Der lichtspendende Leuchter – Die Pflichten Seinen Kindern gegenüber – Teil 1

Datum: | Autor: Rabbi Jitzchak Abuaw SZL | Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag
Kinder
von Rabbi Jitzchak Abuaw SZL
Verarbeitet und übersetzt von Rabbiner Dr. S. Bamberger SZL
Rabbi Jitzchak Abuaw SZL war einer der Rischonim von Chachmei Sfarad, der am Anfang des 14. Jahrhunderts der allg. Zeitrechnung lebte. Wir publizieren ausgewählte Auszüge aus seinem berühmten Werk “Menorat Hamaor” – “Der lichtspendende Leuchter.”

Die Pflichten Seinen Kindern gegenüber – Teil 1

An vier Stellen schreibt die Torah uns vor, Familien zu gründen, und heilige Pflichten liegen uns ob den Kindern gegenüber, mit denen der Ewige uns begnadigt hat.

Den Vers (Ps. 55, 20), “die keinen Ersatz haben und G-tt nicht fürchten”, beziehen R. Joschua b. Levi und R. Jochanan, der eine auf denjenigen, der keinen Sohn zurückgelassen, der andere auf einen, der keinen Schüler ausgestellt hat. Das Letztere muß R. Jochanan gesagt haben, da er selbst das Unglück hatte, zehn Söhne zu verlieren, und stets einen Zahn des jüngsten mit sich trug, um mit ihm Trauernde zu trösten.

Von R. Joschua b. Levi wird aber doch auch berichtet, daß er nur dann ein Trauerhaus aufsuchte, wenn jemand kinderlos gestorben war, um der Klage zu entsprechen, (Jirmej. 22,10): “weinet nicht über einen Toten und beklagt ihn nicht, weinen sollt ihr über den, der dahingeht und nicht wiederkehrt, das ist derjenige, der keine Söhne aus Erden zurückgelassen hat”. Also hat R. Josua b. Levi den getadelt, der keinen Schüler erzogen, und nicht den, der keinen Sohn hat. Wir müssen daher annehmen, daß R. Jochanan beides gesagt hat, das eine als seine Ansicht, das andere als diejenige seines Lehrers R. Joschua b. Levi.

R. Pinchas b. Chama erklärte den Vers (I Kön. Il, 21), “Hadad hörte in Egypten, daß sich David zu seinen Vätern niedergelegt habe und daß Joab, der Oberste des Heeres, gestorben sei”. Warum wechselt die Ausdrucksweise zwischen David und Joab? David hatte einen Sohn, darum starb er nicht und legte sich nur zur Ruhe nieder, Joab starb, weil er keinen Sohn hatte. Von Joab heißt es aber doch (Esra 8, 9), “zu den Nachkommen Joaws gehörte Owadja b. Jechiel?” David hinterließ einen ebenbürtigen Sohn, Joab hatte dieses Glück nicht.

Darum widme man das Beste seiner Kräfte der körperlichen und geistigen Erziehung seiner Kinder, alles Schädliche von ihnen fernzuhalten, sie den Weg der Torah zu führen und sie so auszurüsten, daß auch sie wieder imstande sind, ihre Familien zu gründen.

(Kidduschin 29a) Der Vater ist verpflichtet, seinen Sohn zu beschneiden; ist er ein Erstgeborener, ihn auszulösen; mit ihm Torah zu lernen, ihn zu verheiraten und ihn in einem Berufe auszubilden, manche sagen, ihn auch das Schwimmen erlernen zu lassen. R. Jehuda sagt, wer seinen Sohn ohne Beruf heranwachsen läßt, macht ihn zu einem Wegelagerer.

(Kidduschin 82a) R. Nehorai sprach, ich lasse alle sonstigen Berufe und lerne mit meinen Söhnen nur Torah, deren Früchte werden sie in dieser Welt genießen, und das Stammgut bleibt ihnen für die Ewigkeit. Jeder andere Beruf nutzt dem Menschen nur, solange er jung ist und Kräfte hat; wird er aber krank und von Schmerzen heimgesucht und wird er alt, so kann er nicht arbeiten und stirbt des Hungers. Nicht so die Torah! Sie erzieht und bewahrt den Menschen vor allem Bösen in seiner Jugend und verleiht ihm Zweck und Zuversicht im Alter.

Und der Allgegenwärtige, gelobt sei Er, zeichnet die Frommen, nachdem sie in die Tage gekommen, noch mehr aus, als in ihren jungen Jahren, wie uns dies die Torah von den Stammvätern berichtet, die das Gesetz des Ewigen hüteten, noch ehe es am Sinai offenbart worden. Von den Jünglingen sagt die Schrift, (Jes. 40, 31) “die aus den Ewigen hoffen, gewinnen neue Kraft, sie schwingen sich empor gleich Adlern, eilen, ohne zu ermüden, schreiten dahin und ermatten nicht.” Und von den Greisen wird gerühmt, (Ps. 92, 15) “noch sprießen sie im Alter, bleiben markig und grün, zu künden, daß gerade ist der Ewige, mein Hort, und kein Fehl an Ihm!” <…>

Vor allem bemühe man sich, seinen Sohn schon in zarter Jugend in die Torah einzuführen, der Kraft und den Jahren des Kindes entsprechend.

Sobald es die ersten Worte hervorzubringen versteht, seien es heilige Laute aus unserer Schrift, man lehre es Verse, (Deut. 33,4) “die Torah hat Mosche uns geboten, das Erbgut der Gemeinde Jaakobs”, und “höre, Jisrael, der Ewige, unser G-tt,der Ewige ist einzig!” Das seien unserer Kinder Hebe und Erstlingsfrüchte vor dem Ewigen, und wenn im Worte die Schwingen ihres Geistes sich entfalten, so sei ihr Streben freudig dem Spender alles Lebens zugewandt.

Man spreche voll Liebe mit den jungen Schülern und schenke ihnen kleine Gaben, mit denen sie sich freuen, damit ihnen das Lernen nicht als Last erscheine und sie mit Lust zum Unterricht gehen. Wenn sie dann größer werden und an den Geschenken der ersten Kindheit keinen Gefallen mehr finden, so habe man andere für sie bereit, die geeignet sind, mit den Altersstufen steigend, den Eifer des Lernenden zu wecken und zu heben. Später kann man zum Schüler sagen, lerne, und du wirst im Lehrhaus einen hohen Rang einnehmen, du wirst mit dem Titel Rabbi gekrönt, werden und viel Ehre einheimsen. Bis man zu ihm sprechen kann, daß die Torah für den Garten Eden vorbereitet, und endlich der gereifte Jude selbst erkennt, wie die Lehre des Ewigen die Wahrheit und die Beschäftigung mit ihr der edelste Genuß und des Lebens höchste Köstlichkeit ist.

Dann wird er Torah in reiner Absicht lernen.

(Baba batra 21a) R. Jehuda sagt im Namen von Raw, in Wahrheit, zum Guten möge jenes Mannes gedacht werden, Joschua ben Gamla ist sein Name, wäre er nicht gewesen, so wäre die Torah in Jisrael vergessen worden. Früher war es so, wer einen Vater hatte, lernte bei seinem Vater. Wer keinen Vater hatte, der lernte auch nichts. Weil man sagte, (Deut. Il, 19) “lehret eure Kinder, davon zu sprechen”, den Vätern ist ausgetragen, ihre Söhne zu unterrichten. Dann traf man die Anordnung, Lehrer in Jeruschalajim anzustellen, wie die Schrift (Micha 42) sagt, von Zion geht die Lehre aus und das Wort des Ewigen von Jeruschalajim.

Doch nach der G-ttesstadt kam nur derjenige, für den sich ein Vater sorgend annahm; wer keinen Vater hatte, der blieb zu Hause. Da errichtete man Schulen in jeder Stadt für Knaben von sechzehn, siebzehn Jahren. Wenn aber der Lehrer mit einem derart schon erwachsenen Schüler schalt, widersprach ihm dieser und verließ ihn. Bis Joschua b. Gamla kam und veranlaßte, daß in jedem Ort ein Lehrer angestellt wurde und die Kinder schon mit sechs, sieben Jahren zur Schule geschickt wurden.

Raw sagte zu dem Lehrer R Schemuel b. Schilat, unter sechs Jahren nimm keine Kinder an, dann aber gib ihnen reichlich wie einem Mastochsen. <…>

Die Kinder, die schon lernen, sollen lernen; die noch nicht verstehen, sollen zuhören, wie die anderen lernen.

(Ketubot 50a) R. Jizchak sagte, in Uscha hat man angeordnet, bis zu zwölf Jahren habe man Geduld mit seinem Sohn, dann aber fasse man ihn stramm an. Raw lehrte aber doch, mit sechs Jahren gib ihm reichlich wie einem Mastochsen? Das bezieht sich auf den Unterricht in der schriftlichen Lehre, mit Mischna beginnt man erst später. Abai sagte, meine Pflegemutter riet mir, mit sechs Jahren beginne den Unterricht in der schriftlichen Tora, mit zehn Mischna, mit zurückgelegtem zwölften Jahr kann ein Knabe schon anfangen zu fasten, ein Mädchen ein Jahr früher.

Ein Ausspruch von Raw lautet, wer sein Kind vor sechs Jahren in die Torah einführt, wird sich bemühen, es zu kräftigen, und wird es nicht erreichen, weil die Torah seine Kraft geschwächt hat; manche sagen, seine Mitschüler werden ihm nachstreben und ihm nicht gleichkommen, weil das in der Jugend Erworbene nicht wieder verloren geht. Und beides ist richtig, das Erste spricht von einem schwachen Kinde, da muß man vorsichtig sein; das Letztere von einem kräftigen, das mehr ertragen kann.

(Kidduschin 30a) Wie weit ist man verpflichtet, seinen Sohn Torah zu lehren?

R. Jehuda antwortete im Namen von Schemuel, wie Sebulun ben Dan tat, mit ihm lernte sein Großvater Schrift und Mischna, Halachot und Agadot.

Chiskija, der König von Jehuda, war ein mächtiger und glanzvoller Herrscher, seine Liebe zur Torah war aber so groß, daß er selbst seinen Sohn aus der Schulter ins Lehrhaus trug, um ihn schon in frühester Jugend dem Lernen zu widmen. So wird in Berachot (10a) berichtet, R. Hamnuna erklärte den Vers (Koh. 8, 1), “wer ist dem Weisen gleich und wer versteht die Gegensätze zu versöhnen?” Wer ist dem Heiligen, gel. sei Er, gleich, der jene zwei Gerechten miteinander aussöhnnte, Chiskija und Jeschaja. Chiskija hatte nämlich bis dahin gesagt, der Prophet muß den König besuchen, wie auch Elija sich zu Achab begab. Jeschaja seinerseits sagte, der König muss zu mir kommen, denn auch Jehoram, der Sohn Achabs, wandte sich an Elischa. Jeschaja sollte nämlich den König Chiskija zurechtweisen, weil er nicht geheiratet hatte.

Was tat der Heilige, gelobt sei Er? Er sandte Chiskija Schmerzen und sagte zu Jeschaja, geh’, besuche den kranken König. So heißt es, II Kön. 20,1) “in jenen Tagen erkrankte Chiskijahu zum Tode, da begab sich zuilnn Jeschajahu, Sohn von Amoz, der Prophet, und sagte zu ihm, so spricht der Ewige, bestelle dein Haus, denn du stirbst und wirst nicht leben.” Du stirbst in dieser Welt, und auch in jener Welt wirst du nicht leben. Erschreckt fragte Chiskija: Warum?

Und Jeschaja antwortete, weil du keine Familie gegründet und keine Nachkommen hast.

Chiskia sagte, prophetischer Geist hat mir verkündet, wenn Kinder dir entstammen, werden sie nicht gut sein. Doch Jeschaja erwiderte ihm, brauchst du in die Geheimnisses des Ewigen einzudringen? Du hast deine Pflicht zu tun, die dir vorschreibt, eine Familie zu gründen, und was vor dem Ewigen, gelobt sei Er, recht ist, das möge Er tun. Chiskia sagte, gib mir deine Tochter zur Frau, vielleicht werden deine und meine Verdienste dazu beitragen, daß gute Kinder uns geschenkt werden. Doch Jeschaja erwiderte, der Tod ist bereits über dich beschlossen!

Da sprach voll Zuversicht der König Chiskia:

Sohn von Amos, das letzte Wort, das du gesagt hast, gehört nicht mehr zu G-ttes Auftrag. Denn so besteht die Überlieferung seit meinem königlichen Ahnherrn David, selbst wenn ein scharfes Schwert drohend über des Menschen Haupt gezückt ist, verzweifle er doch nicht an G-ttes Erbarmen; so sagte Job (13, 15), “auch wenn Er mich tötet, harre ich Seiner”.

R. Chanan lehrte, sollte der Engel der Träume zum Menschen sprechen, morgens mußt du sterben, so gebe erdoch nicht die Hoffnung auf Erbarmen auf, denn (Koh.5,i 6) “wenn sich auch Träume mehren und Nichtigkeiten mit vielen Worten, du sollst nur G-tt fürchten!” Sofort wandte Chiskia sein Angesicht zur Wand und betete. Und der Ewige ließ ihm durch Jeschaja verkünden, Ich habe dein Gebet erhört und deine Tränen gesehen; siehe, Ich heile dich, am dritten Tage wirst du zum Haus des Ewigen hinaufgehen. Ich werde zu deinen Tagen fünfzehn Jahre hinzufügen und aus der Hand des Königs von Aschur dich erretten und diese Stadt, und schirmen diese Stadt um meinetwillen und meines Knechtes Davids willen.

(Mischle 22, 6) “Gewöhne den Knaben am Eingang des Weges, auch wenn er alt wird, weicht er nicht mehr davon.”

Die Unterweisung und Gewöhnung an die Gebote und die Charakterbildung sollen schon in frühester Jugend beginnen, daß sie zur Natur werden, dann bleiben sie gewiß im Alter dem Menschen treu, wenn die Begierden schweigen, weil das Blut ruhiger geworden, und die Tage gekommen, an denen der Mensch kein Wohlgefallen hat.

Wenn du aber den Knaben am Eingang seines Weges sich selbst überlässt, daß er ohne nützliche Beschäftigung seinen Trieben nachgehen kann, und du trittst ihm nicht da entgegen, ihn ernst zu erziehen, so wird er im Alter nicht mehr zu bessern sein, weil sein sündhafter, unvernünftiger Wandel schon so eingewurzelt ist, daß er nicht leicht mehr zu entfernen ist. (Koh.11,9) “Freust du dich, Jüngling, deiner Jugend, ist dein Herz froh in den Tagen deines Frühlings und du folgst den Trieben deiner Sehnsucht und den Bildern deiner Augen, so wisse, für all dies bringt G-tt dich ins Gericht. Entfernst du den Zorn aus deinem Herzen, so bewahrst vor Unheil du dein Fleisch, denn Jugend und Mannesalter, sie sind eitel.”

Fortsetzung folgt ijH

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