Wochenabschnitt Schlach – Kleinmut und Tränen der Schwäche – Die Ursache all unserer Leiden

Datum: | Autor: Rav Chaim Grünfeld | Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag
Schwäche

„Und dies waren die Namen der Männer, die Mosche entsandte, um das Land auszukundschaften“ (13,16).

Chasal bemerken dazu Folgendes:

„Es wurde uns von unseren Vätern überliefert, dass die „Meraglim“ (Kundschafter) nach ihrem sündhaften Vorgehen benannt worden sind“. Doch uns blieb nur eine solche Namensdeutung erhalten geblieben: „Sessur ben Michael“Sessur hiess er, weil er dem Willen von Haschem widersprach und sich Ihm widersetzte (‘Sor’ bedeutet ‘abweichen’), und ben Michael, weil er kibejachol (sozusagen) – ‘Moch-El‘ – G’ttes Kraft schwächte, in dem er gegenüber Jisrael behauptete: „Die Einwohner des Landes sind so stark, nicht einmal der Besitzer – Haschem – kann seine Geräte von dort herausbringen!“[1]

So berichteten die Kundschafter: „Wir sind in das Land gekommen, in das du uns geschickt hast. Es fließt dort auch tatsächlich Milch und Honig und dies ist die Frucht“ – um dann fortzufahren – „aber das Volk, das in dem Land wohnt, ist zu stark. Amalek wohnt im Lande des Südens…. Es geht nicht, wir können nicht gegen dieses Volk hinaufziehen, es ist zu stark für uns!“

Und die Folge davon war (Bamidbar 14,1): „Das Volk weinte in dieser Nacht“, womit der nationale Trauertag des 9. Aw besiegelt wurde, wie Chasal bemerken, die Nacht, in der die größte aller Katastrophen über das jüdische Volk hereinbrechen sollte. Hkb“H sagte: „Ihr habt grundlos geweint, daher werde Ich euch in Zukunft an diesem Tag einen Grund zum Weinen geben“[2].

Chasal möchten uns damit lehren, dass dieselbe Sünde, die unsere Väter damals nicht in das gelobte Land ziehen ließ, sie auch in späteren Zeiten wieder aus dem Land vertrieb! Sie ist es auch, die uns noch heute in unserem jetzigen Galut (Exil) von dem uns versprochenen Land fernhält.

Wenn wir uns fragen, worin die schwere Sünde bestand, die der damaligen Generation den Tod in der Wüste brachte, so war es der unberechtigte, verzweifelte Kleinmut, zu dem sich das Volk durch die verleumderische Botschaft der Kundschafter hinreissen liess.

Ihr habt grundlos und aus nichtigem Anlass geweint!“ – Das ist die Sünde, die in allen Zeiten unser Glück ein Ende bereitet hat. Nicht weil wir in den Tagen des Glücks zu viel gelacht und zu wenig geweint haben, wurden wir vertrieben, sondern weil wir zu wenig gelacht und zuviel geweint, weil wir zu wenig „Bitachon“, zu wenig Vertrauen in die Bestimmung unseres Schicksals durch die G’ttliche Vorsehung besaßen, weil wir uns den Völkerriesen gegenüber ohnmächtig fühlten, weil wir die Quellen unserer Kraft und Stärke verkannten. Deshalb kam unsägliches Galut-Leid über uns, und diesem Umstand haben wir es zuzuschreiben, dass unsere Galut-Leiden noch immer kein Ende gefunden haben.

Tachat ascher lo awadeta et Haschem Elokecha beSimcha ubeTuv Lewaw meRov kol – weil du Deinem G’tt nicht gedient hast mit Freude und freudigem Herzen aus Überfluss an Allem“ (Dewarim 28,47). So lautet das die Zukunft voraussehende G’ttesurteil, das in der Träne des Kleinmuts und der Schwäche, die Ursache unseres historischen Jammers erblickte, weil sie in uns unjüdische Sorgen erweckten, und dadurch die jüdische Freude untergrub und die jüdische Selbstachtung vernichtete!

Eigentlich sollte doch nur eine einzige grosse Sorge zu allen Zeiten unser Herz kennen:

„Wenn nur Hkb“H Wohlgefallen an uns hat!“ Wenn wir alles getan haben, um dieser Sorge Rechnung zu tragen, sollte unser Herz im Bewusstsein, G’ttes Nähe und Schutz zu besitzen, mit starker Freude und stolzer Selbstachtung füllen.

Wir müssen uns aber fragen: Haben wir in den langen Jahren unseres Jammers endlich gelernt, uns zu dieser Freude und zu diesem Stolz zu erheben? Fliessen nicht vielmehr immer noch die Tränen des Kleinmuts und der geistigen Schwäche? Sind es nicht diese Tränen der Schwäche, die so viele hindern, der Wahrheit offen und ehrlich die Ehre zu geben und der Lüge den Rücken zu kehren?

Diese Tränen der ohnmächtigen Schwäche, die dem Klall Jisrael noch zu allen Zeiten Unheil gebracht hat, diese erbärmliche Selbsterniedrigung und der damit stets Hand in Hand gehende Zweifel an der Macht des G’ttlichen Willens, waren die Ursache aller Katastrophen, von denen die Geschichte unseres Volkes heimgesucht wurde.

Unsere Väter haben uns die Lehre überliefert, dass die „Meraglim“ nach ihren Verirrungen benannt sind, doch wir kennen nur die Deutung eines Namens: „Sessur ben Michael“. Chasal wollten die grosse Ermahnung, die aus dem Ereignis der Kundschafter für alle Zukunft zu uns spricht, in aller Kürze und Eindringlichkeit unserem Gedächtnis einprägen: „Sessur“ – er hat sich dem G’tteswillen widersetzt, „ben Michael“ – weil es ihm am nötigen G’ttesvertrauen fehlte! Er versuchte G’ttes Allmacht und Willen zu erniedrigen, Ihn Seiner Unfähigkeit chalia zu bezichtigen, anstatt sich seine eigene menschliche Schwäche und erbärmlichen Kleinmut einzugestehen![3]

  1. Sota 34b
  2. Ta’anit 29a
  3. Gemäss „Belehrungen und Mahnungen“ von Raw Schlomo Breuer sZl. (Frankfurt a.M.)

HINTERLASSEN SIE EINE ANTWORT