Pfade zur Erziehung – Wer braucht Hausaufgaben?

Datum: | Autor: Rav Matityau Salomon | Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag
Hausaufgaben

Rabbi Matisjohu Salomon ist Maschgiach Ruchani (geistiger Aufseher) der berühmten Jeschiwa „Beth Medrasch Govoha“ in Lakewood, New Jersey. Er ist ein Schüler von Rabbi Elijahu Lopian SZL.

Fortsetzung

Kap. 6: Eine Erfindung namens Hausaufgaben

Damit meine ich die moderne Erfindung „Hausaufgaben“. Im Gegensatz zu dem was man vielleicht denkt, ist mehr als eine ganz geringe Menge Aufgaben kein positiver Beitrag zu Chinuch. Aufgaben heutzutage werden immer komplizierter und ausführlicher. Viele Kinder können diese Aufgaben nicht mehr ohne Hilfe ihrer Eltern bewältigen.

Ich sah kürzlich eine Aufgabe, die vom Kind verlangte, jede Erwähnung von Datan und Awiram in Chasal zu finden. Für wen war diese Aufgabe bestimmt – für das Kind oder die Eltern? Und nicht einmal alle Eltern sind dem gewachsen!

Und noch mehr: Da solche Aufgaben die Kinder unnötigem Druck und Stress aussetzen, können solche Hausaufgaben unwillkommene Störungen der heimatlichen Welt sein.

Sie zwingen Eltern in die Rolle von Lehrern. Wie sollen Eltern mit sechs Kindern etwas zuhause erledigen können, wenn sie jeden Abend viele Stunden mit den Aufgaben ihrer Kinder verbringen müssen? Und was geschieht, wenn die Eltern es einfach nicht schaffen? Was geschieht dann?

Sie müssen jemanden anstellen, um mit den Kindern die Aufgaben zu machen und die Kosten können unerschwinglich sein. Es fällt vielen Familien schon heute schwer, das Schulgeld zu zahlen. Sie brauchen keine zusätzliche finanzielle Last.

Es wäre besser, wenn Aufgaben – wenn man diese schon braucht – nur das Material wiederholen, welches das Kind im Klassenzimmer gelernt hat, Material, für das es keine Hilfe von Seiten der Eltern benötigt. Und die Zeit für Aufgaben sollte limitiert sein. Schulen stehen zwar unter Druck, viele Aufgaben zu geben, da sie sich ambitionierte Ziele gesetzt haben. Aber vielleicht wäre es besser, wenn Kinder ein bisschen weniger lernen und dafür mehr Zeit haben, Kinder zu sein und ihre Kindheit zu genießen.

Im traditionellen System des Chinuch war die Schule ein Ort, wo das Kind lernte, und das Zuhause war der Ort, wo das Kind alles andere tat.

Es war der Ort, wo es spielte, wo es ass, wo es schlief, wo es seiner Mutter half, wo es sich entspannte. War das Kind soweit, dass es selber lernen konnte, mehr als was es in der Schule gelernt hatte, so ging es freiwillig ins Bet Hamidrasch. Es ist sehr fragwürdig, von einem Kind zu verlangen, Hausaufgaben zu machen.

Wie wir im Namen von Rabbeinu Jonah erwähnt haben, sollte das Zuhause der sichere Hafen des Kindes sein, der Ort, wo es mit Liebe und Rachmanut begrüßt wird. Das Haus ist ein Ort, wo es Liebe für die Torah erwirbt, weil dort seine Beziehung zu Torah in einer positiven Art abgerundet wird. Die Schule ist ein „Ort des Drucks“, und das Haus ist, wo es gelobt und dafür belohnt wird, dass es sich in der stressreichen Schule angestrengt hat.

Doch wenn der Stress weitergeht, wenn das Kind nach Hause kommt, wenn es sich hinsetzen und die Aufgaben erledigen muss, obwohl es stattdessen spielen und sich entspannen will, so wird es möglicherweise seinen Enthusiasmus fürs Lernen verlieren und dies übelnehmen.

Besonders mit Gemara Aufgaben kann es sehr heikel werden. Wenn ein Vater mit seinem Sohn Gemara lernt, so muss er dies zu einem angenehmen Erlebnis machen, sonst ist der Schaden viel größer, als jeglicher mögliche Nutzen. Auch wenn das Kind schließlich die Gemara kennt, so ist der Preis, der dafür in Wut und Unmut gezahlt wurde, viel zu hoch. Es hat vielleicht dieses Stück Gemara gelernt, doch es wird die Gemara nicht lieben. Es wird sie als Ursache für Qual und Frust sehen.

Wenn der Vater das Gemara Lernen mit seinem Sohn nicht angenehm gestalten kann, wenn er kein guter Lehrer ist, wenn er zu müde ist nach einem langen Tag bei der Arbeit oder was immer der Grund sein mag, so ist es besser, dass er alles verkaufen soll, um einen begabten Lehrer anzustellen. Das ist besser, als wenn er es selber tut. Denn viele Väter sind unfähig mit ihren Söhnen zu lernen.

Das Kind ist manchmal zu nervös, dass der Vater wütend werden wird, wenn es den Stoff nicht kann. Oft kann es vorkommen, dass ein Kind, das mit seinem Vater lernt, in Tränen ausbricht, obwohl dies fast nie bei einem Lehrer geschieht.

Das Lernen mit einem Kind kann eine komplizierte und emotional geladene Situation sein, und wenn dies so ist, so ist es am besten, dass man sie vermeidet.

Die Mizwa, mit seinem Sohn zu lernen, kann auch erfüllt werden, indem man jemanden anstellt, um dies zu tun. Ich würde sogar sagen: wenn es mit dem Vater nicht funktioniert, so ist es sogar eine Mizwa, dass der Vater nicht mit seinem Sohn lernt.

Ein Vater fragte einmal Raw Jaakow Kamenetsky um Rat. Er arbeite sehr schwer, sagte er, und er habe zwei Stunden am Abend, in denen er lernen könne. Nur das und nicht mehr. Er würde sich gerne eine Chawruta nehmen und während diesen zwei Stunden auf einem hohen Niveau lernen, wie er es tat, als er noch in der Jeschiwa war. Er hatte aber auch einen Sohn, der Hilfe beim Lernen brauchte. Er könnte mit seinem Sohn lernen. Es könnte funktionieren, doch wenn er statt mit einer Chawruta mit seinem Sohn lernte, so würde sein Lernen auf einem viel niedrigeren Niveau sein. Was sollte er tun?

Raw Jaakow beauftragte ihn, sich eine Chawruta zu nehmen und einen Lehrer für seinen Sohn zu finden. Und dann fügte er einen sehr aufschlussreichen Kommentar hinzu: „Wenn du dir eine Chawruta nimmst und mit dieser zu Hause lernst”, sagte er, „und das Lernen geht mit echtem ‚Geschmack‘, so wirst du viel im Chinuch deines Sohnes erreichen. Du wirst ihm zeigen, dass ein Mensch sitzen und lernen muss, und dass Torah das Wichtigste im Leben ist. Aber wenn du selber mit deinem Kind lernst, so zeigst du ihm nicht, dass alle sitzen und lernen müssen. Du zeigst ihm nur, dass ein Kind sitzen und lernen muss.”

Wenn ein Kind seinen Vater lernen sieht, nachdem er am Abend nach Hause kommt, so wird dies einen großen Eindruck machen, und darin steckt viel mehr Chinuch als in vielen Stunden von Aufgaben.

Läge es an mir, so würde ich Hausaufgaben abschaffen, oder zumindest massiv beschränken – ausser wenn ein Kind ein besonderes Problem hat in der Schule und Hilfe benötigt. Aber diese Hilfe kann nicht vom Haus kommen.

Eine Atmosphäre der Liebe

Ein Kind muss das Gefühl erhalten, dass es in einer Atmosphäre der Liebe erzogen wird. Es benötigt ständige Ermutigung, liebe Worte und ein warmes Lächeln seiner Eltern. Und es muss Zeit und Aufmerksamkeit erhalten.

Das bedeutet nicht, dass man ihm sehr viel Zeit widmen muss. Man muss sich nicht jeden Abend eine Stunde lang mit ihm hinsetzen. Wichtiger als die Dauer der Zeit, die man ihm gibt, sind die Haltung und der Geist, von der die Zeit erfüllt ist. Eltern sollten sich mit ihm hinsetzen und ihm ihre ungeteilte Aufmerksamkeit geben, wie wenn sie alle Zeit der Welt hätten, und dann können sie beschliessen, wie viel Zeit sie ihm wirklich geben können.

Sagen Sie ihm nicht, dass sie ihm nur zehn Minuten geben können. Blicken Sie nicht auf Ihre Uhr. In der Zeit, die Sie ihm geben, sollten Sie ihm das Gefühl vermitteln, dass es in diesem Moment die wichtigste Person in der Welt ist – und so sollte es in der Tat sein.

Ein Kind benötigt nicht viel Zeit von Ihnen. Aber es benötigt Ihre Liebe und Aufmerksamkeit. Wenn es sich Ihrer Liebe sicher fühlt, wird es glücklich sein. Und dann wird es, sogar wenn es manchmal bestraft oder diszipliniert werden muss, das nicht übelnehmen, weil es weiss, dass es die Strafe verdient hat. Es wird verstehen, dass alles von Ihrer Liebe stammt.

Wenn es sich jedoch Ihrer Liebe nicht sicher ist, wird es sich fragen, ob es bestraft wird, weil es die Strafe verdient hat – oder weil Sie es nicht lieben?

In einer Atmosphäre der bedingungslosen Liebe kann sich ein Kind sicher und verstanden fühlen. Es muss sich nicht sorgen, dass es nicht perfekt ist. Es weiss, dass es trotz seiner Fehler geliebt wird.

Das betrifft auch ältere Kinder. Eltern müssen ihr Zufluchtsort sein. Wenn es auf einen Ausflug geht, sollten sie sich nicht über Bitul Tora sorgen. Im Gegenteil: Solche Ausflüge sind im angemessenen Rahmen ein wichtiger Teil des Chinuchs in Tora, weil sie das Kind allgemein zufriedener machen und sie dann gerne Tora lernen werden.

Das ist die Rolle der Eltern, und insbesondere der Mutter. Zeigt Mitgefühl und Erbarmen mit euren Kindern. Ihr müsst euch um eure Kinder sorgen.

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