Wochenabschnitt Lech Lecha – Was ist Emuna Schlema?

Datum: | Autor: Rav Chaim Grünfeld | Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag
Emuna
„Wehe’emin baSchem wajach’sche‘weha lo liZedaka – Awraham glaubte an Haschem, und Er rechnete es ihm als Frömmigkeit an“ (15,6).

Awraham Awinu wird von Chasal als „Rosch haMa’aminim – Oberhhaupt aller Gläubigen“ bezeichnet. Weshalb? Awraham war doch nicht der erste Mensch auf der Welt, der an G‘tt glaubte. Vor ihm lebten doch Adam haRischon, Hewel und Kajin, Chanoch, Metuschelach, Noach, Schem u.a., die alle an Haschem glaubten?! Der Unterschied zwischen Awraham und seinen Vorfahren lag jedoch darin, dass die Torah selbst die “kompromisslose Emuna” (Glaube) von Awraham Awinu bestätigt: „Er glaubte an Haschem, und Er rechnete es ihm als Frömmigkeit an“.

Wir alle glauben auch an Hkb“H, und dennoch liegen unsere Emuna und diejenige von Awraham Awinu Welten auseinander!

„Emuna“ ist der Beginn unserer Aufgabe auf dieser Welt, der Mittelpunkt unseres ganzen Lebens und Daseins und dessen Ende. Das ganze Leben lang muss daran gearbeitet werden! Jeden Tag gilt es, Prüfungen zu bestehen, um größere und intensivere Stufen in der Emuna zu erreichen. Und sogar in den letzten Atemzügen eines Menschen, bevor er von dieser Welt scheidet, versucht ihn der Jezer haRa zu verwirren und ihm vom richtigen Glauben abzubringen![1] „Aus diesem Grund”, erklärte der Klausenburger Rebbe sZl., „ist es der Minhag Jisrael (Brauch im jüdischen Volk)[2], dass die Anwesenden beim Ableben einer jüdischen Person, laut den Passuk „Schma Jisrael“ rufen, um in dieser schwierigen Zeit ihre Emuna zu stärken!“[3]

Als Rabbi Levi Jizchak von Berditschew sZl. von seiner ersten Reise zu Rabbi Dov Ber, dem Meseritscher Maggid sZl. und Nachfolger des Ba’al Schem Tov sZl., nach Hause kam, fragte ihn sein Schwiegervater: „Was hast du dort gelernt?“ – „Emuna!“, lautete die Antwort. Darauf rief der Schwiegervater das jüdische Dienstmädchen ins Zimmer und fragte sie, an was sie glaube. „Natürlich an den einzigen G‘tt!“ rief sie erstaunt.

Doch Rabbi Levi Jizchak entgegnete: „Sie sagt es, ich aber weiß es!“

Auch wenn jemand unter seinen Mitmenschen als gläubiger Jehudi bekannt ist, ist das noch lange kein Beweis für die tatsächliche Stärke und Tiefe seiner Emuna, warnt Rabbi Elchanan Wassermann Hj“d. Der Glaube an Haschem muss viel stärker sein als das, was man sieht, die Augen können einen trügen. Manchmal fehlt dem Menschen einfach der Durchblick oder man ist von irgendwas geblendet. Awraham Awinu hingegen besaß eine solch überzeugte und überzeugende Emuna, dass er es mit der ganzen Welt aufnahm, sich sogar gegen den mächtigen und einflussreichen König Nimrod mit allen seinen Denkern und Wissenschaftlern stellte und ihre Theorien und Aberglauben verwarf. Gibt es einen größeren Beweis für die Stärke der Emuna, als denjenigen, den Awraham Awinu zeigte, als er sich für seinen Glauben ins Feuer werfen ließ?

Wie die Rischonim erklären, gibt es zweierlei Arten des Glaubens:

Es gibt die „Emuna Pschuta“, den einfachen Glauben, der auf keinerlei Begründung und Beweisführung basiert, sondern sich nur an das von unseren Vätern Überlieferte hält. Ferner gibt es die „Chakira“, den erforschten Glauben, der durch philosophische Theorien und Beweisführungen gefestigt wurde. Obwohl die „Emuna Pschuta“ der Grundstein der jüdischen Religion ist, ist aber auch das vertiefte Wissen und die Forschung über den Glauben eine ausdrückliche Mizwa der Torah[4].

In diesem Sinne schreibt Rabenu Bachja: „Es gibt zwei Arten der Emuna… Sicher ist die von unseren Vätern überlieferte „Emuna Pschuta“ wahr und gut, dennoch ist sie selbst keine vollständige Emuna, denn man ist damit nicht genug gewappnet vor Irrlehren und Diskussionen mit Andersgläubigen. Es besteht daher eine große Gefahr, dass sich beim Unwissenden gewisse Zweifel und Irrtümer einschleichen. Deshalb warnen Chasal: „Lerne eifrig Torah und wisse, was du dem ‘Apikores‘ (Ketzer) antworten sollst“[5].

Es geht nicht darum den anderen zu überzeugen, denn echte Abtrünnige sind meistens nicht zu überzeugen und ein Gespräch mit ihnen sogar kontraproduktiv, vielmehr geht es darum, dass man bei sich selber sicher sein soll und die eigenen Fragen klar beantworten kann, wie es heißt: „Wisse/Kenne den G’tt deines Vaters und diene Ihn mit ganzem Herzen und williger Seele…“[6].

Nur wer Hkb“H kennt, kann Ihm mit ganzen Herzen dienen!”[7]

Viel schlimmer ist es aber im umgekehrten Fall, wenn jemand chalila (G’tt behüte) keine „Emuna Pschuta“ besitzt, und sein Glauben nur auf seiner Forschung basiert, anhand gewissen Beweisen und Theorien. Denn falls einmal diese Beweise wegfallen, oder diese Theorien ins Wanken geraten, so reißen sie auch seinen Glauben mit!

Dieses Problem zeigte sich zur Zeit des „Gerusch Sefarad“ (Vertreibung der Jehudim aus Spanien – 5552/1492) wie zeitgenössische jüdische Persönlichkeiten, Don Jizchak Abrabanel und der Chassid Rabbi Josef Jawe“z sZl. schreiben: „Die jüdische Philosophie erreichte zwar zu jener Zeit ihren Höhepunkt, doch dafür fehlte es leider vielen Jehudim in Spanien an der „Emuna Pschuta“. Ihr Glaube basierte lediglich auf theoretischen und philosophischen Grundgedanken. Während den unmenschlichen Folterungen und lebendigen Verbrennungen auf dem Scheiterhaufen durch die christliche Inquisition, sah man dann den Unterschied ganz klar. Wer noch Funken reiner jüdischen Emuna besaß, opferte sich voller Hingabe und starb mit reiner Seele “al Kidusch Haschem“ (zur Heiligung Seines Namens). Die anderen aber fielen leider bei dieser harten Prüfung durch und ließen sich taufen (שמד)…“[8]

In den ersten 19 Generationen der Menschheit bis zu Awraham Awinu, besaß niemand die „Emuna Pschuta“.

Adam haRischon, der direkt von G‘tt erschaffen wurde, selber Zeuge der Welterschaffung war, mit dem Hkb“H sprach und mit dem die Mal’achim im „Gan Eden“ Torah lernten, stand gleich von Anfang an auf einer einzigartigen, hohen geistigen Madrega (Stufe), die völlig auf all dieses Wissen und den gewaltigen Erkenntnisse basierte, die er mit eigenen Augen sah und verstand. Diese Emuna hatte jedoch nichts mit der einfachen überlieferten Emuna zu tun. Deshalb fiel er gleich bei seiner ersten Prüfung durch, weil der Jezer haRa ihn genau anhand dieses Sehens und Verstehens blendete, und seinen Durchblick mit falschen Theorien und irrigen Überlegungen trübte.

Seine Kinder und Nachkommen besaßen zwar nicht mehr dieses offenkundige Wissen von Adam, hatten jedoch andere Beweise für die Existenz G‘ttes, wie im Sohar haKadosch berichtet wird. Der „Dor haMabul“ (Generation der ‘Flut‘) konnte die g’ttliche Führung anhand der unbeschreiblichen Fülle der damaligen Natur erkennen, wie sie vor der Sintflut herrschte[9]. Der „Dor haFlaga“ (Generation der Zerstreuung) besaß zwar diese natürliche und materielle Fülle nicht mehr, konnten aber auf ein unbegrenztes geistiges Wissen zurückgreifen. Statt dieses zum richtigen Zweck zu benutzen, wandten sie ihr Wissen und Können genau zum Umgekehrten an und zettelten eine Rebellion gegen G’tt an[10]. So wurden die größten Errungenschaften der Bautechnik und viele andere Wissenschaften nur dazu verwendet, um das Volk im Kampf gegen Haschem zu vereinen. Auch sie verblendete der Jezer haRa mit falschen Vorstellungen, weil ihr ganzer Glaube nur aufgrund ihres Wissens bestand.

Nach ihrem Untergang blieb überhaupt fast keine wahre Emuna mehr auf der Erde erhalten.

Die wenigen Gläubigen hatten keinen Einfluss auf ihre Mitmenschen. Also nahm die „Awoda Sara“ (Götzendienst) in allen Ländern Überhand. Erst als Awraham Awinu kam und sich von den Götzen seines Vaters abwandte, trat eine einschneidende Änderung ein. Zuerst musste er Haschem selber erforschen (‚Chakira‘), da er auf keine Überlieferung seiner Väter zugreifen konnte. Danach festigte er in sich eine solch starke „Emuna Pschuta“, dass ihn sogar große Fragen über G‘tt überhaupt nicht beschäftigten und sein Glaube an G’tt nicht im Mindesten ins Wanken geriet.

Dank dieser “Emuna Schlema“ – basierend auf ‘Emuna Pschuta‘ und der ‘selbsterforschten Emuna‘ – konnte ihn niemand bekehren und verwirren.

So wurde er, der von seinen Zeitgenossen zum Tod verurteilte Ketzer, zum größten Lehrmeister des wahren Glaubens. Dank einer solchen Stufe der Emuna wurde Awraham Awinu zum „Oberhaupt aller Gläubiger“ und verdiente eine besondere himmlische Anrechnung seines Zidkut (Rechtschaffenheit).

  1. Schlo”H haKadosch (Mas. Pesachim Ner Mizwa ‘schamati’, Schewet Mussar Kap.27 u.a.)
  2. Ma’awar Jabok (Ma’amar Sifseh Zedek Kap. 39, Chajim uBracha 10,42)
  3. Schefa Chajim-Ra’awa deRa’awin (P. Noach 4,5)
  4. Siehe Rambam (Hilchot Jessode haTorah Kap. 1), Ramcha“l in Derech Haschem am Anfang) u.a.
  5. Pirke Awot 2,19
  6. Diwre haJamim (Bd1/28,9)
  7. Rabenu Bachja zu Dewarim 13,7 und zu Pirke Awot 2,19, S.a. Chowat haLewawot (Hakdama)
  8. Or haChajim (zu Awot Kap.5 und s.a. Kap. 2)
  9. Midrasch Bereschit Rabba (34,11)
  10. Sohar Bd1/S.56b, 74b und 75b-76a

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