Ein Interview mit Hagaon Harav Elya Ber Wachtfogel, schlita, Rosh Jeschiwa der Jeschiwa Zichron Moshe in South Fallsburg (erschienen in “Hamodia” am 02.11.23)
Die Ereignisse, die sich seit Simchas Tora in Erez Jisrael ereignet haben, haben die Welt erschüttert. Als fromme Jidden ist es unsere Aufgabe, bei jedem weltbewegenden Ereignis zu versuchen, die Botschaft zu erkennen, die Haschem uns sendet. Wenn sich eine Tragödie dieses Ausmaßes in Erez Jisrael ereignet, mit so vielen Opfern, G-tt bewahre, und einem anschließenden Krieg, ist es sicherlich die Pflicht eines jeden G-ttesfürchtigen Juden, sich zu fragen: „Was will Haschem von uns? Was können wir verbessern?“
Wir haben uns Anfang dieser Woche mit Hagaon Harav Elya Ber Wachtfogel, schlita, zusammengesetzt, um ihm genau diese Frage zu stellen.
Die Menschen fragen immer wieder: „Welche Botschaft schickt uns Haschem? Was will er von uns?“
Es ist klar: Wann immer Haschem uns Schwierigkeiten schickt, gibt Er uns Mussar. Der Chofetz Chaim schreibt an zahlreichen Stellen, dass wenn Jidden leiden, das Haschem’s Weg ist, Mussar zu geben. Dieses Mal, an Simchas Tora, war die Botschaft sehr klar, noch klarer als sonst.
Nach den Ereignissen an Simchas Tora wurden in den Taschen der Terroristen Karten gefunden, auf denen alle Schuls (Synagogen) und Batej Medrasch in Ofakim klar eingezeichnet waren. Ihr Plan war es, alle unsere Batej Medrasch und alle Jidden darin auszulöschen. Sie hatten Bilder von jeder Shul. Irgendwie hat Haschem sie dazu gebracht, nach links statt nach rechts abzubiegen. Das war eine enorme Haschgacha pratis (G-ttliches Vorsehen), aber gleichzeitig sandte uns Haschem eine klare Botschaft. Wir müssen uns verbessern. Wir müssen uns selbst in Ordnung bringen.
Erinnern wir uns daran, dass dieser schreckliche Klap (Schlag) an Simchas Tora passiert ist. Denken Sie einen Moment nach. Nach Rosch Haschana, nach Jom Kippur, nach Sukkos waren wir auf dem Höhepunkt, an Simchas Tora, und Haschem sagte uns: „Ich bin immer noch nicht zufrieden.“
Haschem schickt uns eine Botschaft.
Ich denke, dass jeder Jude in sich selbst hineinschauen und nach dem suchen muss, was er besser machen kann. Was für den einen verbesserungsbedürftig ist, muss für jemand anderen nicht unbedingt auch verbesserungsbedürftig sein. Jeder Mensch kennt sich selbst, kennt seine eigenen Schwächen und muss versuchen, sich in irgendeiner Weise zu verbessern. Das ist die Botschaft, die Haschem uns sendet. Man muss nicht übertrieben intelligent sein, um dies zu erkennen, es ist Alef-Beis…
Auf der praktischen Ebene müssen wir uns auch vor Augen führen, dass so viele Jidden in so tiefem Schmerz sind, so viele sind in Gefahr. Wir müssen ihren Schmerz spüren. Wir müssen für sie davenen. Ja, zusätzlich zu dem, was in unserem persönlichen Leben in Ordnung gebracht werden muss, müssen wir beten und Nosse B’ol mit ihnen sein (ihre Last mittragen).
Wie können wir Nosse B’ol sein? Wie können wir ihre Last spüren?
Die Antwort ist einfach. Gehen Sie in den Beis Medrasch und lernen Sie. Davenen Sie für sie. Verbessern Sie Ihren Znius (sittsames Verhalten). Wir müssen uns selbst stärken, um ihre Last mitzutragen, indem wir uns in allen Bereichen der Jiddischkeit stärken. Auf diese Weise zeigen wir wirklich, dass wir ihren Schmerz fühlen und ihn lindern wollen.
Was können wir als Sechus (Verdienst) für Acheinu Bnei Jisrael (unsere Brüder, Kinder Jisraels) tun? Was sollen Bnei Tora tun? Was sollen Baalei Battim tun? Was ist mit Frauen oder Kindern?
Noch einmal: Wir sollten uns in jedem Bereich der Jiddischkeit verbessern, in dem wir uns schwach fühlen. Der Weg, unsere Mitjuden mechasek zu sein (zu stärken), besteht darin, sich selbst mechasek zu sein. Dieser Sechus allein wird andere mit Chisuk anstecken. Jeder hat seine Aufgabe. Unsere Aufgabe ist es, Rachmei Schamajim (die Barmherzigkeit des Himmels) zu erwecken.
Es ist jedoch wichtig, dass wir erkennen, dass wir an der Front stehen.
Jeder, der die Geschichte kennt, weiß, dass das Überleben der Jidden in Erez Jisrael bis heute ein Wunder ist. Wenn Sie die Geschichte analysieren, werden Sie feststellen, dass militärische Leistungsfähigkeit wenig mit dem Wunder unseres Überlebens zu tun hat. Im Jahr 1948 gab es keine israelische Armee. Die Jidden kämpften mit Molotowcocktails und veralteten Waffen. Die Tatsache, dass die Araber so viel Angst bekamen und flohen, war ein offenes Wunder.
Ich war während des Sechstagekriegs in Erez Jisrael. Sogar die nicht-religiösen Zeitungen schrieben, dass die Art und Weise, wie sie den Krieg gewonnen haben, nissim, ein Wunder war. Es war eindeutig Jad Haschem (Haschem’s Hand).
Während des Jom-Kippur-Krieges überraschten die Araber die Jidden und kamen bis nach Teweria.
Sie gingen nicht weiter, weil sie dachten, dass dort ein Hinterhalt auf sie wartete, und das gab den Amerikanern genug Zeit, um Waffen zu schicken. Auch hier ging es nicht um militärische Macht, sondern um den Jad Haschem.
Während des Golfkriegs konnte die Armee nichts tun. Die Amerikaner haben sie nicht gelassen. Scud-Raketen flogen nach Erez Jisrael, aber Haschem rettete die Jidden. Nicht eine einzige Scud tötete jemanden. Das waren gewaltige Nissim (Wunder). Die Tatsache, dass die Jidden in Erez Jisrael gerettet wurden, hatte nichts mit der Armee zu tun.
Wir sehen, dass das Überleben des Jischuws in Erez Jisrael eindeutig ein Nes min haSchamayim ist. Deshalb müssen wir, wenn so etwas passiert, wenn die Sicherheit der Jidden gefährdet ist, Teschuwa tun. Wir müssen uns fragen: „Warum beschützt uns Haschem nicht so, wie er es bisher getan hat?“
Er sendet uns offensichtlich eine Botschaft.
Wenn der gesamte Jischuw gefährdet ist, ist es unsere doppelte Pflicht, uns in Schemiras Hamizwos (Hüten der Mizwos), in Toralernen, in der Distanzierung von Aweiros (Übertretungen) zu stärken.
Was ist mit dem schrecklichen Antisemitismus, den wir seit Beginn dieses Krieges überall auf der Welt erleben?
Das alles ist Teil von Haschems Botschaft. Teschuwa, Tefilla und Zedaka beseitigen die schreckliche Geseira (Dekret, Verhängnis). Das ist unsere Aufgabe. Jeder, der nicht sieht, dass Haschem zu uns spricht und etwas von uns verlangt, verschließt die Augen.
Gehen wir zu diesem Zeitpunkt durch die Chewlej Moshiach (Geburtswehen von Moschiach)?
Ich denke, wir können das sagen. Wir leben in der Zeit der Ikvesa d’Meschicha (Zeit unmittelbar vor der Ankunft des Moschiach), und Chasal lehren uns, dass man sich mit Tora und Gemilus Chassadim beschäftigen sollte, wenn man vor den Schwierigkeiten der Chewlei Moshiach bewahrt werden will.
Gibt es eine Botschaft, die der Rosch Jeschiwa weitergeben möchte?
Ich habe darauf hingewiesen, als ich mich an die Bnei Jeshiwa wandte, und ich werde es hier wiederholen. Chasal lehren uns, dass die Nissim (Wunder) des Kibbuz Galujos (Versammlung der Verstreuten) viel größer sein werden als die Nissim, die wir in Mizrajim erlebt haben. Lassen Sie uns darüber nachdenken. Bei Jetzias Mizrajim (Auszug aus Ägypten) erlebten sie Krias Jam Suf (Spaltung des Meeres), Makkos (Plagen), eine vollständige Transformation der Natur. Wie kann man größere Nissim als das erleben? Nehmen wir an, der Iran wirft eine Atombombe und sie bleibt einfach am Himmel und landet nie. Das wäre ein riesiges Nes (Wunder), aber es ist ein altes Nes. Der Barad, der Hagel von Mizrajim, steht auch noch am Himmel. Der Nes des Moschijach wird größer sein als das. Aber wie?
Wir können die Antwort aus dem entnehmen, was Raw Jaakow Emden lehrt. Er sagt, dass das Nes unseres Überlebens als ein Schaf unter siebzig Wölfen ein viel größeres Nes ist als Jetzias Mizrajim! Denken Sie nur – in jeder Generation versuchen sie, uns zu vernichten, und wir sind nach 2.000 Jahren immer noch hier! Wir sind immer noch tehorim (rein) und sheleimim (ohne Fehl).
Alle Imperien sind verschwunden, und wir sind immer noch da!
Der Sohar erklärt, dass der Grund dafür, dass dies noch größere Nissim sind, darin liegt, dass wir überlebt haben, obwohl die Menschen, welche Bechira (freie Wahl) haben, versucht haben, uns zu töten. Der Sohar sagt, dass Reuven, als die Schewatim (Brüder) Josef töten wollten, sagte: „Wir sollten ihn nicht töten, sondern ihn in eine Grube mit Schlangen und Skorpionen werfen.” Eine Grube mit Schlangen und Skorpionen? Er hat ihn vom Regen in die Traufe gebracht! Was hatte er davon?
Die Antwort, die der Sohar gibt, lautet, dass Reuven wusste, dass Josef genug Sechusim (Verdienste) hatte, um auf wundersame Weise von Haschem vor Schlangen und Skorpionen gerettet zu werden. Aber um vor denen mit Bechira gerettet zu werden, die sich entscheiden können, das Falsche zu tun, brauchen Sie noch mehr Sechusim.
Haschem kann die Natur verändern. Das ist nicht schwer. Aber Er hat die Menschen mit Bechira ausgestattet, Er hat die Welt so erschaffen, dass Er den Menschen eine Wahlmöglichkeit gibt. Das zu ändern, ist ein viel größeres Nes. Das ist es, was Rav Jaakow Emden meint, wenn er sagt, dass unser Überleben ein größeres Nes ist als alle anderen.
Es ist ein großes Nes, denn diese Terroristen sind Baalei Bechira (im Besitz der freien Wahl).
Sie hatten Karten von allen Schuls und wussten, dass Männer, Frauen und Kinder an Simchas Tora in Scharen in der Shul sein würden. Sie planten, sie zu töten, und dann gingen sie aus unerklärlichen Gründen woanders hin. Das ist ein großes, großes Nes. Es ist ein größeres Nes als Jetzias Mizrajim! Die Tatsache, dass sie an der Jeschiwa in Tifrach vorbeigingen und nicht einmal daran dachten, hineinzugehen, ist ein größeres Nes als Jetzias Mizrajim!
Haschem zeigt uns, dass Er etwas will. Wir sind schon ziemlich nah dran. Haschem zeigt uns, dass Er Kijum haTora und Mitzvos will, dass Er möchte, dass wir uns Ihm nähern. Das ist klar!