Diese Übersicht der Pessach-Vorschriften stammt aus der Haggada schel Pessach, erläutert von Rav Bezalel Brandeis (Zürich) und erschienen im Victor Goldschmidt Verlag. Das Buch kann unter www.goldschmidt-basel.ch/feiertage/schalosch-regalim/die-pessach-haggada.php bezogen werden.
מגיד- Das Erzählen über den Auszug aus Mizrajim (Sipur Jeziat Mizrajim)
Viele Mitzwot (Gebote), die wir das Jahr hindurch machen, sind Erinnerungen an den Auszug aus Mizrajim (Ägypten). Wie wir auch beim Kiddusch sagen: „ … secher lijeziat Mizrajim …“ – Erinnerung an den Auszug aus Mizrajim. Auch haben wir die Pflicht, uns jeden Tag an Mizrajim zu erinnern und erwähnen es auch je zweimal morgens und abends beim Dawenen (Gebet). Das zeigt uns, dass der Auszug aus Mizrajim nicht nur ein historisches Ereignis war. Es war die Geburt unseres Volkes und ist das Fundament unseres Glaubens. Beim Auszug aus Mizrajim hat Haschem (Gott) gezeigt, dass Er der Schöpfer der Welt, ihr alleiniger Führer ist und alles machen kann.
Er hat uns aus unserer Sklaverei befreit, um uns als sein Volk zu erwählen, damit wir Ihm dienen.
Haschem hat nun diese Nacht, in der wir zum Volk wurden, dazu bestimmt, dass jeder vor allem seinen Kindern, aber auch den anderen Hausgenossen von den Wundern erzählt, die uns Haschem beim Auszug aus Mizrajim gemacht hat. Auch erzählen wir von den Plagen, die Haschem über die Mizrim (Ägypter) gebracht hat und von der klaren Offenbarung, bei der sich Haschem als einziger und alleiniger Herrscher und Führer der ganzen Welt gezeigt hat.
Durch dieses Erzählen verwurzeln und verstärken wir in unseren Kindern und auch jeder in sichselbst den Glauben und das Vertrauen in Haschem. Auch werden uns dadurch unsere Pflichten gegenüber Haschem wieder bewusst, wo doch Haschem uns von der Knechtschaft ausgelöst hat, um nur Ihm alleine zu dienen. Ein wichtiger Teil des Abends gehört dem Dank an Haschem für die Erlösung aus Mizrajim, sowie für die von uns erlebten Wunder. Dieser Verpflichtung trägt die Haggada im letzten Teil Rechnung.
Die Chachamim (Weisen) haben auch angeordnet, dass das Erzählen in Form von Frage und Antwort zu geschehen hat. Dadurch soll sich die Erzählung besser einprägen. Aus demselben Grund führen wir am Seder viele Handlungen aus, welche die Aufmerksamkeit der Kinder wecken undzum Nachfragen animieren. Es ist deshalb Brauch an die Kinder für ihre Fragen Nüsse oder kleine Süssigkeiten zu verteilen. Chasal (unsere Weisen) lehren uns, dass man beim Erzählen nicht nur über die Erlösung, also den Auszug aus Mizrajim sprechen soll. Man muss sich zuerst mit der Unterdrückung und Verknechtung auseinander setzen und erst anschliessend über Wunder und Erlösung berichten. Dadurch realisiert man viel mehr, was Haschem uns wirklich getan hat und wie gross diese Erlösung in körperlicher und vor allem in geistiger Hinsicht war.
דרך חרות- Das Fühlen der Freiheit
Chasal lehren uns, dass jeder sich am Sederabend fühlen muss, als ob er heute selber aus Mizrajim ausgezogen wäre. Um die Freiheit richtig zu spüren, haben Chasal uns angeordnet, sich beim Trinken der vier Becher Wein und beim Essen der Mazzot links anzulehnen. Die Sitzmöglichkeiten sollten so hergerichtet sein, dass jeder angenehm und bequem sitzen kann, so dass sich jeder wohl fühlt. Im Allgemeinen sollte man sich den ganzen Abend hindurch wie eine königliche Familie aufführen. Der Tisch wird mit den vornehmsten Sachen hergerichtet und mit den schönsten goldenen und silbernen Geräten, die man besitzt, dekoriert. (Auch wenn wir dies im Laufe des Jahres, als Andenken an die Zerstörung des Bet haMmikdasch (heiligen Tempel), eher unterlassen, ist es am Sederabend eine Mitzwa dies so weit wie möglich, als Zeichen der Freiheit, zu erfüllen.)
Es erinnert uns auch an das enorme Vermögen, mit dem die Jehudim (Juden) aus Mizrajim ausgezogen sind. Man zieht die vornehmsten und schönsten Kleider an, um den Jom Tov (Feiertag) in Pracht mit Jubel und Freude zu empfangen. Damit zeigen wir auch unsere Dankbarkeit gegenüber Haschem, dass Er uns von der untersten geistigen Stufe, auf die wir in Mizrajim gesunken waren, erhoben hat. Er hat uns Sich näher gebracht, uns zu Seinem Volk auserwählt und uns mit Seiner Thora und Mitzwot geschmückt. Mit solchen Gefühlen sollten wir zum Seder erscheinen, mit Freude und Dankbarkeit Haschem gegenüber.
Diese Gefühle wecken in uns den innigsten und grössten Wunsch Haschem zu loben und Ihm für alles zu danken, was Er für Sein Volk Israel getan hat.
Es ist bei manchen Brauch, dass der Hausherr ein weisses Kleidungsstück, „Kittel“ oder „Sargenes“ genannt, wie man es zum Teil am Rosch Haschana (Neujahrsfest) und Jom Kipur (Versöhnungstag) in Schul trägt, anzieht und so in weiss gekleidet den Seder in dieser heiligen Nacht führt. So gleicht er dem Kohen gadol (Hohepriester), als er mit weissen Kleidern am Jom Kippur ins Allerheiligste hinein ging. Andere sind jedoch der Meinung, dass diese weissen Kleider Totengewänder sind. Sie sollten uns in solchen freudenvollen Stunden daran erinnern, nicht hochmütig zu werden.
ארבע כוסות- Die vier Becher Wein
Die Chachamim haben angeordnet, dass am Sederabend jeder vier Becher Wein trinken muss, um die Freiheit richtig zu spüren. Mit jedem dieser vier Becher Wein wird auch eine separate Mitzwa erfüllt. Über den ersten Becher wird Kiddusch gesprochen, über den zweiten erzählen wir vom Auszug aus Ägypten, über den dritten wird gebenscht und über den vierten Becher sagen wir Hallel. Dass es gerade vier Becher sind, basiert auf der Prophezeiung, in der Haschem zu Mosche sagte, er solle den Jehudim mitteilen, dass Er sie bald auslösen werde. Demnach hat Haschem vier verschiedene Ausdrücke für die Erlösung verwendet:
Wehozeti etchem mitachat Siwlot Mizrajim – Ich werde euch von den Lasten Mizrajims hinaus führen.
Wehizalti etchem meAwodattam – Ich werde euch aus ihrer Knechtschaft retten.
Wegaalti etchem Bisroa netuja – Ich werde euch mit gestrecktem Arme erlösen.
Welakachti etchem li Leam – Ich werde euch mir zum Volke nehmen.
Die vier Becher Wein entsprechen je einem dieser Ausdrücke.
Wenn möglich, sollte für die vier Becher roter Wein benutzt werden. Der Rotwein erinnert uns an das vergossene Blut der vielen Kinder, die Pharao für sein Blutbad schlachten liess, als er aussätzig war. Auch erinnert es uns an das Blut der Brit Mila (Beschneidung) und des Korban Pessach (Pessachopfer), wo doch der Verdienst dieser zwei Mitzwot zur Erlösung beigetragen hat. Und natürlich erinnert es uns auch an die erste Plage, die Haschem über die Mizrim brachte, als alles Wasser sich in Blut verwandelte.
כוס של אליהו- Der Becher des Propheten Elijahu
In die Mitte vom Tisch wird zusätzlich ein voller Becher Wein gestellt. Dieser Becher wird von uns für den Propheten Elijahu bestimmt. Und wird deshalb auch „Koss schel Elijahu“ (Becher von Elijahu) genannt. Der Prophet Elijahu wurde vom Allmächtigen bestimmt, vor der endgültigen Erlösung alle Jehudim zu ihrem wahren Glauben zurückzubringen. Er ist es auch, der uns dann die gute Nachricht der bevorstehenden Erlösung überbringen wird. Mit dem Becher von Elijahu bezeugen wir unseren Glauben, das Gott uns, wie damals in Mizrajim erlösen und uns dann den Prophet Elijahu vorausschicken wird.
הקערה- Die Sederschüssel
Vor dem Hausherrn wird ein grosser Teller oder eine Schüssel platziert, worauf alles enthalten ist, was im Laufe des Seders, für alle Mitzwot benötigt wird: Drei Mazzot, Maror, Charosset, Karpass, Salzwasser, Seder-Knochen und Seder-Ei. Viele legen jedoch die Mazzot nicht zusammen mit den restlichen Sachen in die Schüssel, sondern legen diese unter oder neben die Schüssel.
Die oben erwähnten Dinge werden in der Reihenfolge, in der man sie benützen wird, in die Sederschüssel gelegt. Demnach wird das Karpass mit dem Salzwasser zuvorderst hingelegt. Danach folgen die Mazzot, dann der Maror mit dem Charosset und zum Schluss, am weitesten vom Hausherr entfernt, wird der Sederknochen mit dem Ei platziert. [Andere haben eine andere Ordnung, wie diese auch auf verschiedenen gekauften Sederschüsseln gekennzeichnet ist.]
כרפס ומי מלח- Karpass und Salzwasser
Mit Karpass ist das Gemüse gemeint, wovon kurz nach dem Kiddusch gegessen wird. Es werden dazu Petersilien, Radieschen, Sellerie oder Kartoffeln benützt, es kann jedoch jegliches Gemüse ausser Maror genommen werden, über das man die Beracha (Sehenspruch) „Bore Peri Ha‘adama“ spricht. Dieses wird vor dem Essen in Salzwasser eingetaucht. Der Grund des Essens vom Karpass ist der, das Interesse der Kinder zu wecken und sie zu animieren, Fragen zu stellen. Die eigentliche Übersetzung von Karpass ist Sellerie oder Petersilien, da an den meisten Plätzen der Brauch war, Sellerie oder Petersilien für Karpass zu benützen. Der Grund dafür besteht darin, dass כרפס das Wort Karpass in sich eine Andeutung an die Verknechtung hat. Liest man nämlich das Wort Der erste Buchstabe, das Samech, hat den Zahlenwert 60, das .ספרך rückwärts, erhält man das Wort Schwerarbeit) =) פרך an die 600‘000 (60 x 10‘000 schischim Ribo) Jehudim hinweist, die in Mizrajim geleistet haben.
Das Karpass erinnert uns auch an die Knechtschaft in Mizrajim, wo wir uns nur mit Gemüse ernähren konnten. Das Salzwasser, worin wir das Karpass eintauchen, erinnert uns an die vergossenen Tränen der Jehudim in Mizrajim.
מצה- Mazza
Im Passuk (biblischer Vers) steht: baErew tochlu Mazzot – Am Abend sollt ihr Mazzot (ungesäuertes Brot) essen. Das Essen der Mazzot am Seder-Abend ist somit eine Mitzwa von der Thora. Den Grund dafür erklären wir später in der Haggada: Nämlich, da die Erlösung so schnell kam, konnte der Teig nicht mehr aufgehen. Die Mazza ist somit ein Zeichen der Erlösung.
Gleichzeitig ist die Mazza auch ein Zeichen der Knechtschaft und Armut, die in Mizrajim herrschten. Die Mizrim haben den Jehudim in Mizrajim nur ungesäuertes Brot zu essen gegeben, da dieses mehr sättigt. Die Jehudim hatten keine Zeit zu warten bis ihr Teig aufgegangen war. Deshalb wird die
Mazza in der Thora auch Lechem Oni – Das Brot der Armut – genannt. Ein weiterer Grund, warum die Mazza Lechem Oni genannt wird ist, dass das Wort „Oni“ auch „verkünden“ bedeuten kann. Also wird die Mazza Lechem Oni genannt, da wir darüber die Haggada und das Hallel sagen.
מרור- Bitterkraut
(Meistens Lattich und/oder Meerretich)
Zur Zeit des Bet haMmikdasch war das Essen des Maror zusammen mit dem Korban Pessach eine Mitzwa von der Thora. Heute, wo wir leider kein Korban Pessach mehr haben, bleibt das Essen des Marors gleichwohl eine Mitzwa von den Rabbanan (rabbinisches Gebot). Der Grund, wieso wir Maror essen ist, wie wir später in der Haggada sagen, die Erinnerung an unser Leben in Mizrajim, welches uns die Mizrim mit Schwerarbeit verbittert haben.
חרוסת- Charosset
Den Charosset benutzen wir, um darin den Maror einzutauchen. Damit wird das Gift abgeschwächt, das im Maror enthalten ist. Man bereitet ihn dickflüssig zu, als Erinnerung an den Lehm, mit dem die Jehudim in Mizrajim ihre Schwerarbeiten verrichten mussten.
Er wird aus Früchten zubereitet, mit denen das Volk Israel verglichen wird: Äpfel, Nüsse, Mandeln, Granatäpfel und Datteln. Den Früchten wird noch Wein, als Andenken an das Blut, beigefügt. Man fügt auch Zimt oder Ingwer bei, wenn möglich nicht ganz zermahlen. Diese haben eine Ähnlichkeit mit Stroh, das die Jehudim in den Lehm mischen mussten.
זרוע וביצה- Der Seder-Knochen und das Seder-Ei
Auf die Sederschüssel wird auch ein Stück gebratenes Fleisch und ein gekochtes Ei gelegt. (Manche braten das Ei.) Das Fleisch erinnert uns an das Korban Pessach (Pessachopfer), das wir leider nicht mehr darbringen und essen können. Es wird gebraten, da das Korban Pessach gebraten werden musste. Wenn möglich nimmt man den Knochen des Vorderfusses (mit Fleisch daran), da dieser Seroa heisst, denn Haschem hat uns mit Seroa netuja – mit ausgestrecktem Arm – ausgelöst. Das Ei erinnert uns an das Korban Chagiga (Festtagopfer), das zusammen mit dem Korban Pessach gegessen wurde. (Dieses durfte auch gekocht gegessen werden.) Es wird dafür nicht ein zweites Stück Fleisch genommen, da das Ei ein Zeichen der Trauer ist und somit uns daran erinnert, dass seit der Zerstörung des Bet haMmikdasch wir diese zwei Mitzwot leider nicht mehr erfüllen.
Auch weist das Ei auf die Verhältnisse der Jehudim in Mizrajim hin. In der Thora steht, dass je mehr und stärker sie gepeinigt wurden, desto stärker vermehrten sie sich. Das Ei ist das einzige Lebensmittel, welches, je länger und stärker man es kocht, nicht weicher, sondern härter wird.