Wochenabschnitt Chajey Sara – Die Ausgewogenheit der Ehen

Datum: | Autor: Rav Chaim Grünfeld | Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag
Ehen
Ketubah (Venedig 1648, Braginsky Collection)

Die Ausgewogenheit der Ehen – und Lawans hinterlistiger Plan ihrer Vereitelung

Ehen zu stiften ist keine leichte Sache. Nicht umsonst heisst es: „Die Eheschließung eines Menschen ist so schwer wie die Spaltung des Jam-Suf (Schilfmeer)“[1].

Chasal (“Unsere Weisen”) betonen das Wort „Menschen“, denn bei den Tieren ist das Finden eines Artgenossen ein einfacher instinktiver Vorgang. Beim Menschen hingegen, werden die Ehen im Himmel bestimmt und durch Hkb“H alleine geschlossen.

Im Midrasch wird darüber folgende Begebenheit erzählt: „Eine römische Matrone (vornehme Dame), welche diese Regel von ‘Rabbi Jossi ben Chalafta‘ hörte, wollte dies zuerst nicht glauben. Sie ließ ihre gesamte Dienerschaft in zwei Reihen antreten, die männlichen Sklaven gegenüber den weiblichen, und erklärte ihnen, dass sie von heute an Paare seien und zusammenleben sollen. ess. Tags darauf fand sie aber alle zerkratzt und zerschlagen vor, und musste die Wahrheit einsehen, dass alle ihre über Nacht geschlossenen Ehen zwischen den Knechten und Mägden misslungen waren[2].

Chasal lehren ferner, dass bereits 40 Tage bevor sich das Kind im Mutterbauch bildet, im Himmel ausgerufen wird, wer sein vorgesehener Ehepartner ist. Ob diese Ehe dann aber auch tatsächlich geschlossen wird, bleibt dem Menschen vorbehalten, denn jede Ehe hängt von den Taten des Menschen ab. Es besteht daher die Möglichkeit, dass eine Person den vorgesehenen Ehepartner nicht verdient und daher von Haschem einen zweiten Schidduch zugeteilt bekommt[3].

Selbst die Frevler Bessu‘el und Lawan, der Vater und der Bruder von ‘Rivka Imenu‘, die vollkommen schlechte Menschen waren, mussten die „Haschgacha Pratit“ (g’ttliche Vorsehung) des von Elieser vorgeschlagenen „Schidduch“ (Ehestiftung) anerkennen und riefen verwundert aus (24,50): „Von Haschem ist die Sache ausgegangen, wir können dir weder Böses noch Gutes sagen!“

Sie wollten sich nicht in diesen offensichtlich von G’tt bestimmten Schidduch einmischen. Daher muss man sich fragen, wie dies dann mit dem von Chasal überlieferten „versuchten Mordanschlag“ übereinstimmt, wonach Bessu‘el den Elieser vergiften wollte?

Im Midrasch wid nämlich berichtet, dass Bessu’el dem Elieser einen Teller mit vergifteten Speisen hinstellen ließ, dieser dann aber durch den Mal’ach Gawriel mit seinem eigenen Teller ausgetauscht wurde, so dass dieser statt Elieser starb[4].

Rabbi Elieser Susja Portugal, der Skullener Rebbe sZl. interpretierte dementsprechend die Worte von Awraham Awinu zu Elieser (24,7): „Hu jischlach Mal’acho lefanecha – Er wird Seinen Mal’ach vor dir herschicken und du wirst von dort eine Frau für meinen Sohn nehmen“. Wo finden wir diesen Mal’ach und wozu benötigte Elieser diesen? Dies war der Mal’ach Gawriel, der eingreifen musste, um Elieser vor der geplanten Vergiftung zu retten[5].

Lawan und Bessu‘el waren keine gewöhnlichen Götzendiener. Wie Chasal berichten, war Lawan ein äußerst grosser Zauberer[6]. So besass er die später von Rachel entwendeten „Terafim“, die Götzen ganz besonderer Art waren: Ein mit Zauberei verhexter Menschenkopf, der die Eigenschaft besaß, ihm verschiedene geheime Dinge zu offenbaren[7]. Diese ‘Terafim‘ verrieten Lawan auch später die Flucht von Jakov Awinu. Es ist daher anzunehmen, dass Lawan und Bessu‘el bereits vor der Ankunft von Elieser von diesem „Schidduch“ wussten. Deshalb erklärten sie sich so auffallend schnell mit Eliesers Vorschlag einverstanden – sie waren ja bereits darüber informiert gewesen und dementsprechend vorbereitet.

So können auch die Hintergedanken von Lawan erklärt werden, der zu Elieser sagte (24,31): „Komm herein, Gesegneter von Haschem! Warum stehst du draußen? Ich habe das Haus ausgeräumt….“ Was ist in Lawan gefahren, dass er, der Götzendiener, plötzlich von G‘tt spricht und gar seine Götzen aus dem Haus räumt, wie Chasal[8] die „Räumung des Hauses“ deuten?

Obwohl Lawan und Bessu‘el Götzendiener waren, wussten sie, dass in Wirklichkeit Haschem der einzige G’tt der Welt ist. Deshalb waren sie sich auch darüber im Klaren, dass der im Himmel bestimmte Schidduch von Jizchak mit Rivka auf jeden Fall in Erfüllung gehen würde. Sie wollten ihn nur verzögern und hinausschieben. Auf diese Weise erhofften sie sich, Rivka weiterhin in ihrer schlechter Umgebung zu lassen, um sie insbesondere in ihren reiferen Jahren negativ beeinflussen zu können.

Wie zu Beginn erwähnt, geht die vom Himmel geplante Eheschließung nur dann in Erfüllung, wenn die Ehepartner es verdienen. Wäre also Rivka kein „frommes“ Mädchen mehr, wäre sie für Jizchak auch nicht mehr die passende Frau gewesen. Der „Schidduch“ konnte also momentan nicht verhindert, durch die geplante Vergiftung von Elieser aber mindestens verzögert und so eventuell später von selbst aufgelöst werden.

Dies meinte Lawan als er dem Elieser sagte: „Du Gesegneter von Haschem“ – Du, der an Hkb“H glaubt, komm nur in mein Haus und versuche diese im Himmel vorbestimmte Ehe zu schließen. Auch wir kennen die Wahrheit und glauben an Haschem, doch – „ich habe das Haus ausgeräumt“ – ich habe bereits meine Götzen, die Terafim aus dem Haus geräumt. Ich habe der Erfüllung der Weissagung der Terafim, die mir das Geheimnis deines Besuchs offenbarten, bereits ein Schnippchen geschlagen und unser Problem aus dem Weg geräumt: Denn wenn wir dich beseitigen und den Schidduch hinauszögern, wird er hoffentlich von selbst hinfällig werden!

So ist auch der erwähnte Ausruf von Lawan und Bessu‘el zu verstehen, die gemeinsam sagten: „Von Haschem ist die Sache ausgegangen, wir können dir weder Böses noch Gutes sagen!“

Sie wussten und glaubten an die g’ttliche Vorsehung dieser Eheschließung und dass sie ihn momentan nicht verhindern konnten. Es würde daher nichts nützen, wenn sie dem Elieser „Böses oder Gutes“ sagten. Ihre einzige Eingriffsmöglichkeit bestand in der Vergiftung von Elieser. Als dann aber Bessu‘el anstatt Elieser starb, musste Lawan das klägliche Scheitern ihres Planes einsehen. Er versuchte daher zu retten, was noch zu retten war, und bat (24,55): „Lasst doch das Mädchen noch ein Jahr oder zehn Monate bei uns bleiben…“. Er hoffte, sie in dieser kurzen Zeit noch so weit negativ beeinflussen zu können, um den Schidduch rückgängig zu machen.

Doch Elieser widersprach (24,56): „Haltet mich nicht auf, da Haschem meinen Weg hat glücken lassen…“. Elieser hatte den hinterlistigen Plan von Lawan und Bessu‘el sehr wohl verstanden, und wollte daher auf keinen Fall das Risiko einer eventuellen schlechten Beeinflussung eingehen.

Vielleicht hatte er deshalb der Rivka sogleich – noch vor dem Einverständnis ihrer Eltern zu diesem Schidduch – schönen Schmuck geschenkt, der wie Raschi erklärt, eine Andeutung auf die Tora und die Luchot haBrit beinhalten. Elieser versuchte Rivka sofort mit der g’ttlichen Lehre von Awraham Awinu zu beeinflussen, und gab ihr so die Möglichkeit, der Beeinflussung durch Lawan und Bessu‘el zu widerstehen.


  1. Sota 2b
  2. Midrasch Wajikra Rabba 8,1
  3. Siehe Sota ibid. und diverse Meforschim zur Stelle
  4. Midrasch Bereschit Rabba 60, 2 und Raschi 24,55
  5. Noam Elieser (Parschat Chaje Sara)
  6. Sohar haKadosch Bd1/S.133b/139b und Bd2/S.64b
  7. Midrasch Tanchuma P. Wajeze 12, Pirke deRabbi Elieser Kap.36 (fehlt in vielen Ausgaben durch die Zensur!) Sohar Bd1/S.164a, Targum Jonathan, Midrasch Lekach Tov und Perusch haRokeach zu Bereschit 31,19
  8. Midrasch Bereschit Rabba 60,7 und Raschi zur Stelle

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