Wochenabschnitt Matot – Warum haben auch Zivilisten Anspruch auf Kriegsbeute?

Datum: | Autor: Rav Chaim Grünfeld | Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag
Kriegsbeute

„Wajikchu et kol haSchalal… wajawi’u el Mosche… – sie nahmen die ganze Beute… und brachten sie zu Mosche“ (31,11-12).

Nach dem siegreichen Feldzug gegen Midjan brachten alle Soldaten, die in den Kampf gezogen waren, ihre Kriegsbeute zu Mosche, der sie nach Abzug von „Steuern“ gleichmäßig unter dem Volk aufteilte. Raschi meint dazu: „Das lehrt uns, dass sie alle „Kscherim weZadikim” – „rechtschaffen und gerecht“ waren. Niemand wurde verdächtigt, sich heimlich etwas von der Beute angeeignet zu haben, denn es steht „kol haSchalal“, sie haben die „ganze Beute” abgegeben.

Es stellt sich jedoch die Frage: Warum durften sie sich tatsächlich bei diesem Feldzug nichts von der Beute aneignen? Bei anderen Eroberungszügen durfte man doch auch alles Erbeutete behalten. Außerdem hatten sich doch die in den Krieg ziehenden Männer ihr Leben riskiert. Weshalb mussten sie dann ihre Beute gleichmäßig mit allen zu Hause Gebliebenen teilen?

Diese Beschwerde brachten auch die Männer von Dawid haMelech vor, als die in dem Kampf gezogenen Soldaten die  Beute mit „den bei den Geräten Gebliebenen“ teilen mussten (Schmuel I. 30,22-25). Dawid erklärte ihnen aber, dass der Sieg in Wirklichkeit gar nicht durch die Kämpfenden errungen worden war, sondern nur durch die Hilfe G’ttes, der sie beschützt hatte. Somit macht es keinen Unterschied wer kämpfte und wer nicht – alle sind in gleichem Maße an der Beute berechtigt!

Zweitens erklärte er, selbst wenn wir diese Angelegenheit mit irdischen Augen betrachten, es doch eindeutig sei, dass die Zurückbleibenden einen genauso wichtigen Beitrag für das Gelingen des Kriegs leisten. Immerhin beschützen und verteidigen sie den Besitz aller Männer, auch denjenigen der Kämpfer.

Wie Raschi erklärt, lernte Dawid diese Regel von Awraham Awinu, der beim Kampf gegen die vier Könige nicht nur seinen mit ihm in den Kampf gezogenen Knechten einen Anteil an der Kriegsbeute gab, sondern auch „Oner, Eschkol und Mamre“ an ihr teilhaben ließ, obgleich sie zu Hause geblieben waren¹.

Raw Arje Mordechai Rabinowitz sZl., der erste Raw von Bne Berak, nannte einen weiteren Grund, warum die Beute normalerweise gleichmäßig zwischen allen aufgeteilt wurde. Denn oft mussten auch kampftaugliche Männer zurückbleiben, um die Städte, Familien und ihren Besitz zu bewachen. Diese hätten vorbringen können, dass sie gerne mit den anderen getauscht hätten und lieber selbst in den Kampf gezogen wären. Folglich hatten sie dasselbe Anrecht auf die Beute.

Dieser Begründung zufolge hätte beim Feldzug gegen Midjan eigentlich keine gleichmässige Teilung erfolgen sollen. Denn hier wurden, anders als bei allen anderen Kriegen, nur vollkommene Zadikim in den Kampf geschickt. Folglich hatten diesmal die Zurückgebliebenen eigentlich kein Anrecht auf die Kriegsbeute. Daher schreibt Raschi: „Das lehrt uns, dass die Kämpfenden‚ alle Rechtschaffene und Gerechte waren“. Doch bescheiden wie sie waren, betrachteten sie sich nicht als größere Zadikim als die anderen. Sie nahmen daher überhaupt nichts von der Beute an sich und brachten alles zu Mosche, damit auf sie kein Verdacht des möglichen Diebstahls falle, falls sie tatsächlich keine „Zadikim Gmurim“ (vollkommene Gerechte) waren.

Des Weiteren kann hinzugefügt werden, dass – wie Raschi schreibt² – bei diesem Krieg die Bne Jisrael zuerst überhaupt nicht in den Kampf ziehen wollten, weil sie wussten, dass Mosches Weiterleben davon abhängig war. Sie mussten daher – gegen ihren Willen – mit echtem „Messirut Nefesch“ in den Krieg ziehen. Demnach konnten die zu Hause Gebliebenen nicht als Argument für einen Anteil an der Beute vorbringen, dass sie lieber mit den anderen die Rolle getauscht hätten und selber in den Krieg ziehen wollten.

Rabbi Jakov Jizchak, der „heilige Jehudi“ sZl., erklärte ferner, dass es die Aufgabe der Zurückgebliebenen war, für ihre kämpfenden Brüder zu dawenen, damit sie unbeschadet – körperlich und geistig – zurückkehren. Deshalb hatten auch sie ein gleiches Anrecht auf die Kriegsbeute.


¹ Raschi zu Bereschit 14, 24

² Raschi zu 31, 5

 

 

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