zürich
Ein Jehudi verirrt sich nie!
Reb Mordechai Pogromanski, das Andenken des Gerechten zum Segen, befand sich einst auf einer Zugreise, als ein anderer Jehudi in dasselbe Abteil eintrat und sich neben ihn setzte. Bei jenem Jehudi handelte es sich um einen Schochet, der gleichzeitig auch ein Mohel war. Zwischen den beiden entwickelte sich ein Gespräch, das sie nach kurzer Zeit in ein tiefgründiges Thema hineinzog. Sie vergaßen daraufhin ihre Umwelt und realisierten nicht, dass der Zug ihr Ziel schon lange hinter sich hatte.
Plötzlich schaute der Schochet aus dem Fenster und musste zu seinem Entsetzen feststellen, dass sie ihre Station verpasst hatten. Das Ganze geschah an einem Freitag und es gab an diesem Tag keine Bahn mehr, die sie zurückbringen würde. Er und Reb Mordechai mussten deshalb feststellen, dass ihnen keine andere Möglichkeit übrigblieb, als den Schabbat an einem fremden Ort zu verbringen. Der Schochet begann sich sofort zu sorgen, was sein würde, wo sie einen Platz zum Übernachten finden würden, etc.
Reb Mordechai beruhigte ihn jedoch und sagte ihm: „Es gibt bei uns eine grundlegende Regel: „Ein Jehudi verirrt sich nie!“ An jeden Ort an den er gelangt, wird er durch die direkte Führung von G-tt gebracht! Haschgacha Pratit (g-ttliche Vorsehung)!“
Bei der nächsten Station verließen die zwei Herren den Zug, obwohl der Ort ihnen vollkommen unbekannt war.
Es wurde ihnen aber bald gesagt, dass an dieser Ortschaft kein einziger Jehudi wohne. Der Schochet wurde etwas unruhig, jedoch schwieg er und verließ sich auf das Vertrauen von Reb Mordechai. Reb Mordechai gab nicht auf und forschte weiter. Und wirklich fand er bald heraus, dass doch ein einziger Jehudi in der Stadt wohnte. Man konnte ihm auch den Weg dorthin zeigen. Voller Freude begaben sie sich schnell dorthin und klopften an die Türe des jüdischen Hauses.
Als jener Jehudi die Tür öffnete und die zwei Jehudim erblickte, begann er gefühlsvoll zu weinen. Es schien, als ob er noch nie einen solchen Anblick hatte und wahrscheinlich meinte, es handle sich bei diesen Jehudim um Avraham Avinu und Elijahu Hanavi (Prophet Elijahu). Als der Jehudi sich ein wenig beruhigt hatte, führte er sie voller Freude in sein Haus und erzählte ihnen: „Vor einer Woche wurde mir ein Sohn geboren und heute ist der achte Tag. Ich stehe schon den ganzen Tag und bete, flehe und weine vor Haschem, dass Er mir doch bitte eine Person schicken möge, der meinen Sohn beschneiden kann. Es sieht so aus, als ob ihr vom Himmel geschickt wurdet, meiner Bitte nachzukommen!“
Wie gesagt war der Begleiter von Rav Mordechai Pogromanski auch ein Mohel und so beschnitt er das neugeborene Kind, während Reb Mordechai als Sandak amtierte.
Die Freude der Eltern kannte keine Grenzen und sie dankten den zwei ‚Boten des Himmels’ und segneten sie von ganzem Herzen. Selbstverständlich blieben sie den ganzen Schabbat bei ihnen.
Als sie nach Schabbat nach Hause fuhren, wandte sich Reb Mordechai an seinen Begleiter und erinnerte ihn nochmals an die Regel: „Du siehst also: Ein Jehudi verirrt sich nie!“
Aus der Jüdischen Zeitung (Schweiz)