Wochenabschnitt Toldot – Welche der Lehren unserer ‘Awot’ hatte mehr Einfluss?

Datum: | Autor: Rav Chaim Grünfeld | Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag
Lehre

Wer die Geschichte unserer Väter in der Torah aufmerksam durchliest, stellt fest, dass dem Bericht von Awraham Awinus wunderbaren Taten und dem Bestehen der „Assara Nisjanot“ (zehn Prüfungen) ganze drei Parschijot gewidmet sind. Die Begebenheiten von Jakov Awinu und seiner Familie nehmen sogar über die Hälfte des Sefer Bereschit ein. Die Geschichte von Jizchak Awinu hingegen nimmt knapp eine Parscha ein, obwohl Jizchak länger als Awraham und Jakov Awinu lebte.

Daraus kann entnommen werden, erklärt Raw Jakov Kamenezky sZl., dass es einen großen Unterschied im Wirken der „Awot haKedoschim“ (Heiligen Stammesväter) gab, wie stark sie ihre Umgebung und Mitmenschen beeinflussten und lehrten. Der Grund dafür war die unterschiedliche Art ihrer „Awodat Haschem“, die Art und Weise, wie sie ihre Emuna (Glauben) an G‘tt ausdrückten und der Welt darbachten: Awraham machte dies mit der Eigenschaft von „Chesed“ (Güte), Jizchak mit der „Midat haGewura“ (Strenge/Kraft) und Jakov mit „Emet“ (Wahrhaftigkeit).

Bekanntlich erzählen Chasal über die außergewöhnliche Gastfreundschaft von Awraham Awinu, wie er sein Haus für jeden offen hatte und sein Brot mit ihnen teilte.

Wenn sich dann der Gast bei ihm bedanken wollte, belehrte er ihn, stattdessen G‘tt für alles zu danken. Awraham diente somit G’tt mit der ‘Midat haChaesed’ (Eigenschaft der Güte). Aber in Wirklichkeit ging es bei dieser Art von G’ttesdienst nicht nur um die physische und geistige Mildtätigkeit, die Awraham Tag und Nacht ausübte. Vielmehr basierte sein ganzes Wesen und Tun auf dieser Welt auf seinen tiefen Eindrücken und seiner klaren Erkenntnis der gewaltigen, unaufhörlichen Fülle von Haschems Güte und Gnade, mit der Er seine Welt erschaffen hat und täglich führt.

Awrahams gnadenvolle Taten an seine Mitmenschen waren nur ein Symbol für die Gnade G‘ttes mit all seinen Geschöpfen. Wenn die Gäste von Awraham ihm danken wollten, waren sie dabei von ihren Eindrücken und Gefühlen motiviert, die von Awrahams uneingeschränkter Herzensgüte, mitfühlender Wärme und väterlicher Menschenliebe in ihnen geweckt wurden, mit der er jedem Gast begegnete. Doch Awraham erklärte ihnen, dass sie ihm nicht zu danken bräuchten, denn seine Güte sei nur G‘ttesdienst, denn es ist die Aufgabe des Menschens, G’ttes Tugenden und Eigenschaften nachzueifern[1].

Der erste Schritt dazu ist, die gewaltige Güte von Hkb“H, die dem Menschen ständig erwiesen wird, anzuerkennen und Ihm zu danken.

Das war der Weg wie Awraham seine Mitmenschen G‘tt näherbrachte. Es ist offensichtlich, dass ein solches Beispiel des ständig vorgelebten Chesed und Güte die Menschen sehr beeindruckte, und sie dermaßen begeisterte, dass sie ihm auf diesem Weg folgen wollten. Deshalb hatte Awraham Awinu auch viele Anhänger und Schüler, wie Chasal berichten[2].

Auf diese Weise erklärt Raw Kamenetzky auch den Grund dafür, dass Awraham sich einerseits mit seinem Freund Mamre über die „Brit Milah“ beriet[3], und andererseits die „Akedat Jizchak“ im Verborgenen, ohne irgendjemandem, nicht einmal seiner Frau Sarah Imenu[4], Bescheid zu sagen, ausführte? Awraham wollte in der Öffentlichkeit nicht etwas tun, das im völligen Gegensatz zu der von ihm gelehrten und gepredigten Güte von Hkb“H stand. Wenn die Menschen ihn als grausamen Barbaren sehen würden, wäre sein Lebenswerk zerstört!

Auch Jakov Awinu hatte sich einen Weg ausgesucht, mit dem es ihm gelang, viele Schüler zu gewinnen.

Sein ganzes Lebensweg, sein Tun, Sprechen und Denken war völlig dem Ziel der Erkenntnis der Wahrheit gewidmet (Micha 7,20): „Titen Emet leJakov, Chessed leAwraham“. Mit der Torah, die Jakov fleißig lernte und seinen Schülern und zahlreichen Nachkommen vermittelte, lehrte er sie, das g‘ttliche „Wahre“ zu erkennen. Da viele Leute daran interessiert sind, die Wahrheit zu finden und sich mit der Frage nach dem Sinn des Seins beschäftigen, hatte Jakov ebenfalls zahlreiche Anhänger.

Jizchak Awinu hingegen führte sein Leben hartnäckig und strikt nach den Gesetzen der Torah, wich kein Jota vom g‘ttlichen Willen ab, sondern folgte diesem kompromisslos (‚Midat haDin wehaMischpat‘). Eine solche Lehre konnte nur diejenigen Leute anziehen und begeistern, die wie Jizchak bereit waren, sogar sich selber, freudig und aufopfernd, als ‘Korban‘ darzubringen, um den Willen von Haschem zu erfüllen (‚Akedat Jizchak‘). Einen echten Schüler fand er darin nur in Jakov Awinu, seinem Sohn, dem er die Torah und Lehre Awrahams, wie auch seine eigene Lehre übergab. Jakov wich nicht vom Zelt der Torah ab, und lebte gemäss den Weg seiner Eltern, entwickelte aber auch seinen eigenen Lebensweg in der Awodat Haschem.

Dennoch beziehen sich diese unterschiedlichen Einflüsse der ‚Awot haKedoschim‘ nur auf ihre damalige Generation, die bei Awraham am größten und bei Jizchak am schwächsten war.

Was aber ihren Beitrag zur Formung des Klall Jisrael angeht, sind alle unsere Väter gleich bedeutend. „Eloke Awraham, we’Eloke Jizchak, we’Eloke Jakov“; sie alle lehrten uns einen Weg der Awodat Haschem, und der Einfluss aller drei Midot sind gleich stark in unserem Volk verankert. Tatsächlich ist es gerade die unbeschreibliche Stärke und Strenge von Jizchak Awinu, welche die Basis für die ungebrochene Hartnäckigkeit unserer Vorfahren bildete, die mit heldenhafter Gewurah und ‚Messirut Nefesch‘ (Aufopferung) in jeder Zeitepoche der Menschheitsgeschichte alle Verfolgungen und Leiden standhaft durchstanden. Awrahams Lehre des festen Glaubens am Haschems Güte und Gnade, wie auch die Lehre Jakovs über die g’ttliche Wahrheit der Torah, haben nur dank dem Messirut Nefesch von Jizchak ewigen Bestand![5]

Und auch aus diesem Galut werden wir, wie Chasal uns offenbaren[6], gerade dank dem ‚Sechut‘ (Verdienst) von Jizchak Awinu erlöst werden.

  1. Siehe Schabbat 133b, Torat Kohanim zu Wajikra 43,44 und Sota 14a
  2. Siehe Raschi 12,5 gemäss Midrasch Bereschit Rabba 39,14
  3. Siehe Raschi 18,1
  4. Siehe Raschi 23,2
  5. Gemäß Sefer Emet leJakov
  6. Siehe ausführlich Schabbat 89b

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