Die Segenssprüche, welche bei der Hochzeit eines jüdischen Paares gesagt werden, sind ein häufig gesprochenes Gebet. Nichtsdestoweniger ist der Inhalt dieser Brachot nicht leicht verständlich und bedarf genauerer Erklärung.
Die erste ergiebige Quelle über die Birkat Chatanim findet sich in Ketubot 7a. Dort wird uns über die Lesart der Segenssprüche bei einer Hochzeit sowie über deren genaueren Vorschriften berichtet. Diese Segenssprüche werden in Birkat Ejrusin und Birkat Nisuin unterteilt. Zum besseren Verständnis derselben folgt hier eine kurze Definition der vier Begriffe Ejrusin, Kidduschin, Nisuin und Chuppa.
1. „אֵרוּסִין“
abgeleitet vom Worte ארס = sich binden, verketten.[1] Diese Bindung von Mann zu Frau wird durch den Erwerb der Ehegattin, welche man sich anheiligt, ausgeführt und mit dem Begriff —
2. „קִדּוּשִׁין“
bezeichnet. Dies ist also der Erwerbsakt, mit welchem man sich seine Gattin zueignet. Dies kann auf drei Arten geschehen: 1. mit dem Geld, 2. mittels einer Erwerbsurkunde und 3. durch Beischlaf. Letztere Erwerbungsart ist heute nicht mehr zulässig und wird sogar mit Makat Mardus – Züchtigungs- oder Empörungshieben – bestraft[2]. Vom Moment der Ejrusin an untersteht die Frau sowohl dem Vater als auch dem Bräutigam. So können Vater mit Verlobtem ein Gelübde auflösen. In der Regel lässt man bei einer Jungfrau von der Verlobung, den Ejrusin an, zwölf Monate zu Vorbereitung der Hochzeit verstreichen. Während dieser Zeit, wie überhaupt bevor die Birkat Nisuin gesprochen wurden, ist die Verlobte dem Manne wie eine Niddoh verboten. Ob dies ein Verbot von der Tora oder ein Derabbanan ist, darüber streiten die Rischonim.
Ejrusin und Kidduschin sind also zwei eng miteinander verbundene Begriffe. Anlässlich der Verlobung wird ein Segensspruch, die Birkat Ejrusin, gesprochen.
3. „נִשּׂוּאִין“
(von נשא = erheben) = Hochzeit; die Zu-sich-Erhebung der Frau erfolgt nach stattgefundener Frist und wird mit den Birkat Nisuin eingeleitet. Sie ist ferner dadurch charakterisiert, dass der Ehegatte die Frau in sein Gemach führt. Der Begriff —
4. „חוּפָּה“
(von חפה = umhüllen, bedecken) entspricht also nicht dem Baldachin, welcher über die Häupter der Ehegatten gehängt wird, sondern verkörpert das Gemach des Bräutigams, das früher meist mit Teppichen und schönen Tüchern ausgekleidet war.
Der eben geschilderte Ablauf der Verlobung und Hochzeit wurde bis nach der Zeit der Geonim, bis zum Mittelalter, durchgeführt. Seit damals jedoch werden Ejrusin, heute durch die Birkat Ejrusin — und Nisuin ihrerseits durch die Birkat Nisuin symbolisiert, in einem Akte abgehalten, wobei das Brautpaar unter die sogenannte Chuppa tritt. Zuerst erfolgt die Benediktion der Verlobung, die Birkat Ejrusin, dann überreicht der Bräutigam der Frau den Ring (Erwerbungsakt = Kidduschin), worauf die Birkat Nisuin folgen und die Ehegatten nun aus einem zweiten Becher Wein trinken. Für die Birkat Nisuin wird die Anwesenheit von zehn Männern (Minjan) gefordert. Anschließend findet der Jichud (- Alleinsein) statt, welches sehr wahrscheinlich, nach oben erklärtem Sinn, der eigentlichen Chuppa entspricht.
A. בִּרְכַּת אֵירוּסִין
Birkat EIRUSIN
בָּרוּךְ אַתָּה ה‘, אֱלֹקֵינוּ, מֶלֶךְ הָעוֹלָם, אֲשֶׁר קִדְּשָׁנוּ בְּמִצְוֹתָיו, וְצִוָּנוּ עַל הָעֲרָיוֹת, וְאָסַר לָנוּ אֶת הָאֲרוּסוֹת, וְהִתִּיר לָנוּ אֶת הַנְּשׂוּאוֹת לָנוּ, עַל יְדֵי חֻפָּה וְקִידּוּשִׁין. בָּרוּךְ אַתָּה ה‘, מְקַדֵּשׁ עַמּוֹ יִשְׂרָאֵל עַל יְדֵי חֻפָּה וְקִידּוּשִׁין.
„Gelobt seist Du, Ewiger, unser G-tt, König der Welt, der uns mit seinen Geboten geheiligt hat und uns die Ehegebote befahl, die Verlobten uns verboten und die bereits geheirateten Frauen durch Chuppa und Kidduschin erlaubt hat, Gelobt seist Du, Ewiger, der sein Volk Jisrael durch Chuppa und Kidduschin heiligt.“
Den Urtext dieses Segenspruches finden wir in der Gemara[3] und auch Ramban zitiert diese Bracha in den bereits erwähnten Hilchot Ischus[4]. Beim Durchlesen dieses Segenspruches drängen sich verschiedene Fragen auf.
So weist bereits der Rosch auf folgende Unklarheiten hin:
l. Es wäre bedeutend einfacher, wenn die Bracha lauten würde:“ Gelobt seist Du, Ewiger, . . . der uns befohlen hat, eine Frau anzuheiligen“ (לְקַדֵּשׁ הָאִשָּׁה).
2. Ein weiterer Segenspruch, in welchem man G-tt preist, weil er uns etwas verboten hat (weassar lanu et haejrusin), ist nicht bekannt.
3. Weshalb werden hier die verbotenen Ehen (Arajot) erwähnt?
4. Nachdem diese Bracha die Birkat Ejrusin darstellt, ist es doch unverständlich, wieso Chuppa als Teil der Nisuin darin erwähnt wird.
Dieser schwerwiegenden Fragen wegen erklärt der Rosch, dass der Segenspruch sich gar nicht auf den Verlobungsakt bezieht, sondern lediglich eine Preisung von Hakadosch Baruch Hu darstellt, welcher uns die Mitzwa von פְּרוּ וּרְבוּ, der Vermehrung der Menschen unter den bekannten Einschränkungen (Arajot), geboten hat. Folglich stellt diese Bracha die Huldigung für den ganzen Eheakt von Kidduschin und Chuppa dar. Die Konsequenz dieser Meinung von Rosch ist, dass man bei Ehelichung eines Ehepartners, der die Mitzwa von Pru Urewu bereits erfüllt hat, diesen Segenspruch nicht sagt, (z. B. bei der Ehelichung einer Witwe mit Kindern).
Die meisten andern Kommentatoren wollen jedoch diesen Segenspruch direkt auf die Verlobung bezogen wissen.
Rambam hat z.B. folgende Leseart: וְהִבְדִּילָנוּ מִן הָעֲרָיוֹת (also nicht „Weziwanu al Hoarajot“), d. h. der uns durch gewisse Eheverbote ausgezeichnet und abgesondert hat.
Der Ausdruck וְצִוָּנוּ עַל הָעֲרָיוֹת bedeutet, dass dieses Gebot nie aufgelöst werden kann, im Gegensatz וְאָסַר לָנוּ אֶת הָאֲרוּסוֹת, wobei dieses Verbot durch die Hochzeit aufgehoben wird. Wie bereits erwähnt, ist eine Arusa wie eine נִדָּה, wenn vielleicht auch nur von unseren Weisen, verboten. Es ist jedoch nicht selten, dass man auch über rabbanitische Anordnungen eine Bracha macht, wie z.B. Ner Chanukka, Megila.
Nach andern Erklärern ist das וְצִוָּנוּ עַל הָעֲרָיוֹת in dem Sinne zu verstehen, dass Er, der Ewige, geboten hat, es nicht zu tun, wenn auch das „Nicht-Tun“ nicht ausgesprochen wird. Das gleiche finden wir ja in Dewarim[5]: „Hütet euch, dass ihr nicht vergesset den Bund eures G-ttes, welchen Er mit euch geschlossen, und ihr etwa ein gehauenes Bild anfertigen würdet, wie es euch der Ewige, euer G-tt befohlen hat.“ — wobei auch hier hinzufügen ist: „befohlen hat, es nicht zu tun.“אֶת הַנְּשׂוּאוֹת לָנוּ bedeutet, die anwesenden bereits geehelichten Frauen.
ע“י חֻפָּה וְקִדּוּשִׁין, das heißt, durch die Chuppa, welche die Kidduschin abschließen.
Nach den oben ausgeführten Definitionen jedoch sind Chuppa und Kidduschin zwei völlig voneinander getrennte Begriffe. Der Baal Ha’itur und der Rif lesen deshalb חֻפָּה בְּקִדּוּשִׁין (mit einem בְּ), d. h. die Chuppa, welche zum Erwerb der Frau, den Kidduschin, den Abschluss bildet.
Über den Abschluss der Bracha existieren viele verschiedene Lesarten, wie etwa nur מְקַדֵּשׁ יִשְׂרָאֵל.
Bis dahin die Birkat Ejrusin. Es ist vielleicht noch zu beachten, dass dieser Segenspruch eine Bracha Arucha ist, d. h. sowohl mit Baruch beginnt als auch mit Baruch schließt, was auch auf einen in sich abgeschlossenen Segenspruch hinweist.
B. בִּרְכַּת נִשּׂוּאִין
BIRKAT NISUIN
Diese umfassen die 7 Segensprüche = שֶׁבַע בְּרָכוֹת, welche auch den Segenspruch über den Wein „Bojre Pri Hagafen“ einschließt. Nach manchen unseren Weisen sind diese Segensprüche bereits in der Tora angedeutet, in Bereschit[6], וִיבָרְכוּ אֶת רִבְקָה “und sie segneten Riwka”, da sie als Braut zu Jitzchak zog.
בָּרוּךְ אַתָּה ה‘, אֱלֹקֵינוּ, מֶלֶךְ הָעוֹלָם, שֶׁהַכֹּל בָּרָא לִכְבוֹדוֹ.
„Gelobt seist Du… der alles zu seiner Ehre geschaffen hat“, vergl. Jeschaja[7], „alles was durch meinen Namen genannt wird, habe ich zu meiner Ehre geschaffen, geformt und auch ausgeführt“. שֶׁהַכֹּל בָּרָא לִכְבוֹדוֹ entspricht also dem לִכְבוֹדִי בְּרָאתִיו. Dieser Segenspruch ist eine allgemeine Preisung von Hakodoisch Baruch Hu. Nach der Meinung von Raschi wird diese Bracha nicht im Zusammenhang mit der eben stattgefundenen Vereinigung gesprochen, sondern man benützt die Anwesenheit der vielen versammelten Menschen, um G-tt zu loben.
Auch bei andern größeren Menschenansammlungen wäre dieser Segenspruch angezeigt, z.B. bei einer Lewaja, er wird jedoch nur dann gesprochen, wenn man zugleich einen Segenspruch über den Wein macht. (vergl. auch Boire Minej Besamim beim Hawdala-Becher). Andere Kommentatoren, wie z.B. der Rema sehen den Zweck der Schöpfung gemäß dem Passuk in Jeschaja[8]: „Nicht öde hat Er sie (die Erde) geschaffen, sondern um sie zu bewohnen». Der Zweck alles Daseins liegt also in der Mitzwa von פְּרוּ וּרְבוּ; somit ist die Verbindung zu dem eben geschlossenen Eheakt vorhanden.
בָּרוּךְ אַתָּה ה‘, אֱלֹקֵינוּ, מֶלֶךְ הָעוֹלָם, יוֹצֵר הָאָדָם.
„Gelobt seist Du … der den Menschen geschaffen hat.“
Der Ausdruck יצר entspricht dem oben im Passuk von Jeschaja zitierten יְצַרְתִּיו, während, wie schon erwähnt, die obenstehende Bracha sich auf den vorangehenden Ausdruck בְּרָאתִיו bezieht.
Auch dieser Segenspruch gehört nach Raschi nicht zu denen, welche sich auf das Brautpaar beziehen. Interessanterweise schließen diese beiden Segensprüche im Gegensatz zu den fünf folgenden nicht mit Baruch, wodurch vielleicht die Erklärung von Raschi bestätigt wird, dass sie anders als die übrigen, nicht zu den בִּרְכַּת הַזִּוּוּג Segensprüchen, die dem Brautpaar zugedacht sind, gehören.
בָּרוּךְ אַתָּה ה‘, אֱלֹקֵינוּ, מֶלֶךְ הָעוֹלָם, אֲשֶׁר יָצַר אֶת הָאָדָם בְּצַלְמוֹ, בְּצֶלֶם דְּמוּת תַּבְנִיתוֹ, וְהִתְקִין לוֹ מִמֶּנּוּ בִּנְיַן עֲדֵי עַד. בָּרוּךְ אַתָּה ה‘, יוֹצֵר הָאָדָם.
„Gelobt seist Du … der den Menschen in seiner Form geschaffen hat, in der Form der Gestalt seines Modells, und ihm davon einen ewigen Bau zugeordnet hat. Gelobt seist Du, Ewiger, der den Menschen bildet.“
Diese Bracha stellt den Anfang der „Birkat Hasiwwug“ der Segensprüche über die Vereinigung dar, wobei man dem Allmächtigen dafür dankt, dass Er Mann und Weib mit Seele und Verstand geschaffen hat. Wie bereits betont, beginnt und schließt dieser Segenspruch mit „Baruch ato…“
הָאָדָם בְּצַלְמוֹ in Anlehnung des Satzes in Bereschit[9]: „Lasst uns einen Menschen in unserer Gestalt nach unserer Form machen.“
בְּצֶלֶם דְּמוּת תַּבְנִיתוֹ die Übersetzung dieser Worte ist recht problematisch und hat zu großen Diskussionen unter jüdischen Philosophen geführt. Bereits der Rambam weist in seinem Mojre Newuchim, am Anfang des Buches, darauf hin. תַּבְנִיתוֹ nach seinem Modell bezieht auf Hakadosch Baruch Hu und nicht etwa auf den Menschen. Der Mensch wurde nicht in der für ihn — den Menschen — gewünschte Form gebracht, sondern nach dem Plan und nach dem Ratschlag des Schöpfers der Welt.
וְהִתְקִין לוֹ ihm, dem Menschen wurde die Anordnung zuteil אֶעֱשֶׂה לּוֹ עֵזֶר כְּנֶגְדּוֹ ich werde ihm eine Hilfe schaffen.
בִּנְיָן עֲדֵי עַד entsprechend dem Ausdruck in Bereschit[10]: …וַיִּבֶן אֶת הַצֵּלָע „und G-tt der Ewige baute die Seite…“עֲדֵי עַד = einen ewigen Bau, damit ist die Erhaltung des Menschengeschlechts gemeint.
Auch dieser Segenspruch schließt mit יוֹצֵר הָאָדָם, um uns zu lehren, dass jeder Mensch sowohl männliche, wie auch weibliche Potenzen besitzt.
שׂוֹשׂ תָּשִׂישׂ וְתָגֵל הָעֲקָרָה, בְּקִבּוּץ בָּנֶיהָ לְתוֹכָהּ בְּשִׂמְחָה. בָּרוּךְ אַתָּה ה‘, מְשַׂמֵּחַ צִיּוֹן בְּבָנֶיהָ.
„Freuen und frohlocken möge die Fruchtlose, wenn sich ihre Kinder in ihrer Mitte versammeln, gelobt seist Du, Ewiger, welcher Zijon durch seine Einwohner erfreut.“
Diese Bracha schließt wohl mit Baruch, ohne jedoch damit zu beginnen, übrigens wie auch die nächste, um den innern Zusammenhang verstehen zu lassen, dass es keine Freude ohne Erinnerung an Jeruscholajim, die zur Zeit kinderlose Stadt, gibt.
שׂוֹשׂ תָּשִׂישׂ bezieht sich also auf unsere zerstörte Hauptstadt und erinnert an den Passuk in Tehillim[11]: „Es möge kleben bleiben meine Zunge an meinem Gaumen, wenn ich Jeruscholajim nicht erwähne und wenn ich Jeruscholajim bei meiner Freude nicht in meine Erinnerung hebe.“ Die Freude Jeruschalajims wird ja auch mit derjenigen von Chatan und Kalla verglichen. So sagt uns Jeschaja Hanawi[12]: „Wie die Freude von Braut und Bräutigam, so wird auch die Freude des Ewigen (mit Jeruscholajim) sein.“
Bezüglich der verschiedenen Ausdrücke der Freude siehe die letzte Bracha.
הָעֲקָרָה (die Unfruchtbare) damit ist Jeruscholajim gemeint, wie Jeschaja[13] ausruft: רָנִי עֲקָרָה (“erfreue dich, die Unfruchtbare”).
בְּקִבּוּץ בָּנֶיהָ; auch hier ist eine Anlehnung an den Satz 7 des bereits erwähnten Kapitels וּבְרַחֲמִים גְּדֵלִים אַקָּבְצְךָ.
מְשַׂמֵּחַ צִיּוֹן בְּבָנֶיהָ die Bracha schließt gleich wie ein Segenspruch der Haftoro; Jeruscholajim erfreut sich erst dann, wenn seine Bewohner, eingeschlossen Chatan und Kalla, in ihrer Mitte weilen.
שָׂמֵחַ תִּשְׂמַח רֵעִים הָאֲהוּבִים, כְּשַׂמֵּחֲךָ יְצִירְךָ בְּגַן עֵדֶן מִקֶּדֶם. בָּרוּךְ אַתָּה ה‘, מְשַׂמֵּחַ חָתָן וְכַלָּה.
„Immer wieder erfreuen mögest Du die geliebten Freunde, genau wie Du (Ewiger) Dein Geschöpf im Garten Eden erfreutest, gelobt seist Du, Ewiger, der Chatan und Kalla erfreuen lässt.“
הָרֵעִים הָאֲהוּבִים damit ist das Brautpaar gemeint, deshalb auch הרעים mit dem bestimmten Artikel, die bestimmten Freunde, nämlich Chatan und Kalla.
כְּשַׂמֵּחֲךָ יְצִירְךָ genau wie G-tt seinerzeit Adam Horischoin im Gan Eden mit der Erschaffung von Chawa erfreute.
Die beiden letzten Brachot stellen Bitten dar, indem wir G-tt um die Wiedererrichtung seiner Hauptstadt wie auch um den Segen für Chatan und Kalla bitten. Es ist daher gut verständlich, dass die Bracha schließt מְשַׂמֵּחַ חָתָן עִם הַכַּלָּה (Chatan Mit der Kalla) und nicht etwa מְשַׂמֵּחַ חָתָן וְכַלָּה wie in der letzten Bracha, da wir den Segen sowohl für Braut und Bräutigam erbitten.
בָּרוּךְ אַתָּה ה‘, אֱלֹקֵינוּ, מֶלֶךְ הָעוֹלָם, אֲשֶׁר בָּרָא שָׂשׂוֹן וְשִׂמְחָה, חָתָן וְכַלָּה, גִּלָּה רִנָּה דִּיצַהּ וְחֶדְוָה, אַהֲבָה וְאַחֲוָה וְשָׁלוֹם וְרֵעוּת. מְהֵרָה, ה‘ אֱלֹקֵינוּ, יִשָּׁמַע בְּעָרֵי יְהוּדָה וּבְחֻצוֹת יְרוּשָׁלַיִם, קוֹל שָׂשׂוֹן וְקוֹל שִׂמְחָה, קוֹל חָתָן וְקוֹל כַּלָּה. קוֹל מִצְהֲלוֹת חֲתָנִים מֵחֻפָּתָם, וּנְעָרִים מִמִּשְׁתֵּי נְגִינָתָם. בָּרוּךְ אַתָּה ה‘, מְשַׂמֵּחַ הֶחָתָן עִם הַכַּלָּה.
„Gelobt seist Du, … welcher Wonne und Freude wie Chatan und Kalla erschuf, Frohlocken, Jubel, Jauchzen, Freudgesang, Liebe und Einigkeit und Friede wie auch Kameradschaft. Bald möge der Ewige, unser G-tt, in den Städten Jehudas und Jeruscholajims die Stimme der Wonne und die Stimme von Freude, die Stimme von Bräutigam und die Stimme von Braut, die Stimme des Frohlockens der Ehegatten von ihrem Gemach und der Knaben von ihrem Singgelage ertönen lassen, gelobt seist Du, Ewiger, der den Bräutigam mit der Braut erfreuen lässt.“
Die zehn verschiedenen Ausdrücke der Freude und der Kameradschaft beziehen sich alle auf Chatan und Kalla. Man muss also lesen: „Freude und Jubel des Chatan und der Kalla, Friede und Kameradschaft des Chatan und der Kalla“. Als ob alle diese Ausdrücke mit einem של mit Chatan und Kalla verbunden wären.
Die verschiedene Ausdrücke der Freude lassen die Vielfalt und die Nuancierung unserer heiligen Sprache erkennen.
שָׂשׂוֹן bedeutet die äusserlich sichtbare Freude.
שִׂמְחָה das ist die Freude von Dauer, welche längere Zeit anhält.
גִּלָּה dagegen bedeutet die plötzlich auftretende Freude, von vorübergehender Dauer.
רִנָּה verkörpert der zum Ausdruck gebrachte Freudeschrei.
דִּיצָה ist das oberflächliche Gelächter.
חֶדְוָה nterpretiert die innere Befriedigung nach überwundenem Schmerz.
In dieser Bracha finden wir alle Objekte der fünf vorangegangenen Brachot zusammengefasst.
Es wird in ihr die Erschaffung der Freude, die Bildung des Paares, wie auch das Andenken Jeruscholajims geschildert. Die 10 Ausdrücke der Freude lehnen sich an den Midrasch, der berichtet, dass der Allmächtige Adam und Chawa 10 Brautgemächer anfertigte.[14]
Der ganze zweite Teil dieser Bracha ist aus Jirmijahu[15] entnommen: „In den Städten Jehudas und in den Höfen Jeruscholajims, die von Mensch, Bewohner und Tier jetzt leer sind, wird man die Stimme von Freude und Jubel, die Stimme von Chatan und Kalla vernehmen…“
וּנְעָרִים מִמִּשְׁתֵּי נְגִינָתָם und die Knaben von ihrem Singgelage.
In Megillat Eicha[16] steht בַּחוּרִים מִנְּגִינָתָם Jünglinge von Ihrem Singen, doch bei den Jünglingen wird dies mit der Zerstörung von Jeruscholajim in Zusammenhang gebracht, da aus einem solchen Singgelage leicht Ausschweifung hervorgehen kann, deshalb steht auch abgeändert in unserem Segenspruch נְעָרִים Knaben.
Wie bereits zitiert, ist hier die abschließende Bracha „Gelobt seist Du, Ewiger, der den Bräutigam mit der Braut erfreuen lässt“, da hier die Freude des Ehegatten an seiner Auserwählten gepriesen wird.
Die Bracha analog wie Birkat Ejrusin beginnt und schließt mit Baruch, um auch auf ihre Selbständigkeit hinzuweisen. So wird denn dieser Segensbruch als einziger gesagt, wenn z. B. bei den Schewa Brachot keine neuen Gästen = פָּנִים חֲדָשׁוֹת anwesend sind.
Zum Schluss sei noch die Gemara in Brachot[17] zitiert:
Rabbi Chelbo sagt im Namen des Raw Huna: Jeder, der von dem Gastmahl des Chatans genießt und ihn nicht erfreut, vernachlässigt die fünf קוֹלוֹת, die wir in der letzten Bracha finden. Jedoch derjenige, der das Brautpaar erfreut, so sagt R. Jehoschua ben Lewi, geniesst damit die Vorzüge der Tora, welche auch mit 5 קוֹלוֹת gegeben wurde[18]. Abudraham will dies so verstanden wissen: Dadurch, dass man das Brautpaar erheitert, erweckt man die Freude am זִיווּג (ehelichen Beziehungen) und an der Fortpflanzung, von der Bnei Tora erwartet werden. Und so wird denn auch derjenige, der diese Freude auslöst, מִדָּה כְּנֶגֶד מִדָּה den Lohn und die Freude der Tora bei sich erfahren.
- Vergleich Schemot 22,15; Hoschea 2,21 ↑
- Rambam, Hilchot Ischut 3,21 ↑
- Ketubot 7b ↑
- Kapitel 3 ↑
- 4,23 ↑
- 24,60 ↑
- 34,7 ↑
- 45,18 ↑
- 1,26 ↑
- 2,22 ↑
- 137,6 ↑
- 62,5 ↑
- 54,1 ↑
- Bereschit Rabba 18,1 & Gemara Bawa Batra 75a ↑
- 33,10 & 11 ↑
- 5,14 ↑
- 5b ↑
-
Siehe Schemot 19,16 ↑