So wie im Himmel, so auf der Erde – Teil 18 – Kleider aus Licht, Kleider aus Fell

Datum: | Autor: Rabbi Ezriel Tauber SZl | Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag
Kleider
Rabbi Ezriel Tauber SZl – L’ilui nischmat Hamechaber
Fortsetzung

Inhalt:

  • Erläuterungen zu den „Fellkleidern“, mit denen G-tt Adam bekleidete
  • Die Beziehung zwischen Kleidern und Scham
  • Wie man „Fell“ in „Licht“ umwandelt
  • Die Entstehungsgeschichte von Adams Kleidern
  • Das Geheimnis eines jeden Jägers
  • Die doppelte Natur unserer Kleider: der Körper

Und Haschem/G-tt machte für Adam und seine Frau Kleidungsstücke aus Fell und bekleidete sie.[1]

Das biblische Wort für „Fell“ ist Or, das mit dem Buchstaben Ajin beginnt. Die Weisen lehren jedoch, dass das Wort so gelesen werden kann, als wenn es mit einem Alef beginnen würde, was die Bedeutung des Wortes von „Fell“ zu „Licht‘“ verändert. (Ajin und Alef sind fast identische Buchstaben.) Mit anderen Worten hat G-tt gemäß der zweiten Auslegung Adam und Chava mit „Kleidungsstücken aus Licht“ eingekleidet. Was bedeutet das? Wo liegt der Unterschied?

Kleider und Scham

Vor ihrem Sündenfall waren Adam und Chava nackt, fühlten aber noch keine Scham. Der Grund war, dass bei ihrer Erschaffung ihre Körper geistig genauso rein und schön waren wie ihre Seelen. So wie im Himmel, so auf der Erde. Die Erde war in ihrer ursprünglichen Form ein reiner Spiegel des Himmels (siehe Einleitung). Alles, was G-tt in seiner ursprünglichen Form erschuf, war durch und durch heilig. Es gab nichts zu verstecken.

Adam und Chava sündigten aber. Eine Sünde ist per Definition der Gebrauch des menschlichen Körpers auf eine Art, die gegen den Willen G-ttes ist. Und deswegen mussten sie sich schämen. Sie hatten gegen den Willen G-ttes gehandelt und wussten es.

Stellen Sie sich einen gewöhnlichen Dieb vor. Er stiehlt etwas aus einem Geschäft und versteckt es in seiner Tasche. Plötzlich geht der Ladendetektiv auf ihn zu und er wird – wie man sagt – „auf frischer Tat ertappt“. Er wird bloßgestellt. Hätte er nichts in seinen Taschen gehabt, hätte er sich wegen gar nichts schämen müssen.

Adam und Chava „stahlen“ etwas. Sie aßen die Frucht, die ihnen verboten war. Als G-tt sie „erwischte“, schämten sie sich. Sie waren nicht weniger nackt als vor ihrer Sünde. Nun aber hatten sie etwas zu verstecken und das verursachte Ihre Scham. Zuvor hatte es ihnen nichts ausgemacht, durchschaubar zu sein. Nach ihrer Sünde hatten sie jedoch etwas zu verstecken, und damit wurde ihre Nacktheit – die Unmöglichkeit etwas zu verdecken – eine Beschämung für sie.

Buscha, Lewusch, Teschuwa

G-tt kleidete sie jedoch. Das Wort „kleiden“, levush (von wajalbischem, „Und er kleidete sie“) hat die gleiche Wurzel wie das Wort Buscha, was “Scham“ bedeutet. Der Zusammenhang ist klar. Immer wenn man sich schämt, hat man das Bedürfnis die Scham zu verdecken, sich „zuzudecken“ und sich „Kleider“ anzuziehen.

Darum sagt man „Kleider machen Leute“. Die Kleider, die jemand trägt, können viel über diese Person aussagen. Die Kleidung (levush) ist ein Ausdruck des inneren Schamgefühls (Buscha). Wer sich zum Beispiel schämt, ein Jude zu sein, kleidet sich wie ein Nichtjude. Kleider enthüllen das Innere des Trägers.

Adam und Chava konnten nicht mehr länger auf ihren Zustand stolz sein. G-tt erschuf sie mit reinen, heiligen Körpern. Sie befleckten sie aber und konnten diese Tatsache nicht verheimlichen. Deshalb gab G-tt ihnen „Kleider aus Fell“. Fell oder Haut ist wörtlich genommen eine Bedeckung für die inneren Organe. Die „Fell- oder Hautkleider“, mit denen G-tt sie bekleidete, zeigten, dass sie etwas Peinliches zu verbergen hatten.

Gemäß der anderen Erklärung gab G-tt ihnen jedoch „Kleider aus Licht“.

Dies war ein Ausdruck ihres Potenzials. Wenn ein Mensch, der mit Sünde befleckt ist, sich reinigt, wird seine äußere Erscheinung wieder wie ein klarer Glasbehälter, durch den sein inneres Licht mit voller Stärke strahlen kann. Dies wird die Verwandlung der „Fellkleider“ in „Kleider aus Licht“ genannt. (Die Verwandlung des Ajin in ein Alef.)

Dies ist der Punkt: Wenn wir ein inneres Schamgefühl haben, versuchen wir, es zu verstecken. Sünden können jedoch wieder gutgemacht und gebüßt werden. Dies ist der Gedanke von Teschuwa (der ähnlich wie Buscha, Scham, buchstabiert wird). Teschuwa “verwandelt“ unsere Buscha in ein Levusch Or; Teschuwa „kehrt“ unsere uns peinlichen Fellkleider wieder um in Lichtkleider. Unser nun gereinigtes Äußeres wird wieder zu einem klaren Gefäß, durch das unsere ursprüngliche innere Schönheit nach außen strahlt. Zusammengefasst kann man sagen, dass Teschuwa die Erde (den Körper) zum perfekten Spiegel des Himmels (der Seele) macht. Das ist das Ziel.

Die Geschichte der Kleider

Unsere Weisen lehren, dass Adams Kleidungsstück von einer Generation zur nächsten weitergegeben wurde. Noach hatte es in der Arche. Er gab es seinen Söhnen.

Der böse König Nimrod eignete es sich schließlich widerrechtlich an und benutzte es bei seinem Versuch, alle davon zu überzeugen, er sei ein G-tt. Esaw erwarb es schließlich von Nimrod, woraufhin es in den ständigen Besitz der Familie von Jizchak einging. Als Jakow zu seinem Vater ging, um seinen Segen zu erhalten, verkleidete er sich. Sein Vater sollte meinen, er sei Esaw. Dabei trug er dieses Kleidungsstück. Deshalb sagte Jizchak, als Jakow damit bekleidet eintrat: „Der Geruch meines Sohnes ist wie der Geruch eines Feldes, das G-tt gesegnet hat (d.h. des Gartens Eden).“ Es war ja auch wirklich der Garten Eden, von dem dieses Kleidungsstück stammte.

Die Kleider des Jägers

Esaw seinerseits war als Jäger bekannt, und benutzte das Kleidungsstück in Wahrheit für seine Jagdabenteuer. Wenn Sie darüber nachdenken, macht dies Sinn. Denken Sie an die Fähigkeiten, die ein Jäger besitzen muss. Ein Jäger muss einem ahnungslosen Tier eine Falle stellen. Sieht das Tier den Jäger, wird es davon rennen. Der wahre Grund, weshalb ein Tier vor einem Menschen flüchtet – der Ursprung seiner Angst – ist das g-ttliche Ebenbild, das Zelem Elokim, nach dem der Mensch geschaffen wurde. Dem Jäger aber schadet die Angst der Tiere nur. Wenn sie Angst haben, flüchten sie. Deshalb muss sich der menschliche Jäger irgendwie tarnen.

Dies tat Esaw. Er wuchs im Haus von Jizchak auf, dem heiligen Mann par excellence. Um als Jäger erfolgreich zu sein, musste er einen Weg finden, seine angeborene Heiligkeit zu verdecken. Deshalb tarnte Esaw sein Zelem Elokim. Er sank auf die Stufe eines materialistischen Menschen. Er benutzte das Kleidungsstück als “Fellkleid“. Dies ermöglichte ihm, Tiere zu fangen.

Man trägt, was man ist

Daraus können wir eine sehr wichtige Lehre ziehen. Obwohl das Kleidungsstück an sich spezielle Eigenschaften besitzt, liegt es doch alleine am freien Willen seines Trägers, ob es als ein „Kleidungsstück aus Fell“ oder als ein „Kleidungsstück aus Licht“ dient. Wenn ein aufrichtiger Mensch wie Jakow es trägt, wird es zu einem Kleidungsstück, an dem man den Duft des Gartens Eden riechen kann. Wenn ein schlechter Mensch wie Esaw, der archetypische Jäger, das gleiche Kleidungsstück trägt, dann ist es wirklich ein „Kleidungsstück aus Fell“. Dies beweist, dass nicht das Kleidungsstück die Hauptsache ist, sondern der freie Wille des Menschen.

Ein Majestätsgewand

Wenn wir den Gedanken der „Kleidung aus Licht“ und der „Kleidung aus Fell“ auf einer allgemeinen Ebene betrachten, können wir eine sehr wichtige Lehre daraus ziehen. Jedes menschliche Wesen ist eine geistige Einheit, gekleidet in einen physischen Körper. Der Körper ist ein unglaubliches Werkzeug mit ganz erstaunlichen Eigenschaften. Er ist jedoch wie Adams Kleidungsstück. Er kann auf zwei Arten wirksam werden. Wenn er der Seele erlaubt, in vollem Glanz zu scheinen, strahlt ein inneres Licht aus uns heraus. Der Körper kann als „Kleidungsstück aus Licht“ bezeichnet werden, das der Schönheit unseres innersten Selbst erlaubt, für alle erkennbar zu werden.

Wenn wir aber unseren materialistischen Sehnsüchten – Wohllust, Gier, Neid – so weit nachgeben, dass wir uns durch Taten beschmutzen, die die Seele beschämen, dann werden unsere Körper zu nichts anderem als zu „Kleidungsstücken aus Fell“. Unser g-ttliches Ebenbild wird nicht sichtbar werden.

Es ist nicht unser Körper, der uns großartig macht; er ist es nicht, der uns Würde verleiht. Die Seele ist die wahre Quelle menschlicher Majestät. Unser Ziel ist der Gebrauch unseres freien Willens dahingehend, dass wir uns entscheiden, ein Jakow zu sein, und nicht ein Esaw – und dadurch unser Inneres durchscheinen zu lassen, so dass sogar der Körper zu einem Majestätsgewand wird. Tun wir dies, dann werden alle, die uns anschauen, sagen: „Es gibt nichts Verwerfliches an Jakow.“ Sie werden anerkennen, dass wir „Kleider aus Licht“ tragen.

  1. Bereschit 3,21

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