Wochenabschnitt Toldot – Antisemitismus – das Schwert von Esaw

Datum: | Autor: Rav Chaim Grünfeld | Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag
Esaw

„Esaw hasste Jakov wegen der Beracha, mit der ihn sein Vater segnete. Und Esaw sprach in seinem Herzen: „Es werden die Trauertage um meinen Vater kommen, dann werde ich meinen Bruder Jakov töten“ (27,41).

Raw S.R. Hirsch sZl. erklärt, dass Esaw gleich Gebrauch von der Beracha seines Vaters machen wollte, mit der dieser ihn gebenscht hatte (27,40): „we‘Al Charbecha tichje – Auf deinem Schwert wirst du leben“.

Viele Leute versuchten und versuchen noch immer, die Ursache des Antisemitismus zu deuten und zu erklären.

Alle möglichen Gründe werden genannt, wie z.B. Vorurteile der Nochrim oder das eigene Verschulden orthodoxer Jehudim etc. zur Sprache. Dies sind jedoch alles Spekulationen.

Wir aber kennen den wahren Grund, den uns Chasal (unsere Weisen s.A.) bereits vor Jahrtausenden genannt haben: „Halacha, beJadua sche’Esaw sone le Jakov – Es ist eine Halacha, wir wissen, dass Esaw den Jakov hasst“[1]. Der Hass eines Esaw gegenüber Jakov ist grundlos, denn es liegt in der Natur des Bösen, das Gute und Wahre zu hassen!

Wenn wir aber die heutige Parscha betrachten, wie Jakov Esaw die Brachot mit List entwendete, könnte man eigentlich einen triftigen Grund für diesen abgründigen Haß finden, wie dies auch aus dem einfachen Wortlaut der Psukim hervorgeht. Esaw äusserte seinen Hass auf Jakov, und den Wunsch ihn umzubringen, erst nach den Ereignissen der „Birkat Jizchak“ (den von Jichak an Jakov erteilten Segen).

Wieso lehren uns dann Chasal, dass dieser Hass grundlos ist?

Der Be’er Mosche[2] entgegnet, dass sich die Antwort darauf im oben zitierten Passuk findet: „Esaw hasste Jakov wegen der Beracha, mit der ihn sein Vater segnete“ – aber nicht, weil Jakov ihm die Brachot weggenommen hatte! Esaw hasst Jakov, weil dieser gut war und Gutes von seinem Vater empfing. Aber Esaw wusste ganz genau, dass die Brachot Jakov gebührten, denn er hatte ihm selber die ‘Bechora’ (Erstgeburtsrecht) mit allen seinen Rechten und Pflichten bei klarem Verstand verkauft.

Nein, er selber benötigte zwar keine Beracha, aber einen „von G’tt gesegneten Jakov“ konnte er ebenfalls nicht ausstehen!

Diesen Hass gegen das Gute und Gesegnete vererbte Esaw seinen Nachkommen für alle künftigen Generationen, wie der Midrasch berichtet – „dass sie den Jakov grundlos hassen sollen…[3]

Als Rivka durch ‘Ruach haKodesch’ (g’ttliche Inspiration) von Esaws Vorhaben erfuhr, schickte sie Jakov aus dem Haus und sprach zu ihm (27,42): „Siehe, dein Bruder tröstet sich damit, dich zu töten…“. Sein einziger Trost ist es, dich zu schlagen und zu quälen. Dies bereitet ihm Freude und schafft ihm Genugtuung.

Rivka Imenu sah schon damals voraus, wie die Entwicklung der Völker verlaufen würde.

Während sich Jakov mit ‘Awodat Haschem’ (G’ttesdienst) und ‘Kijum haMizwot’ (Erfüllung der Gebote) beschäftigt – „Isch Tam, joschew Ohalim“ (25,27) – den Sinn und Zweck seines Daseins auf Erden darin findet, G’tt näher zu kommen und sich geistig zu vervollkommnen, findet Esaw keine Erfüllung im ständigen Befriedigen seiner irdischen Gelüste: „Isch jodea Zajid“, er ist wie ein Jäger, der ständig auf der Pirsch nach neuer Beute ist, und daher ein „Isch Sadeh“, ein Mann des Feldes, der herumstreunt, nie seine Ruhe findet, fortwährend von seinen irdischen Gelüsten getrieben ist und nach neuer Beute dürstet, ohne diese Gier je stillen zu können.

Rivka sah, dass Esaw von seiner unersättlichen Gier getrieben wurde, und seine Befriedigung nur in einem Dasein als „Jäger“ finden wird, der Tiere oder Menschen jagt. Einzig die Freude und Faszination, Tiere und Menschen durch die Macht seines Schwertes nach Lust und Laune zu verfolgen, zu quälen und zu töten, der Geruch von unschuldig vergossenem Blut und das klagende Wehgeschrei seiner Opfer können ihm Freude verschaffen.

Deshalb verfolgt er den Jakov (Bne Jisrael):

„Weshalb Jakov, bist du immer glücklich und zufrieden? Du bist doch arm und hast keine Ahnung von den „Ta’anuge Olam haSeh“, von den irdischen Vergnügungen dieser Welt? Weshalb bist du dann der Glücklichere und Gesegnete von uns beiden? Warum bist du immer anders als ich? Hältst dich wohl für etwas Besseres?“

Aber auch Esaw wird schliesslich einsehen, dass die Beracha von Jizchak, mit der dieser Jakov gebenscht hat, tatsächlich in Erfüllung ging (27,29/37): „Esaw wird dem Jakov untertan sein!“ Und nicht etwa erst wenn Moschiach kommen wird, schon lange davor unterliegt Esaw dem Jakov – im moralischen wie auch im geistigen Sinn!

Während bei Esaw die Moral und Sitte völlig verkommen und am Verschwinden ist, während das Geistige und Wahre kaum noch einen Stellenwert hat, findet man weiterhin das Gute und Gesegnete bei Jakov. Folglich greift Esaw zu seinem einzigen Mittel, zum einzigen Handwerk, womit er einstweilen Jakov noch überlegen ist: „al Charbecha tichje!“

Aber auch diese Überlegenheit ist nur von zeitlicher Dauer, auch diese wird einmal schwinden.

Wenn das Schofar des Moschiach zur endgültigen Erlösung erklingen wird, dann wird Esaw dem Jakov vollständig unterliegen, wie es heisst (Owadja 1,21): „we’alu Moschi’im beHar Zijon lischpot et Har Esaw – Die Geretteten werden beim Berg Zijon aufsteigen, um den Berg von Esaw zu richten…“

Dann wird endlich der Kampf zwischen Gut und Böse gewonnen sein, das Gute und Wahre allen auf der Erde offensichtlich sein – „wehajta laSchem haMelucha“, dann wird Haschem die alleinige Herrschaft gehören, da Er von der ganzen Welt zum König erkoren werden wird.

  1. Sifri P. Beha’alotecha 9,10 und Raschi P. Wajischlach 33,4
  2. R. Mosche Jechiel haLevi Epstein, der Oz’erover Rebbe (5650-5731/1889-1971)
  3. siehe Midrasch Tehilim (Schochar Tov) 109

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