Wochenabschnitt Mischpatim – Weshalb befindet sich der Sitz des Sanhedrins neben dem ‘Misbeach’?

Datum: | Autor: Rav Chaim Grünfeld | Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag
Misbeach

וְאֵלֶּה הַמִּשְׁפָּטִים אֲשֶׁר תָּשִׂים לִפְנֵיהֶם – Und dies sind die Rechte, die du ihnen vorlegen sollst“. Raschi erklärt: „Immer, wenn das Wort “we’Ele” benutzt wird (anstatt nur ‘Ele’), bedeutet es, dass dem früher Gesagten etwas hinzugefügt wird. Die Parscha mit den ‘Dinim’ (Gesetzen) folgt der Parscha, die vom Bau des ‘Misbeach’ (Altar) handelt. Die Torah möchte uns so darauf hinweisen, dass sich das „Sanhedrin” – der oberste Gerichtshof über die Gesetze der Torah – neben dem Misbeach befinden solle.

Aus diesem Grunde erhielt das grosse Sanhedrin (Rat der 71 Ältesten) seinen Sitz in der „Lischkat haGasit“, der sogenannten ”Quaderholzkammer”, die sich im ‘Bet haMikdasch’ neben der ‘Asara’ (Hof, in dem der Misbeach stand) befand[1].

In einem grösseren Betrieb ist das Vorgehen bei der Einstellung eines neuen Mitarbeiters genau geregelt.

Wenn dem Angestellten die Anforderungen, Anweisungen und Verhaltensregeln erklärt werden, so geschieht dies immer auf Grundlage eines geregelten und schriftlich niedergelegten Ablaufs . Zuerst werden ihm die Grundregeln, der Leitsatz der Firma, vom Direktor oder jemandem aus der obersten Führungsebene direkt mitgeteilt. Die einzelnen Details und weiterführende Erklärungen folgen danach durch einen höheren Angestellten, dem Personalchef oder Betriebsmanager. Als “rechte Hand” des Direktors und oberster Verantwortungsträger stellt er die Verbindung zwischen den Angestellten und der Direktion dar. Er befindet sich daher immer in der Nähe des Direktors und kann ihn immer schnell und unmittelbar erreichen. Nach den mündlichen Erläuterungen werden dann dem neu Eingestellten die Anleitungen auch in schriftlicher Form übergeben, zusammen mit dem Arbeitsvertrag.

In jedem Betrieb kommt es vor, dass der Einsatz der Angestellten von Zeit zu Zeit nachlässt, und sie wieder zu besserer Arbeitsmoral und höherer Leistung motiviert, oder zu pünktlichem Erscheinen angehalten werden müssen. Dies geschieht – je nach Bedarf – durch verschiedene Personen. Manchmal erfolgt dies durch den Personalchef oder durch einen Abteilungsleiter. Gelegentlich ist auch ein Protokoll nötig, damit die wiederholten Abmahnungen und angedrohten Konsequenzen schriftlich genau festgehalten werden.

Ähnlich verhielt es sich bei der Übergabe der heiligen Torah, die das Leben eines Jehudi mit genauen Regelungen, Forderungen und Verhaltensanweisungen – den 613 Mizwot – bestimmt.

Zuerst hörten wir die ‘Asseret haDibrot’ (‘Zehn Gebote’), sozusagen die Grundlage der ganzen Torah, mündlich und direkt von der höchsten Instanz – von G’tt selbst. Die nachfolgenden Details und Erklärungen wurden uns durch Mosche Rabenu übermittelt, der sie direkt von Hkb“H hörte und sie uns zuerst mündlich und dann schriftlich darlegte. Bekanntlich kreisen alle 613 Mizwot um die zehn Gebote, den Grundregeln der Torah, und gelten daher als die Details der ‘Asseret haDibrot’.

Aus diesem Grund, erklären die Rischonim, bestehen die ‘Asseret haDibrot’ aus genau 620 Buchstaben, die auf die 613 Mizwot haTorah und den sieben Mizwot der Rabbanan hindeuten.

Mit der Übergabe der schriftlichen zehn Gebote, der „Luchot haBrit“ (“Bundestafeln”), wurde der Bund zwischen G’tt und Jisrael wie durch einen Vertrag besiegelt und gefestigt.

Dennoch musste der Klall Jisrael im Lauf der Generationen, immer wieder, durch die Newi’im (Propheten) auf die Gesetze G”ttes aufmerksam gemacht werden. Sie wiesen uns zurecht und forderten uns zur einer besseren Beachtung der Torah – der Basis des ganzen ‘Jahadut’ (Jüdischkeit) – auf. Deshalb sagen Chasal: „Hätte Jisrael nicht gesündigt, so hätten sie nur die fünf Chumaschim der Torah und das Sefer Jehoschua erhalten“[2]. Die Newi’im hatten schließlich nicht die Erlaubnis, den Gesetzen der Torah etwas Neues hinzuzufügen oder sie sonst irgendwie zu ändern[3]. Alle Strafpredigten der Newi’im bezogen sich daher nur auf dieselben Forderungen der Torah, nur die Form war jedes Mal anders.

In diesem Sinne lässt sich auch der Kommentar Raschis erklären: Die ‘Mischpatim’, die in dieser Parscha gegeben werden, wurden den ‘Asseret haDibrot’ hinzugefügt, sie sind also von gleichem Rang und wurden ebenfalls auf dem Berg Sinai übergeben. Sie stehen damit in keiner Weise den anderen Geboten nach; Sie wurden aber nicht zusammen mit den ‘Asseret haDibrot’ von Haschem direkt, sondern erst nachträglich durch Mosche Rabenu den Bne Jisrael übergeben.

Mosche Rabenu fungierte als Vermittler zwischen G’tt und Jisrael, und musste daher immer bereit sein, zu Hkb“H gerufen zu werden.

Er besaß daher eine besondere Stufe der ‘Newuah’, wie sie kein Nawi vor ihm besaß und auch keiner nach ihm besitzen wird – “Panim el Panim” (‘von Angesicht zu Angesicht’), eine außergewöhnlich klare und unmissverständliche Prophetie. Zudem hatte er auch die einzigartige Möglichkeit, zu jeder Zeit ohne Verzögerung mit Hkb“H sprechen zu können. Deshalb befand sich sein Wohnsitz neben dem „Machane Schechina“ (also unweit des ‘Mischkan’), ähnlich wie das Sanhedrin seinen ständigen Sitz neben dem Misbeach hatte.

Das Sanhedrin, die Nachfolger Mosche Rabenus, besaßen eine direkte Überlieferung über die Einzelheiten der Torah, die sich über alle Generationen erstreckte – die Torah schebe’al Pe (mündliche Lehre) – und waren somit mit der größten Verantwortung über das physische und geistige Wohl des jüdischen Volks betraut. Deshalb musste sich ihr Sitz genau an dieser Stelle befinden, am Ort, wo Jisrael Rechenschaft über seine Handlungen ablegte, wo sie mit den Korbanot Sühne vor G’tt für Verstösse gegen die Gesetze der Torah erflehten. Hier, an dieser Stelle neben dem Misbeach, musste das Sanhedrin über die Aufrechterhaltung der Verbindung zwischen G’tt und Jisrael wachen, indem es seine Torah und die ‘Awodat haKorbanot’ (Opferdienst) kontrollierte und beschützte.

„Deshalb”, setzt Raschi seine Ausführungen fort, „sind in diesem «we’Ele haMischpatim», dieser Verbindung zwischen der Parscha der Dine haTorah und der vorangehenden Parscha, zwei Lehren enthalten:

Zum einen ist sie mit der Parscha von „Matan Torah“ im Allgemeinen verbunden. Sie sind uns zwar nur durch einen Vermittler – Mosche Rabenu – gegeben worden, stehen diesen jedoch in ihrer Bedeutung und Geltung in keinem Mass nach. Mit dem direkten Hören der ‘Asseret haDibrot’ von Haschem alleine, wurde uns ein für alle Mal klargemacht, dass die Torah und ihre Gesetze der Wille G’ttes sind, und Er von uns verlangt, sie aufs Genaueste zu beachten.

Für die einzelnen Direktiven und Gebote der Torah genügte dann auch ein von G’tt auserkorener Vermittler.

Da der gewöhnliche Mensch so niedrig und so weit von G’ttes Heiligkeit entfernt ist, ist es ihm auch nicht möglich, stets die Einzelheiten der Torah von Hkb“H selbst direkt zu erhalten.

Zweitens lehrt uns Raschi, dass die Parschat haMischpatim direkt mit der vorangehenden Parschat haMisbeach im Einzelnen verbunden ist, weil sich der Sitz dieses ausgewählten Vermittlers – Mosche Rabenu und seine Nachfolger, das Sanhedrin – in unmittelbarer Nähe der heiligen Schechina G’ttes sein muss. Nur so können sie ihrer Aufgabe und Verantwortung gegenüber dem Klall Jisrael gerecht werden, indem sie anstelle jedes Einzelnen des Volkes fortwährend für das Empfangen und Weitergabe der Chochmat haTorah, mit der dafür nötigen Heiligkeit und Eigenschaften bereit stehen.

  1. Mischna Midot 5,4
  2. Nedarim 22b
  3. Schabbat 104a

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