Siebzig Jahre Galut Bawel – 4 – Die Strafe

Datum: | Autor: Rav Chaim Grünfeld | Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag
die strafe

4. Kapitel (3340-3388) – Die Strafe

Nach den erwähnten Geschehnissen war Newuchadnezar sehr stolz. Obwohl er bereits so viele Wunder von Hkb“H gesehen hatte und ihm seine Niedrigkeit eigentlich klar sein sollte, kannte sein Stolz keine Grenzen. Er wurde geradezu verrückt und sprach: “Ich bin so groß, dass mir die Erde nicht mehr genug würdig ist, um auf ihr zu wohnen. ln den Himmel will ich hinaufsteigen, höher als die Sterne soll mein Thron ruhen. Auch mit allen Menschen will ich nichts mehr zu tun haben, sie sind meiner nicht würdig!“

Darauf antwortete eine בת קול (Stimme) vom Himmel: „Du Roscho willst in den Himmel hinaufsteigen? Um von der Erde bis zum ersten Himmel zu gelangen, muss man bereits 500 Jahre gehen, den Himmel alleine zu durchqueren dauert weitere 500 Jahre, und es gibt sieben solche Himmel mit diesen Abständen. Vom obersten Himmel bis zum כסא הכבוד ist es auch ein weiter Weg, und du willst in den Himmel gelangen? Der Mensch lebt doch nicht viel mehr als 70 Jahre! Auch willst du nichts mehr mit den Menschen zu tun haben – das Ende wird sein, dass sich die Menschen von dir trennen werden!“

In diesem Jahr (3339) träumte Newuchadnezar einen zweiten Traum, den er auch später (3347) der ganzen Welt in einem Brief mitteilen ließ, der so lautete:

“Von mir, Newuchadnezar, dem König, an alle Völker, die in der ganzen Welt wohnen. Euer Frieden mehre sich! Es ist richtig und gut von mir, dass ich euch von den Zeichen und Wandern berichte‚ die mir der höchste G“tt gemacht hatte. Wie groß und wie stark Seine Wunder doch sind. Sein Königreich wird immer bestehen und Er wird es immer beherrschen!

Ich, Newuchadnezar, saß vergnügt und in Ruhe in meinem Palast, bis ich einen grässlichen Traum träumte, der mich so erschreckte, dass ich mich in meinem Bett umherwälzte und sich meine Gedanken nicht mehr beruhigen konnten. Keiner meiner Zauberer und Ratgeber konnte mir den bösen Traum deuten, bis Danijel, der Belschazar, der wie mein Götze heißt, vor mich trat. Ihm erzählte ich meinen Traum: Ich sah einen riesigen Baum in Erez Jisroel, in der Mitte der Welt stehen, der unaufhörlich wuchs. Er wuchs, bis seine Spitzen den Himmel berührten und er auf der ganzen Welt sichtbar war. Auf seinen schönen Zweigen wuchsen herrliche, große Früchte, von denen sich die ganze Welt ernähren konnte. Im Schatten des Baumes tummelten sich alle Tiere, und auf seinen Zweigen wohnten alle Vögel. Plötzlich stieg ein „Malach“ vom Himmel herab und schrie: „Schneidet die Äste des Baumes ab und zerhackt den Stamm. Werft seine Früchte weg und vertreibt alle Tiere von ihm. Seine Wurzeln sollt ihr in der Erde stehen lassen und sie mit Eisen und Kupfer an das Gras des Feldes festbinden, damit sie nicht entfernt werden können. Vom Tau des Himmels sollen die Baumwurzeln durchnässt werden und sich mit den Tieren zusammen vom Gras des Feldes ernähren. Sein Herz soll sich von einem menschlichen Herz in das Herz eines Tieres verwandeln. Sieben Jahre soll diese גזרה (Verhängnis) dauern!“

Als dies Danijel vernahm, blieb er fast eine Stunde lang schweigend stehen, seine Gedanken erschreckten ihn.

Er tat, als ob er sich fürchte die Deutung des Traumes zu sagen. Darauf sagte Newuchadnezar zu ihm: „Fürchte dich nicht und sage mir die Deutung des Traumes ohne Angst!“ „Oh, mein Herr“, sagte darauf Danijel, „so erfülle sich dieser Traum bei deinen Feinden!“ (Danijel meinte mit „mein Herr – Hkb“H, doch Newuchadnezar verstand, dass er gemeint sei.)

„Der Baum, mein König“, begann Danijel, „das bist du, der sich mächtig und riesig über die Welt verbreitete und sie beherrscht. Weil du aber noch immer nicht richtig die Größe von Hkb“H anerkannt hast, wirst du deiner Macht enthoben und zu einem Tier erniedrigt werden. Sieben Jahre wirst du wie ein Tier im Wald leben und wie sie vom Tau des Himmels durchnässt werden und dich vom Gras des Feldes ernähren. Dies ist die Strafe, weil du das Bet Hamikdosch, das in sieben Jahren erbaut worden ist, zerstört hast. So wirst du anerkennen, dass Hkb“H seine Macht dem König gibt, den Er auserwählt! Deine Wurzeln aber werden verschont und nicht angeschnitten, weil du danach wieder zu deinem Königreich zurückkehren wirst. Dies jedoch erst dann, wenn du die Größe von Hkb“H anerkannt hast und dein Stolz gebrochen ist! — Einen Rat könnte ich dir erteilen, wenn du auf mich hören willst, mein König, um diesem Verhängnis zu entgehen. Sühne deine begangenen Sünden mit „Zedaka“! Erbarme dich der Armen, ernähre und pflege sie. Vielleicht kannst du dadurch das Böse von dir abwenden“.

Also ließ Newuchadnezar jeden Tag alle armen Jehudim zum Palast kommen und ließ sie von seinem Geld ernähren.

Danijel aber wurde von Hkb“H bestraft, weil er dem „Roscho“ einen solchen Rat gab. Dies geschah, obwohl Danijel es gut gemeint hatte, denn er sorgte sich um die armen Jehudim. Er hätte aber besser zu Hkb“H dawenen sollen, dass Er sich um die Armen kümmere und den „Roscho Newuchadnezar“ seiner wohlverdienten Strafe überlassen sollen. Die Strafe von Danijel war, dass er später in eine Löwengrube geworfen wurde.

So vergingen zwölf Monate, in denen Newuchadnezar durch diese Zedaka seinem Verhängnis entging. Der König aber hatte seinen Traum vergessen. Eines Tages spazierte er auf dem Dach seines Palastes in Bawel und hörte lautes Klopfen und Schreien. Verwundert fragte der König seine Wächter, was dieser Lärm bedeute. „Das sind die Armen“, antworteten sie, „für deren Ernährung du täglich sorgst.“ Newuchadnezar rief darauf mit Stolz: „Ist dies denn nicht Bawel, die herrliche und großartige Stadt, die ich mit meiner Kraft und mit meinem Reichtum für mich baute! Würde ich meine Schätze für die Armen verschleudern, womit könnte ich denn solche gewaltige Paläste bauen und durch sie von der ganzen Welt bestaunt und geehrt werden? – Ab heute ernähre ich die Armen nicht mehr!“

Im selben Moment, als Newuchadnezar diese Worte aussprach, ertönte eine Stimme vom Himmel: „König Newuchadnezar, deine Regierungszeit ist vorbei und entfernt sich von dir!“

Der stolze Newuchadnezar verlor seinen Verstand und gesellte sich zu den Tieren im Wald. Von allen Menschen vertrieben, begann er sich dort wie ein Tier vom Gras zu ernähren und wurde vom Tau des Himmels durchnässt. Später verfilzten sich seine Haare durch den Schweiß und Schmutz seines Körpers, bis sie wie die Flügel eines Adlers aussehen, und seine Nägel wurden wie die Krallen eines Vogels. So vergingen sieben Jahre‚ in denen der ehemalige stolze, reichste und größte König der Welt mit den Tieren zusammen lebte und keine Menschenseele sah. Er war der Menschen unwürdig geworden. In Bawel wusste niemand vom Geschick des Königs und nachdem man ihn vergeblich gesucht hatte, nahm sein Sohn „Ewil Meroidach“ den Thron Newuchadnezar’s ein.

Erst am Ende von sieben Jahren (3347) begann sich der Verstand des zum Tier verwandelten Newuchadnezar zu klären und er begann zu verstehen, was mit ihm geschehen war. Da erhob er seine Augen zum Himmel und pries und lebte Hkb“H‚ dass Er der alleinige Herrscher der ganzen Welt ist und mit jedem machen kann, was Er will, und niemand seinem Geschick und Verhängnis entgehen kann. Denn die ganze Welt mit allen ihren Geschöpfen ist nichts und nichtig gegenüber der Größe von Hkb“H.

Newuchadnezar wandelte sich wieder in einen Menschen und kehrte in seinen Palast zurück. Seinen Sohn „Ewil Meroidach“ ließ er ins Gefängnis werfen und Newuchadnezar herrschte wieder über die ganze Welt. Hkb“H gab ihm noch mehr Macht als zuvor, sogar die wilden Tiere zitierten vor ihm. Newuchadnezar ritt auf einem Löwen und band sich eine Schlange um den Kopf.

Doch sind Bösewichte unverbesserlich und kehren nach ihrer Gesundung wieder zu ihren Sünden und Straftaten zurück.

Newuchadnezars Brutalität und Gemeinheit zeigte sich wie nie zuvor. Er zerstörte viele Städte anderer Völker und ließ deren Steine und Hölzer nach Bawel schleppen, um mit ihnen seine Paläste zu verschönern und erweitern. Auch einen riesigen Turm baute er, in den er sich bei einem Aufstand des von ihm so arg unterdrückten und gepeinigten Volkes flüchten wollte. Zu Lebzeiten dieses „Roscho“ sah man niemanden lachen. Jeder wartete auf den Tod des alten und bösen Herrschers, der noch immer nicht von seinem unvergleichlichen Stolz geheilt war.

Um die Jehudim im Golus Bawel zu trösten, zeigte Hkb“H dem Nawi Jecheskel am Jom Kippur des Jahres 3352 (vierzehn Jahre nach Beginn des Golus Bawel) in einer prophetischen Vision, wie das dritte Bet Hamikdasch aussehen wird. Trotzdem gab es leider viele Jehudim, die nichts von den Folgen ihrer Sünden lernten und falsche נבואות verkündeten. Es waren נביאי שקר (falsche Propheten)! Zwei dieser „Reschaim“ begaben sich zur Tochter von Newuchadnezar und jeder überredete sie, den anderen zu heiraten. Jeder betonte, dass ihm dies von Hkb“H so befohlen worden ist. Als sie dies ihrem Vater, dem König erzählte, meinte er: „Es kann nicht stimmen, dass ihnen dies von Hkb“H gesagt worden ist. Er hat nämlich den Jehudim verboten, nichtjüdische Frauen zu heiraten. Es sind Lügner! Wenn sie sich noch einmal an dich wenden, so schicke sie zu mir!“

Als die zwei falschen Propheten noch einmal zu Newuchadnezar’s Tochter kamen, schickte sie diese zu Newuchadnezar.

‚Wer hat euch dies gesagt?“ fragte der König. „Hkb“H!“, antworteten sie. „Aber ich habe Chananjo, Mischoel und Asarjo befragt“, erwiderte Newuchadnezar, „und sie sagten mir, dass dies für euch Jehudim verboten ist!“ Da behaupteten die zwei: „Wir sind auch נביאים, nicht zu ihnen sprach Hkb“H, sondern zu uns!“ „Gut“, meinte darauf der König, „dann werde ich auch euch prüfen, sowie ich Chananjo, Mischoel und Asarjo geprüft habe!“

Schrecken übefiel die zwei falsche Propheten. Nur zu gut wussten sie, dass sie, wenn man sie ins Feuer wirft, keine Überlebenschance haben.

Daher versuchten sie, sich herauszureden und riefen: „Wir sind aber nur Zwei und haben nicht so viele Verdienste wie die anderen, die zu dritt waren!“ „Dann wählt euch einen dritten aus“, erlaubte ihnen der König. So wählten sie den großen Zadik Jehoschua ben Jehozodok Kohen Gadol aus, dass er mit ihnen in den Feuerofen geworfen werde. Sie dachten sich, dass der Verdienst dieses Zadik auch sie vor dem Feuer beschützen wird. Als man aber alle drei in das Feuer warf, verbrannten die zwei „Reschaim“ und beim Jehoschua Kohen Gadol wurden nur seine Kleider angebrannt. Nachdem Jehoschua aus dem Ofen stieg, fragte ihn Newuchadnezar: “Ich weiß, dass du ein Zadik bist und verstehe deshalb nicht, weshalb bei dir die Kleider angebrannt wurden, während Chananja, Mischael und Asarja unbehelligt aus dem Feuer kamen?“ „Diese waren zu dritt“, erklärte Ihm Jehoschua, „daher war ihr Verdienst ein größerer als bei mir, der ich alleine war.“ „Aber auch Awraham war alleine im Feuer, als ihn Nimrod ins Feuer warf“, erwiderte Newuchadnezar, „und seine Kleider wurden nicht angebrannt.“ Darauf antwortete Jehoschua: „Awraham Awinu wurde ohne „Reschaim“ in den Ofen geworfen, daher wurde dem Feuer keine Erlaubnis gegeben, etwas zu verbrennen. Mit mir wurden aber zwei „Reschaim“ hineingeworfen, für die dem Feuer erlaubt wurde, sie zu verbrennen; daher wurden auch meine Kleider angebrannt!“

Chasal aber sagen, dass Jehoschua deshalb bestraft wurde, weil er seine Kinder nicht zurechtwies, als sie Frauen heirateten, die ein Kohen nicht heiraten darf.

Newuchadnezar verhielt sich den Jehudim gegenüber gerecht und machte ihnen das Leben in Bawel nicht so schwer wie andere Könige. Trotzdem kamen Jehudim, die von ihm ins Gefängnis geworfen wurden nicht mehr zu seinen Lebzeiten heraus. Der jüdische König Zidkijahu musste 26 Jahre und der König Jehoijochin 37 Jahre lang im Gefängnis schmachten.

Im siebenunddreißigsten Jahr nach der Vertreibung des Königs Jehoijochin, am 25. Ador des Jahres 3363, starb Newuchadnezar, nachdem er 45 Jahre lang regiert hatte. Mit viel Pracht und Feierlichkeiten wurde er wie alle Könige begraben. Danach begaben sich die Fürsten zum Sohn des verstorbenen Königs, „Ewil Meroidach“ und baten ihn, den Thron zu besteigen. Doch dieser weigerte sich: „Als mein Vater sieben Jahre als Tier umherirrte, habe ich eure Bitte erfüllt, euer König zu werden. und musste dies nachher bitter büßen, als er unerhofft zurückkam. Vielleicht lebt er noch immer und kehrt wieder zurück und wird mich diesmal töten!“ Da standen die Fürsten und Knechte auf und gingen weg.

Am anderen Morgen, am 26. Ador, nahmen sie den toten Körper von Newuchadnezar aus seinem Grab hinaus und zeigten „Ewil Meroidach“, dass Newuchadnezar wirklich tot ist.

Jetzt rächten sich die Menschen an Newuchadnezar für seine Missetaten, die er gegen seine Untertanen begangen hatte. Seine Feinde durchstachen den toten Körper mit ihrem Schwert und anstatt ihn wieder in sein königliches Grab zurückzulegen, warfen sie ihn einfach in eine Steingrube hinein. Darauf bestieg „Ewil Meroidach“ den Thron am 27. Ador dieses Jahres. Der neue König anerkannte die Größe von Hkb“H und war den Jehudim ein gnädiger Herrscher. Er befreite die zwei gefangenen Könige der Jehudim. Der König Zidkijohu starb bald danach und wurde von allen Jehudim betrauert. Der König Jehoijochin wurde von „Ewil Meroidach“ sehr geehrt, er gab Ihm alles Nötige und er durfte jeden Tag mit Ihm zusammen speisen. Selbstverständlich erhielt er dort koschere Speisen. Er hatte nämlich im Gefängnis Teschuwa gemacht, bis Hkb“H ihm seine Sünden vergab.

Der König „Ewil Meroidach“ herrschte 23 Jahre lang und starb im Jahr 3385. Während seiner Regierungszeit verbrachten die Jehudim eine ruhige Zeit im Golus Bawel.

Mit dem Ableben des Königs „Ewil Meroidach“ und der Thronbesteigung seines Sohnes Balschazar, des neuen Königs, änderte sich schlagartig das ruhige Leben der Jehudim in Bawel. Balschazar glich nämlich mit seiner Gemeinheit und Bosheit seinem Großvater Newuchadnezar. Doch kbb“H ließ nicht lange mit der Bestrafung von Balschazar warten.

Fortsetzung folgt ijH.


Mit freundlicher Genehmigung des Verlegers Hr. S. Beck (Zürich). Bestellungen des Buches «70 Galut Bawel» unter +41 44 241 43 89.

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