Wochenabschnitt Chukat – Der Gebissene schaue auf die Schlange, so wird er leben bleiben – weshalb?

Datum: | Autor: Rav Schimschon Raphael Hirsch | Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag
Schlange
Bearbeitet von Dr. Ari Lewenstein und erschienen im Buch „Glanzlichter der Tora – Meore Hassar“.

כ“א (ח) וַיֹּאמֶר ה‘ אֶל מֹשֶׁה עֲשֵׂה לְךָ שָׂרָף וְשִׂים אֹתוֹ עַל נֵס וְהָיָה כָּל הַנָּשׁוּךְ וְרָאָה אֹתוֹ וָחָי. (ט) וַיַּעַשׂ מֹשֶׁה נְחַשׁ נְחֹשֶׁת וַיְשִׂמֵהוּ עַל הַנֵּס וְהָיָה אִם נָשַׁךְ הַנָּחָשׁ אֶת אִישׁ וְהִבִּיט אֶל נְחַשׁ הַנְּחֹשֶׁת וָחָי. Kap. 21,8-9: Da sprach G-tt zu Mosche: Mache dir eine Giftschlange und setze sie auf eine hohe Stange und es sei dann: jeder Gebissene sehe hin und so wird er leben bleiben. Da machte Mosche eine kupferne Schlange und setzte sie auf die hohe Stange, und es war, wenn eine Schlange jemanden gebissen hatte, so schaute er die kupferne Schlange an und blieb leben.

וַיֹּאמֶר ה‘ וְגוֹ‘ וְהָיָה כָּל הַנָּשׁוּךְ וְרָאָה אֹתוֹ וָחָי. Zweifellos war die Absicht dieser „Heilmethode“, den Gebissenen zur Einkehr und Rückkehr zu bringen und dadurch sein Leben zu retten. Wie aber sollte dies durch das Anschauen der Schlange an der hohen Stange erreicht werden?

Der Biss der Schlangen hatte nur einen einzigen Zweck:

das Volk die Gefahren sehen zu lassen, welchen es auf Schritt und Tritt in der Wüste ausgesetzt war, und welche ihnen bisher die Wundermacht G-ttes ferngehalten hatte. So fern, dass ihnen die Gefahren überhaupt nicht mehr bewusst waren. Wer gebissen wurde, sollte sich nur das Bild der Schlange fest einprägen, damit dieses Bild ihm stets gegenwärtig sei, auch dann, wenn G-ttes Gnade die Schlangen wieder fernhalten werde.

Der Gebissene sollte sich des Vorhandenseins der Gefahren bewusst bleiben, an denen täglich und stündlich der besondere G-ttesschutz uns unbewusst vorbeiführt. Dieser Schutz gestaltet jeden Atemzug unseres Daseins zu einem „geretteten“, und macht so jeden Tag zu einem neuen Geschenk der g-ttlichen Macht und Güte. (So sagen wir in der Schmona Esre in “Modim”: נוֹדֶה לְךָ… וְעַל נִפְלְאוֹתֶךָ וְטוּבֶיךָ שֶׁבְּכָל עֵת, עֶרֶב וּבֹקֶר וְצָהֳרַיִם wir wollen Dir danken… für Deine außerordentlichen Wundertaten und Wohltaten zu jeder Zeit, abends morgens und mittags.)

Wenn wir immer wieder — fälschlicherweise — die Spenden und Wunder G-ttes im täglichen Geschick vermissen, und wenn unsere Ungeduld uns übermannt, dann ist nichts so geeignet, uns mit all dem zu versöhnen, als die Überzeugt von dem Abgrund, an dessen schmalem Rand unser ganzer Lebensweg hinzieht, und den eine gütige G-tteshand vor uns verschleiert, und uns auf den Flügeln ihrer Macht rettend vorbeiträgt. So sollten die Gebissenen (und wohl auch die noch nicht Gebissenen) ständig die נְחָשִׁים שְׂרָפִים[1] vor sich sehen, die unsichtbar an ihren Wegen lauern, und die nur der allmächtige G-ttesschutz in Bann halten kann.

Unsere Weisen sagen, dass die Verirrung Jisraels in ihrer „Undankbarkeit“ bestand, sie waren undankbar.

Daher war die Strafe dieser „Undankbaren”, dass G-tt den Schutz und den Schleier wegzog, der bisher die Giftzähne der Schlangen in der Wüste unschädlich machte und verborgen hielt. Daher auch das Mittel zur Heilung: dass der Gebissene sich das Bild der Schlange zum bleibenden Gedächtnis einpräge und sich so der obwohl oft unsichtbaren, aber dennoch ständig vorhandenen Güte G-ttes dankbar bewusst bleibe, וְהָיָה כָּל הַנָּשׁוּךְ וְרָאָה אֹתוֹ וָחָי[2]!

וַיַּעַשׂ מֹשֶׁה נְחַשׁ נְחֹשֶׁת: Die Tora schrieb Mosche nicht vor, woraus die Schlange zu fertigen sei. Raschi sagt: לָשׁוֹן נוֹפֵל עַל לָשׁוֹן — ein Wortspiel. Im Jeruschalmi[3] heißt es: Mosche sagte: Die hier aufgetretene שָׂרָף, ist ja eigentlich eine Schlangenart (נָחָשׁ) und damit ist auch der Stoffname נְחֹשֶׁת (Kupfer) gegeben. Schon der Stoff, das Kupfer, bringt somit durch seinen Namen (נְחֹשֶׁת), den Gegenstand zum Bewusstsein, der aus diesem Metall angefertigt war (נָחָשׁ). Vielleicht sollte der נְחֹשֶׁת-Stoff jedoch nicht nur den Gebissenen ihre Undankbarkeit und G-ttes ständige Fürsorge vor Augen halten. Vielmehr sollte die kupferne Schlange das Volk auf seiner Weiterreise begleiten, und ihm alleine durch den Hinweis נְחַשׁ נְחֹשֶׁת eine ständige Ahnung der wirklichen נְחָשִׁים vermitteln, die überall verborgen in der Wüste am Weg lauern. Diese ständige Ahnung würde wohl dem Volk stets die verborgene Wundermacht G-ttes in Erinnerung rufen — nicht zuletzt zu ihrem eigenen Wohl.

  1. Brennend beissende Schlangen
  2. und es war, jeder Gebissene, so schaute er darauf und blieb leben
  3. Rosch Haschana 3,9

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