Führer des Klall Israel, gestorben am 6. Cheschwan 5461 (1701)
Mit freundlicher Genehmigung Der Jüdischen Zeitung Zürich
Rabbi Jehuda Hachassids Schüler, Rav Natan Nate Mannheim, der Av Bet Din von Hageni und Verfasser des ‚Me’orot Natan’, schreibt über seinen Lehrer: „Er war ein Zadik, die Stütze der Welt, der Erste in jeder heiligen Angelegenheit, gefüllt vom Geist der Chochma, ein wahrer Engel G“ttes…“
Rabbi Jehuda Hachassid war als gewaltiger Talmid Chacham und eine sehr einflussreiche Persönlichkeit bekannt. Den größten Teil seines Lebens beschäftigte er sich mit Tora und Avoda (Dienst G-ttes). Als er ungefähr sechzig Jahre alt war, verließ er seine Stadt Schidlitz in Polen und machte sich auf den Weg nach Jeruschalaim. Sein Ziel war es, in der Nähe des heiligsten Platzes auf der Erde, an dem die Schechina ruht, zu wohnen und die Erlösung von Israel näher zu bringen. Er gab jedem, der Interesse hatte, die Möglichkeit, sich ihm anzuschließen, und sagte, dass dieser ausgewählte Zeitpunkt eine „Eit Ratzon“ (günstige, vor G-tt wollgefällige Zeit) sei. Er machte aber allen klar, dass es unmöglich ist, den heiligen Berg zu besteigen, wenn man zuvor nicht eine vollständige Teschuva gemacht und sich mit guten Taten beschäftigt hat.
Rabbi Jehuda verliess Schidlitz im Frühling des Jahrs 5459 (1699) mit weiteren dreißig Familien. Sie fuhren zusammen durch Ungarn, Deutschland und Italien, auf ihrem Weg nach Eretz Israel. An jedem Ort, den sie erreichten, hielt Rabbi Jehuda gewaltige Lehrvorträge über Tora und Irat Schamaim (G-ttesfurcht) und so geschah es, dass ihm sich noch viele Familien anschlossen. Am Ende zählte seine Gruppe 1500 Personen, wie Rav Natan Nate, der auch seine Rabbiner-Stelle verließ und mit ihm zusammen nach Eretz Israel auswanderte, schreibt: „Es war eine große und außergewöhnlich erhabene Gesellschaft, Zaddikim, jeder Jere Schamaim (hebr. für „Gottesfürchtige“), die Ältesten der Familien und die Häupter der Jeschivot schlossen sich ihm an.“
Bis zu jenem Zeitpunkt gab es noch nie eine solch große Gruppe, die zusammen nach Eretz Israel auswanderte; So etwas hatte es in der Geschichte von Klall Israel. Die größte Massen–Alija hatte aus den dreihundert französischen Rabbanim bestanden, die sich zusammen mit Rabbi Jehonatan Kohen von Lunil, vierhundert Jahre vor Rabbi Jehuda Hachassid, im Jahr 4970 (1210) nach Eretz Israel begeben hatte.
Rabbi Jehuda kam auf seinem Weg in der Stadt Altona in Deutschland vorbei und traf dort den ‚Chacham Zvi’. Als er im Bet Haknesset seine Drascha zu Ende sprach, nahm Rabbi Jehuda eine Sefer Tora, und begab sich auch in die Esrat Naschim, um zu den Frauen zu sprechen. Nachdem das Reden vor Frauen aber sehr ungewohnt war, protestierte Chacham Zvi dagegen und von da an sprach Rabbi Jehuda Hachassid nicht mehr vor Frauen.
Als sie an einem bestimmten Punkt ankamen, teilte sich die Gruppe. Ein Talmid Chacham, der unter dem Namen ‚Chaim Malach’ bekannt war, nahm ca. fünfhundert Leute mit sich, und schlug den Weg nach Eretz Israel durch Istanbul ein. Rabbi Jehuda Hachassid selbst ging mit dem restlichen Teil durch Italien. Die Beschwerden der Reise waren sehr groß, sowohl auf dem Land, als auch auf dem Schiff. Das ist auch daraus ersichtlich, dass während der Reise ca. fünfhundert Menschen ihr Leben verloren. Trotz allem verzagten diese erhabenen Menschen nicht und ließen sich davon nicht beeinflussen. Nach Rosch Haschana des Jahrs 5461 (1701), nachdem sie eineinhalb Jahre auf der Reise waren, erreichte die ganze Gruppe die Küste von Eretz Israel und am dritten Cheschwan trafen sie in Jeruschalaim ein. Die Rabbanim der Stadt empfingen sie. Im Sefer ‚Me’orot Natan’ wird es beschrieben: „Als wir zu den Vororten von Jeruschalaim kamen, zitterten alle Bewohner und Gelehrte. Alle dortigen Rabbanim freuten sich über den außergewöhnlichen Anblick einer so großen Gruppe von angesehenen Talmidei Chachamim, die so plötzlich angekommen ist. Alle freuten sich und tanzten ihnen entgegen.“
Während alle damit beschäftigt waren, sich während den ersten Tage etwas auszuruhen und einen geeigneten Wohnplatz zu finden, widmete sich Rav Jehuda Hachassid dem Finden eines geeigneten Beit Haknesset mit einem Hof im jüdischen Viertel und um den Erwerb dieser Stätte. Am Freitag, nachdem er in Jeruschalaim angekommen war, hatte er schon einen unterschriebenen Vertrag für den Erwerb des Grundstück in der Hand, das später unter dem Namen ‚Churvat Rabbi Jehuda Hachassid’ bekannt wurde. Dazu gehörte auch noch ein großes Stück Land, auf dem zweiundvierzig Zimmer zum Wohnen gebaut werden konnten. Diese Häuser wurden von den Arabern später ‚Dir al Aschkenas’ genannt.
Beim Eintritt des Schabbat fühlte sich Rabbi Jehuda Hachassid dann aber plötzlich nicht gut und brach auf seinem Bett zusammen. Er war nur noch teilweise bei Bewusstsein und wiederholte verschiedene Psukim der Tora. Man brachte schnell den frommen sefardischen Doktor, Rabbi Refael Mordechai Malchi zu ihm, der aber sagte, dass momentan nichts getan werden kann, und bis Mozei Schabbat gewartet werden müsse. Wie durch ein Wunder erwachte Rabbi Jehuda am Schabbat-Morgen wieder und fühlte sich besser; so beteiligte er sich am Gebet der Gemeinde. Als er aber nach dem Davenen nach Hause zurückkehrte, brach er noch einmal zusammen und fiel in einen tiefen Schlaf. Am darauffolgenden Montag verließ die Neschama seinen Körper.
Alle Jehudim von Jeruschalaim nahmen an seiner Lewaja teil. Er wurde in einer großen Höhle, am Hang des Har Hasetim, begraben, in der Nähe des Grabs von Secharia Hanavi. Im gleichen Jahr starben auch seine Frau und sein Sohn.
Im Sefer ‚Toldot Chachme Jeruschalaim’ steht über diese Höhle Folgendes: „Es ist eine Überlieferung von den Ältesten von Jeruschalaim, dass dort die Gebeine von Rabbi Jehuda Hachassid und verschiedenen, ausgewählten Talmidim von ihm begraben wurden. Die Höhle ist etwas Außergewöhnliches. Sie wurde in den Felsen gehackt und in ihren Wänden befinden sich geschlossene Löcher. Insgesamt gibt es dort sechzig solche Löcher, die verschlossen sind. Alle heiligen Chachamim, die an diesem heiligen Ort begraben sind, sind Bnei Aschkenas.“
Nach dem Sechstagekrieg wurde diese Höhle durch Rav Jisrael Gellis entdeckt.