Warum wurde die Torah in der Wüste gegeben?

Datum: | Autor: R’ M. Kof | Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag
Wüste

Matan Torah in der Wüste

Nach sieben erwartungsvollen Wochen erhielten unsere Vorfahren vor mehr als 3000 Jahren in der Wüste Sinai die Torah. Doch warum hat HaSchem uns die Torah ausgerechnet in der Wüste und nicht in einer anderen, vielleicht etwas komfortableren Umgebung gegeben? Raw Schabsai Judelevitz SZ”L erklärt, dass hier eine tiefe Botschaft für alle Generationen von Klal Israel liegt, welche noch (oder gerade) heute äusserst relevant ist.

Nicht immer ist unsere Umgebung für unser spirituelles Wachstum hilfreich und manchmal fühlen wir uns im Hinblick auf unser Ruchniut von unserem Umfeld eingeschränkt. Wir sagen uns vielleicht, dass wir sicher viel erfolgreicher beim Ausführen der Mitzwot oder beim Lernen der Torah wären, wenn wir in einer Umgebung leben würden, die für unseren Ruchniut förderlich wäre.

Und deswegen wurde die Torah in der Wüste gegeben, in einer Umgebung, die keinerlei spirituellen Rückhalt bietet.

In der Wüste gibt es keine Synagogen und keine Jeschiwot. Die zugrundeliegende Botschaft für uns ist, dass wir ungeachtet unseres Umfelds danach streben müssen, in unserem Ruchniut zu wachsen.

Rav Shabsai Judelevitz SZ”L

Doch wie können wir diese Herausforderung meistern? Dazu bietet Raw Judelevitz eine originelle Erklärung eines Pasuks von Tehilim, den wir jeden Freitagabend bei Kabalat Schabbat sagen: «Kol HaSchem Jachil Midbar, Jachil HaSchem Midbar Kadesch»[1]. Wenn wir uns auch in einer Umgebung, welche für unseren Ruchniut nicht förderlich ist (Midbar) nach der Stimme von HaSchem sehnen (Kol HaSchem Jachil)[2], dann hilft uns HaSchem (Jachil HaSchem), trotz unseren unbehilflichen Umfelds (Midbar) in unserem Ruchniut zu wachsen (Kadesch). Schlussendlich ist also vor allem unser Wille gefragt und wenn wir uns aufrichtig nach der Torah sehnen, erhalten wir spezielle himmlische Hilfe, um unser Verlangen zu erfüllen.

Der Fakt, dass die Torah in der Wüste gegeben wurde, birgt für uns jedoch auch eine weitere Botschaft.

Die Wüste ist ein lebensfeindlicher Ort. Es ist in der Wüste bereits eine grosse Herausforderung, lediglich das Notwendigste zum Überleben, wie Nahrung und Wasser, zu beschaffen. In unserem Alltag haben wir persönliche Herausforderungen, welche es uns erschweren, die nötige Zeit für das Torah-Lernen aufzubringen. Dass die Torah in der Wüste gegeben wurde, lehrt uns in diesem Zusammenhang eine zentrale Lektion: Die grundlegende Botschaft für uns ist, dass es trotz aller Herausforderungen des Alltags von uns verlangt wird, Zeit für das Torah-Lernen aufzubringen.

Jeder Einzelne zählt

Gemäss dem Schulchan Aruch[3] wird Paraschat Bamidbar immer vor Schawuot geleint. Die Baalei Tosfot[4] erklären diese Halacha damit, dass an Schawuot im himmlischen Beit Din über die Baumfrüchte gerichtet wird und Paraschat Bechukotai, welche die Kelalot[5] enthält, daher nicht am Schabbat vor Schawuot geleint werden soll.

Raw Mosche Feinstein SZ”L bietet hierzu eine alternative Erklärung. Am Anfang von Paraschat Bamidbar befiehlt HaSchem Mosche Rabeinu und Aharon, dass Volk zu zählen. Dieser Befehl ist als «Se’u» (zählt) formuliert, was jedoch auch «erheben» bedeuten kann. Diesen Zusammenhang erklärt Raw Feinstein damit, dass die Volkzählung dem jüdischen Volk dazu verhelfen konnte, sich spirituell zu «erheben».

Rav Moishe Feinstein SZ”L

Es ist möglich, dass es jemandem an Motivation zum Torah-Lernen fehlte, da er seine Erfolgsaussichten beim Lernen als gering einschätzte. Und hier konnte die Volkszählung einen motivierenden Effekt haben. Der Fakt, dass diese Person genau den gleichen Beitrag, einen halben Schekel, leisten muss wie die grössten Torah-Gelehrten der Generation, untermauert seinen Status als vollwertiges Mitglied des jüdischen Volks und erinnert ihn daran, dass auch er beim Lernen erfolgreich sein kann, wenn er den dazu nötigen Aufwand aufbringt.

Das erklärt, warum Paraschat Bamidbar alljährlich vor Schawuot geleint wird. Mit der Volkszählung enthält Paraschat Bamidbar das Rezept zu einem erfolgreichen Kabalat HaTorah. Sie führt uns vor Augen, dass ein aufrichtiger Wunsch, die Torah zu lernen und zu verstehen der ausschlaggebende Erfolgsfaktor ist.

  1. Tehilim 29:8
  2. Gemäss dieser Erklärung ist «Midbar» das Subjekt.
  3. Orach Chaim 428:4
  4. Megila 31”b
  5. “Flüche”

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