Wochenabschnitt Wajeschew – Die Verbindung zwischen Jakovs und Josefs Träumen

Datum: | Autor: Rav Chaim Grünfeld | Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag
traum

„Josef glich seinem Vater Jakov Awinu“, zitiert Raschi die Worte von Chasal, „ihre Gesichtszüge waren ähnlich, und alles was Jakov geschah, geschah auch dem Josef“[1]. Er sah sogar wie Jakov im Traum voraus, was später geschehen würde.

Gemäss unseren Weisen sl. gibt es zwei Arten von Träumen:

Die einen sind nichtssagende Träume, die aus den Gedanken des Menschen entstehen, die er tagsüber denkt. Die anderen hingegen sind eine niedrige Stufe der „Newuah“ (Prophetie), wodurch Hkb”H dem Menschen ein baldiges Ereignis ankündigt[2]. Die letztere Art von Träumen wird jedoch nur in außergewöhnlichen Fällen und auch nur besonderen Personen gegeben.

Die Kunst ist es, zwischen diesen beiden Arten von Träumen unterscheiden zu können – was ernst zu nehmen ist und was unbedeutend ist, wie der prophetische Traum gedeutet und verstanden werden muss. Und falls die richtige Deutung des Traumes gelungen ist, kommt die Schlüsselfrage: Wie soll man sich jetzt verhalten?

Jakov Awinu ist der erste Mensch in der Torah, dem ein solcher „Newuah-Traum“ gezeigt wird.

Auf dem ‘Berg Morijah’ sieht er die auf der Himmelsleiter auf- und absteigenden Mal’achim (Engel). Im Passuk wird aber nichts von dessen Bedeutung oder von der Reaktion Jakovs darauf erwähnt.

Bei Josef haZadik hingegen finden wir die genau umgekehrte Situation: Die Torah erzählt uns nicht, was Josef träumte, sondern nur, was er seinen Brüdern erzählte und wie diese darauf reagierten. Das Erzählen des Traumes durch Josef war somit schon eine Art Deutung des Traums, denn im Traum hat der Träumende gewisse Gefühle, die er später, wenn er sich nach seinem Aufwachen an sie erinnert, als geträumte Teile und Ereignisse seines Traumes empfindet. Der Bericht eines Traumes ist somit, zumindest teilweise, eine Interpretierung und Deutung desselben.

Da uns Chasal den Grundsatz lehren, dass Josef genau das Gleiche wie seinem Vater geschah, verstehen wir, dass die in der Torah erwähnten Träume von Jakov und Josef ein und dasselbe sein müssen! Die Torah braucht uns daher nicht die Träume von Josef zu schildern, da sie schon den Traum von Jakov erzählte. Bei Jakov wird allerdings nichts von der Bedeutung seines Traums und seiner Reaktion darüber berichtet, weil er diesen tatsächlich nicht deutete und daher auch auf den Traum nicht zu reagieren brauchte. Sein Traum wurde nämlich durch Josefs Träume fortgesetzt, der diese dann zu deuten begann.

Hkb”H hatte Jakov den Beginn des „Galut Mizrajim” der Bne Jisrael gezeigt.

Er beruhigte ihn jedoch gleichzeitig, dass Er Jisrael immer durch seine Mal’achim schützen werde, wo immer sie auch hingehen werden, nach Mizrajim hinunter und wieder nach Erez Jisrael hinauf.

Josef sah die Fortsetzung des Traums, wie der Klall Jisrael unter der Führung des „Zadik haDor” (‘Gerechte der Generation’) aus Mizrajim ziehen wird. Er sagte daher (37,7): „אנחנו מאלמים אלומים בתוך השדה – wir trugen Garbenhaufen zusammen in die Mitte des Feldes”. Wie Raw S.R. Hirsch sZl. bemerkt, ist es seltsam, dass ihm im Traum das Bild vom Garbenbinden erschien, denn damit waren die Brüder in keiner Weise beschäftigt, sie waren ja “Hirten”. Dieser gravierende Punkt ist der beste Beweis, dass Josef einen „Newuah-Traum” hatte, und es nicht einfach ein Produkt seiner täglichen Gedankenwelt war. Vielmehr sah hier Josef die Frontarbeit der Bne Jisrael in Mizrajim voraus, wobei sie auch auf dem Feld arbeiten mussten[3].

Diese Arbeit begann sich danach drastisch zu verschlimmern, als ihnen Paraoh kein Stroh mehr für die Lehmherstellung geben wollte und sie diese selbst auf dem Feld einsammeln mussten[4].

Aber trotz ihrer schweren Lage – „Doch siehe, da stellte sich meine Garbe aufrecht und blieb auch stehen. Eure Garben stellten sich in einem Kreis um sie herum und bückten sich vor meiner Garbe”. Josef’s Garbe stellte den „Zadik haDor” dar – Mosche Rabenu – der sich als Beschützer der Bne Jisrael vor Paraoh stellte und von seinen Brüdern als Anführer akzeptiert wurde. Sie glaubten seinen Versprechungen und befolgten seine Befehle. Im Verdienst ihrer „Emunat Zadikim” wurden sie aus Mizrajim erlöst und das ‘Jam-Suf’ (Schilfmeer) wurde für sie gespalten, wie es heisst (Schmot 14,31): „waja’aminu baSchem ubeMosche awdo“.

So gesehen bezog sich der Traum von Josef auf die Erlösung der Bne Jisrael aus Mizrajim und auf den Glauben an Mosche Rabenu. Josefs Brüder aber deuteten diesen auf Josef selbst und bezichtigten ihn: הֲמָלֹךְ תִּמְלֹךְ עָלֵינוּ אִם מָשׁוֹל תִּמְשֹׁל בָּנוּ, dass er tagsüber kindische Gedanken “über seine Brüder zu herrschen” hegt und daher auch in der Nacht davon träumt. Sie hatten die wichtige Botschaft von Josefs Träumen gänzlich missverstanden und unterschätzt, und glaubten er sei ein “nichtssagender” Traum. Daher zeigte Hkb”H dem Josef einen zweiten Traum. Spätestens jetzt sollten sie erkennen, dass es sich um eine „Newuoh” handelte und die richtigen Schlüsse daraus ziehen.

Jakov Awinu wunderte sich zwar, wie es möglich sein kann, dass sich ‘Rachel Imenu’, die bereits verstorbene Mutter von Josef, vor ihm bücken sollte.

Dennoch „ואביו שמר את הדבר – hütete er die Sache“ (37,11). Da sich der Traum aber gar nicht auf Josef selber bezog, sondern nur den späteren „Zadik Jesod Olam“ – Mosche Rabenu – darstellte, hatte alles seine Richtigkeit. Denn bei Mosche war es tatsächlich so, dass selbst sein Vater Amram, wie auch Jochewed seine Mutter, sich ihm als ihren “Manhig haDor” (geistiger Führer) unterordneten und alle seine Anweisungen befolgten!

Die Brüder hingegen, die von Neid und Hass geblendet waren, konnten die Wahrheit des Traumes noch immer nicht erkennen. Trotzdem hatte ihr Missverständnis auch seine gute Seite. Die Regel der Traumdeutung besagt ja, dass „Alles nach dem Munde geht”[5]. Da sie den Traum nun auf Josef deuteten, sagten sie ihm die Besteigung des Throns voraus, und hatten somit selbst dazu beigetragen, dass Josef König über Mizrajim wurde und sie sich später vor ihm verneigen mussten!

Auch diese Deutung war richtig und für das kommende Galut Mizrajim äußerst wichtig.

Denn Josef haZadik bereitete dort das künftige geistige Überleben Jisraels in Mizrajim vor.

Bemerkenswert ist, dass es gerade Mosche Rabenu war, der sich als Einziger um die Gebeine von Josef vor dem Auszug aus Mizrajim kümmerte[6]. Somit zollte er ihm seinen Respekt und Dank, für den durch Josef verkündete Auszug aus Mizrajim unter der Führung von “Mosche Rabenu”.

  1. Siehe Raschi 37,2 und ausführlich Midrasch Bereschit Rabba 84,6
  2. Berachot 57b
  3. Siehe Schmot 1,14
  4. Siehe Schmot 5,7-22
  5. Berachot 55a
  6. Schmot 13,19

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