Judentum und Umweltschutz – Erhaltung von pflanzlichem und tierischem Leben

Datum: | Autor: Rav Aryeh Carmell | Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag
Erhaltung von pflanzlichem und tierischem Leben

ln diesem Artikel versucht Raw Aryeh Carmell SZL (naher Schüler von Raw Elijahu Elieser Dessler und Herausgeber von Raw Dessler’s Buch “Michtaw Me’elijahu”), halachische Richtlinien für die Lösung moderner Probleme zum Schutz der Umwelt aufzustellen. Er berücksichtigt auch die tieferen moralischen Fragen, die sich dabei ergeben, und skizziert die grundlegenden Änderungen in unserer Einstellung, die seiner Meinung nach nötig sind, um eine Welt ohne Verschmutzung herbeizuführen.

Fortsetzung:

2. Teil: Umweltverschmutzung (Ökologie)

Erhaltung von pflanzlichem und tierischem Leben

Hier haben wir wieder ein historisches „erstes Mal“; die schriftliche Tora enthält das erste niedergeschriebene Beispiel einer „ERHALTUNGS“- Gesetzgebung. Gegen das Ende von Paraschat Schoftim wendet sich die Tora an die Armee Jisraels, die eine feindliche Stadt für eine längere Zeit eingeschlossen hat und in Versuchung kommen könnte, aus Trotz oder (nach Rambam) als Kriegstaktik die Obstbäume um die Stadt herum zu zerstören. „Du sollst diese Bäume nicht umhauen“, sagt uns der Allmächtige. und als Beweggrund für diesen Befehl gibt er uns an, dass „Der Mensch der Baum des Lebens ist“, das bedeuten kann, dass das Leben des Menschen von den Bäumen der Landschaft abhängig ist, eine weitreichende Feststellung, deren volle Bedeutung bis heute noch kaum realisiert wurde. Erst vor kurzer Zeit haben wir begonnen zu verstehen, bis zu welchem Grad menschliches Leben wirklich von den Bäumen abhängt und welchen Nutzen das Klima, die Erde und die Umwelt im allgemeinen aus einer gut bewaldeten Landschaft ziehen. Die 2000 jährige Verödung von Erez Jisrael (vorhergesagt von der Tora in Wajikra 26,32) kam größtenteils, von der Natur aus gesehen, von der mutwilligen Zerstörung seiner Bäume durch die römischen Legionen. Interessanterweise erwähnt die Gemara, dass die Restauration der Bäume auf den Hügeln und Bergen von Jisrael das offensichtlichste Zeichen für die nahe Ankunft des Maschiach sein wird.

Wie bekannt ist (obwohl die Tora es nur ausdrücklich bei fruchttragenden Bäumen erwähnt), bezieht sich das Verbot von „Bal taschchit“ (Du sollst nicht zerstören) auf alle mutwilligen Zerstörungen von nützlichen oder wertvollen Dingen.

Es ist wichtig ‏zu wissen, dass diese Mizwa in erster Linie an eine Gruppe gerichtet ist, in diesem Fall: an die Armee. Die Erhaltung der natürlichen Umwelt muss in der Verantwortung der Gemeinschaft sein, und die momentanen Bedürfnisse des Einzelnen oder von Gruppen müssen den langfristigen Bedürfnissen der Menschheit als Ganzem unterworfen werden.

Wir werden zwei weitere Beispiele von Umweltschutzangelegenheiten unserer Rabbiner zitieren.

Das Feuer auf dem Tempel-Altar musste durch einen ständigen Vorrat an Holz erhalten werden. Die Mischna sagt uns, dass jederlei Holz für diesen Zweck benutzt werden durfte, außer dem der Weinrebe und des Olivenbaumes. Aufgrund einer Meinung in der Gemara war der Grund für diese Ausnahme, diese Bäume wegen ihrer Wichtigkeit für die Wirtschaft von Erez Jisrael zu erhalten.

Der Talmud beschreibt auch den Fall von jemand, dessen Olivenbäume (z.B.) durch einen hochgehenden Fluss weggeschwemmt wurden und nun auf dem Land eines anderen Wurzeln geschlagen hatten. Falls die Bäume in ihrer neuen Lage bleiben, könnte nach der Gemara der zweite Landbesitzer einen Teil der Ernte verlangen, nachdem die Fruchtbarkeit seines Landes zu dem Wachstum der Bäume beiträgt. Es würde in diesem Fall als normal erscheinen, wenn der ursprüngliche Besitzer sagen könnte: „ich werde die Bäume zurücknehmen und auf meinem eigenen Land wieder einpflanzen“. Dies kann er jedoch nicht tun: der Grund dafür ist, gemäß der Meinung von Rabbi Jochanan, dem großen Amora des dritten Jahrhunderts, wegen „der Wirtschaft von Erez Jisrael“. Nachdem die Bäume in ihrem neuen Platz schon blühen, wäre es gegen das öffentliche Interesse, sie wieder umzupflanzen. Es ist besser, dem Besitzer eine Entschädigung geben zu lassen: er kann dann neue Bäume pflanzen, und es werden dann in Erez Jisrael zwei Bäume anstatt nur einem wachsen. Kein Wunder, dass Rabbi Jirmija über diesen Entscheid ausrief: „es braucht einen großen Menschen, so etwas sagen zu können“. Die überragende Wichtigkeit gegenüber den Besitzerrechten des Einzelnen zu realisieren -‎ ‎dies ist Größe.

Natürliche Gesetze und Gesetze der Tora

Andere Beispiele der Sorge der Tora um den Schutz ihrer Natur sind das Verbot von Kilajim (Hybridenerzeugung der Pflanzen und Tiere) und Sirus (Kastration). Die Tora leitet die Gesetze von Kilajim in Paraschat Kedoschim mit der Aussage „und meine Verordnungen sollst Du halten“ ein. Dies wird in Sifra als „die Verordnung, die ich schon ehemals eingeführt habe“ erklärt. d.h. die Gesetze der Natur, die erfordern, dass die Beständigkeit der Gattungen nicht verfälscht werden darf. Die Tatsache, dass Wolle und Leinen in Kleidung vermischt, in diese Kategorie eingeschlossen wird (Schatnes), scheint die Meinung von Raw Hirsch zu zu unterstützen, dass dies eine symbolische Erweiterung dieser gleichen ldee sei – Respekt für die Grenzen, die G-tt in seiner Schöpfung in der natürlichen und moralischen Sphäre festgelegt hat.

Mehr als ein Tanna in Sanhedrin hält die obenerwähnten zwei Verbote (Hybridenerzeugung und Kastration) für Mitzwot, die für die ganze Menschheit Anwendung finden. Obwohl dies nicht die allgemein akzeptierte Halacha ist, unterstreicht es doch die universelle Bedeutung dieser Gesetzgebung.

Ferner ist, gemäß Rabbi Aaron Halevi von Barcelona, dem Autor von Sefer Hachinuch, das Verbot der Tora, die Vogelmutter mit den Eiern zu nehmen, auch mit dem Wunsch des Schöpfers, die in seiner Schöpfung existierenden Gattungen zu erhalten, verbunden.

Land-Erhaltung

Eine ungewöhnliche Vorschrift, die mit der Schmitta-Gesetzgebung verbunden ist, betont das Verantwortungsgefühl unserer Weisen für die Notwendigkeit, die Erde zu erhalten. Die Schemitta-Gesetzgebung ist ein Toragesetz, welches unter anderem das Pflügen des Landes Jisrael in jedem siebenten Jahr verbietet. Eine rabbinische Verordnung (deren Datum unklar ist, die aber sicher während der Periode von Hillel und Schamaj ca. 70 Jahre vor der Zerstörung des 2. Tempels in Kraft war) verfügte, dass Pflügen und andere landwirtschaftliche Arbeiten schon einige Monate vor dem Beginn des Schemitta-Jahres eingestellt werden sollten. Für pflügbares Land wurde das Datum von Pessach im sechsten Jahr angesetzt und für Obstgarten und Weinberge war es Schewuot im sechsten Jahr. Der Grund für dieses Vorverlegen ins vorangehende Jahr war, den Eindruck, dass das Land für das Besäen im siebenten Jahr vorbereitet werde, zu verhindern.

Wir finden jedoch, dass Rabbi Gamliel (Sohn von Rabbi Jehuda dem Fürsten) diese Verordnung wiederrief und Pflügen bis zum Neuen Jahr erlaubte. Die Gemara fragt, wieso er die Autorität hatte, dies zu tun, nachdem er und sein Gericht einen weniger hohen Status hatten, als das Gericht, das diese Verordnung zuerst verfügt hatte. Die Antwort ist, dass das Gericht, das die Entscheidung ursprünglich verkündete, dies mit dem Vorbehalt gemacht hatte, dass ein späteres Gericht die Autorität haben würde, den Entscheid zu widerrufen. Der Grund für diese ungewöhnliche Abweichung wird von Tosafot gegeben. Es war die Beunruhigung über die möglichen langfristigen Schäden die durch das Brachliegen des Bodens während 18 Monaten entstehen könnten. Eine der Funktionen des Pflügens ist es, während der Regenzeit das Durchdringen des Bodens mit Wasser zu fördern und dadurch das Austrocknen des Bodens zu verhindern. Es ist möglich. dass die Notwendigkeit, öfters zu pflügen, mit den langsamen Veränderungen des Wasserstandes zusammenhängt. Als die Vorverlegung des Pflugverbotes entschieden wurde, war möglicherweise der Wasserstand auf einem genügend hohen Niveau, und es wurden keine langfristigen Schäden befürchtet. Das Gesetz wurde jedoch „flexibel“ gelassen, da das Sanhedrin die Möglichkeit einer zukünftigen Senkung des Niveaus, wenn der Wasserhaushalt ein Problem würde, vorausgesehen hat.

Kulturelle Verunreinigung

Es ist ironisch, dass die wachsende Besorgnis in den letzten Jahren um die physische Verunreinigung begleitet wurde von einer beschleunigten Flut von moralischer und kultureller Verschmutzung unserer globalen Umgebung. Wir müssen keine Details erwähnen; wir wissen nur zu gut, wie die Presse, Literatur, das Kino und die Television sich alle verbinden, um unsere Umgebung mit Gewalt, Verbrechen und allerlei krankhaften Dingen zu überschwemmen. Das ständige Schildern von Gewalt, Tod und Zerstörung, wie auch das Beschreiben von allen Arten von schlechtem Verhalten und Genusssucht, sei es in Form von echter Reportage, Unterhaltung oder Literatur, ist eine heimtückische Form der Verunreinigung der Umgebung. Wir müssen alles, was die Tendenz hat, Empfindlichkeit zu verletzen, die moralische Umgebung zu erniedrigen und die innere Resistenz zu Schlechtem zu verringern, als verunreinigendes Material ersten Ranges betrachten.

Kommissionen erwägen, Konferenzen werden abgehalten, Forschungen werden unternommen von bekannten Psychologen, die uns alle versichern, dass diese Bilder keinen sichtbaren Einfluss auf Kinder oder Erwachsene haben. Wir Tora-Juden wissen es besser. Die Fragen der Psychologen erreichen nur die Oberfläche, das Bewusstsein. Die heimtückische Gefahr dieser Art von Verunreinigung ist, dass sie tief im Unbewusstsein liegt und von dort in indirekter Weise die Taten infiziert. Es ist das moralische Gegenstück zu einer Überbelastung mit DDT. Dr. Paul Ehrlich, einer der größten Ökologen unserer Zeit, hat diese Sorge in einem Artikel, den er 1972 in der Times veröffentlicht hat, ausgedrückt:

“Was sind die Einflüsse von Fernsehprogrammen der fünfziger und sechziger Jahre auf die Amerikaner und Engländer? Wir können dies nicht wissen, bis die Kinder, die in dieser Zeitperiode erzogen wurden, in den achtziger und neunziger Jahren Machtpositionen einnehmen werden… (Vergleichbar) die erste Generation von Menschen, die im Mutterleib den Einflüssen chlorhaltiger Pestizide ausgesetzt sind, kommen jetzt in das gebärfähige Alter (und die langfristigen Einflüsse sind gleichermaßen nicht voraussehbar)“.

Hier spricht ein echter Wissenschaftler, der weiss, was er nicht weiss.

Wir Tora-Juden haben andere Quellen von Informationen. Unsere Erfahrung in moralischen Belangen geht etwas weiter zurück als die der allgemeinen Zivilisation. Wir haben keinen Zweifel daran, dass ständiges Ausgesetztsein an solchen Reizen, von der Kindheit und Jugend an durchs ganze Leben, nur einen schwächenden Einfluss auf die Moral haben kann. Da ein haltloser Mensch der größte Verunreiniger ist, muss der langfristige Einfluss auf unsere ganze Umgebung schädlich sein.

Der Talmud sagt uns, dass es mehr als eine Art gibt, an einer Sünde beteiligt zu sein. Sich eine Sünde vorzustellen, ist eine Art; Andere eine Sünde ausüben sehen, ist eine zweite Art. Die Weisheit der Tora sagt uns, dass das „sich vorstellen einer Sünde schlimmer ist als die Sünde selbst“, weil eine ausgeführte Sünde zur Reue führen kann, während das ständige sich – Vorstellen einer Sünde in heimtückischer Weise den ganzen Charakter infizieren kann.

Die Gefahren einer solchen Verunreinigung sind daher offensichtlich. Die moralische Umgebung, die die Tora zu schaffen versucht ist genau das Gegenteil der ungesunden Atmosphäre, die die westliche Welt erzeugt.

Die Tora-Umgebung

Wie wir gesehen haben, hat sich das Judentum immer mit der Qualität der Umgebung im körperlichen Sinne abgegeben, und umso mehr im moralischen und geistigen Sinne. In der Tat versucht das Judentum, mit seinem Programm von Tora und Mitzwot eine Umgebung zu schaffen, in welcher ein Mensch sich voll entwickeln kann.

„Der Heilige, gelobt sei Er, wollte Reinheit zu Jisrael bringen. Deshalb vervielfachte er ihre Möglichkeiten für Tora und Mitzwot“.

Mitzwot füllen unser tägliches Leben und unsere Taten mit geistiger Bedeutung; ihr Endeffekt (wenn sie treu und gewissenhaft ausgeführt werden) ist die Verbesserung unserer Lebensqualität.

Es ist bekannt, dass die Tora nur in einer Gemeinschaft ausgeführt werden kann. lm Vergleich zur Zersplitterung der Welt um uns betont das Judentum die Einheit von G-tt, die Einheit von Jisrael, die Ganzheit des Menschen. Es versucht, eine Umgebung zu schaffen, sei es im Heim, in der Gemeinschaft und schließlich in der Nation, wo diese Ganzheit realisiert werden kann.

Nehmen wir nun ein Beispiel – die Umgebung des Heimes. Unsere Kinder wissen seit ihrem Säuglingsalter, dass wir in einer Welt von genauen Werten leben: issur, hetter, kadosch, chol (verboten, erlaubt, heilig, profan). Sie sind von Menschen umgeben, die eine höhere Dimension im Leben als ihre eigenen Wünsche anerkennen. Ihr wachsender Geist wird von den heiligen Worten der Tora genährt. Die Geschichten, die sie jeden Tag hören, sind nicht die krankhaften Fantasien des europäischen Unterbewusstseins, sondern die Geschichten der geistigen Helden unseres Volkes – Menschen, die vor G-tt wandelten und für ihn gearbeitet haben. Die heilige Umgebung des Kindes wird erweitert, bis sie 4000 Jahre jüdischer Geschichte umfasst.

Abraham, Jitzchak, Jakow, Joseph, Moische… Schmuel, David, Elijahu, Hillel, Rabbi Akiwa, Abaja, Rawa, Raw Aschi, der Wilnaer Gaon, der Chafez Chajim und der Chason lsch… die Gedolim aller Zeiten drängen sich um die Kindheit des jüdischen Kindes. Es kennt sie alle persönlich. Sie sprechen mit ihm und gehen auf seiner Seite. Dies sind die Vorstellungen, mit welchen wir das Unterbewusstsein unserer Kinder füllen wollen.

Und wenn sie aufwachsen, wachsen sie in eine Umgebung von Tora und Mitzwot, d.h. eine Umgebung des Lernens und Tuns, den Willen G-ttes auszuführen. Dies ist eine Aufgabe fürs Leben, eine Aufgabe, derer der höchste intellektuelle würdig ist, die jedoch auch dem niedrigsten offensteht. Es kann keine glücklichere, förderndere Umgebung für einen Menschen geben.

Fortsetzung folgt ijH

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