Jedes Jahr wird nach „Kabbalat haTorah“ (erneuten Annahme der Torah) Parschat Nasso geleint, da sie Ratschläge und ‚Segulot‘ (erprobte Mittel) für das sichere Weiterbestehen der Torah im jüdischen Volk enthält, damit die „Hit‘orerut“ (innere Erweckung), die am vergangenen Jom Tov erfolgte, nicht so rasch vergeht.
Wie in den Sefarim haKedoschim (heiligen Büchern) gelehrt wird, muss man dafür zuerst ein spirituelles „Kejli“ (Gefäss) erschaffen, denn das Wort „Kabbalah“ – „Empfang“ – ist mit ‚Bet Kibul‘ verwandt, einem Behältnis mit einem Hohlraum.
Am Ende der Mischna lehrt uns Rabbi Jehoschua ben Levi, welches „Kejli“ man dafür benötigt:
„Lo maza Hkb“H Kli Machsik Beracha leJisrael ela haSchalom“ – „G‘tt hat kein anderes Gefäß für Jisrael gefunden, um die Beracha – die Torah – darin fassen/behalten zu können als den Frieden“. Dies lernt er aus dem Passuk (Tehillim 29,11): „Haschem Os leAmo jiten, Haschem Jewarech et Amo baSchalom“ – „Haschem wollte Seinem Volk die Stärke – die Torah – geben, daher segnete Er Sein Volk mit dem Frieden“[1].
Schalom und Achdut, Frieden und Einigkeit – „ke’Isch Echad beLew Echad“ (wie ein Mann mit einem Herzen)[2] – wenn jeder den anderen schätzt und respektiert, ihm hilft und ihn unterstützt, ohne irgendwelche Unterschiede zu machen, sich anderen gegenüber nicht arrogant oder bevormundend verhält, erschafft er so das „Kejli“, das zum Halten und Behüten der Torah benötigt wird.
Der Grund hierzu ist einfach:
Die Mizwot (Gebote) der Torah bestehen aus zwei Gruppen: die ‚Mizwot bejn Adam laMakom‘ (zwischen dem Mensch und G‘tt) und ‚bejn Adam laChawero‘ (zwischen dem Mensch und seinen Mitmenschen). Gewiss benötigen die Mizwot zwischen den Menschen und seinen Mitmenschen Achdut weSchalom, aber auch die meisten Mizwot zwischen Mensch und G‘tt können nicht ohne die Hilfe und Mitwirkung anderer Leute ausgeführt werden. Die Tefillin legt man zwar selbst an, doch wer hat sie hergestellt? Wer hat ihm überhaupt gelehrt und gezeigt, wie man sich richtig benutzt? Kann ein Mann etwa mit sich alleine ein „Minjan“ vollbringen?
Der Jehudi ist also immer auf den anderen Jehudi angewiesen, und muss daher jedermann ehren und schätzen. Aus diesem Grund wurde uns überliefert, dass das Wort כְּלִי als Abkürzung von „K-ohen, L-evi und J-israel“ verstanden werden kann. Auch wenn es im Klall Jisrael verschiedene Gruppen von Menschen wie z.B. Zadikim und Bejnonim (Gerechte und Mittelmässige), Talmide Chachamim und Ba’ale Batim (Gelehrte und Hausleute), Ba’ale Chessed und Ba’ale Tefila (herausragend in Wohltätigkeit oder im Gebet) gibt, jeder mit seinen besonderen Stärken, so bilden sie jedoch nur dann ein „Kejli“ für die Torah, wenn sie alle zusammenarbeiten. Dies wird besonders mit der „Keriat haTorah“ verdeutlicht, wo jeweils einer aus jeder Gruppe aufgerufen wird; Denn die Torah benötigt ein Kejli bestehend aus Kohanim, Lewijim und Jisraelim.
Aus diesem Grund wird aus immer vor und nach „Matan Torah“ von dieser Einteilung des Klall Jisrael gelesen.
Als das jüdische Volk um das Mischkan herum – das Zentrum der Torah – lagerte, gab es drei ‚Machanot‘ (Lager); auch die Arbeitsverteilung und das Recht sich dem Mischkan zu nähern wurde unter diesen drei Klassen unterschiedlich verteilt. Dieser Unterschied durfte jedoch das Achdut und der Schalom im Klall Jisrael nicht gefährden! Daher warnt die Torah gleich nach dem Ende dieser Ausführung Aufteilung (Bam. 5,1-10), dass jeder Aussätzige und Unreine aus dem Lager geschickt werden solle. Wer „Laschon haRa“ (üble Nachrede) spricht oder sonstige unreinen Absichten hegt, stört diese Einigkeit und den Hausfrieden im gesamten Volk.
Schalom und Achdut beginnt jedoch bereits im eigenen Hause, im eigenem Zelt. So folgen dieser „Achdut-Lehre“ die Parscha (5,11-31) der ‚Sota‘ (der des Ehebruch verdächtigten Frau) und die Parscha (6,1-21) des ‚Nasir‘ (der u.a. dem Weingenuss entsagt), die uns lehrt, dass jeder, sei es Mann oder Frau, seine Triebe zügeln muss, um damit die g’ttliche Schechina (Präsenz) unter dem eigenen Dach ruhen zu lassen[3].
Wer diese ständigen Prüfungen erfolgreich meistert, der wird mit der anschließenden „Birkat Kohanim“ (6,22-27) gesegnet: „weJassem lecha Schalom“ – „Haschem gebe dir Frieden“.
Wer aus der Parscha der Sota und des Nasir seine Lehren gezogen hat, Streit aus dem Weg geht, gegen Versuchungen und Eifersucht (Kin’ah) ankämpft, indem er Haschem gelobt, sich in der „Awodat Haschem“ zu verbessern, der findet den Schalom, sei es eine harmonische Beziehung zu Hause und mit seinen Mitmenschen, oder den inneren Seelenfrieden und damit eine harmonische Verbindung und Vereinigung mit Haschem.
Die Parscha (7,1-88) schliesst mit der ausführlichen Beschreibung der Korbanot (Opfergaben) aller Nessi’im (Stammesfürsten). „Auch wenn sie alle ein- und dasselbe darbrachten“, lehren Chasal, „besass jeder seine eigene ‘Kawana’ dabei“[4]. 12 Stämme, jeder mit seinen Minhagim (Bräuche) und ‚Nussach haTefila‘[5] (Gebetsritus), es ist aber trotzdem ein Volk, es gibt keinen Unterschied zwischen dem einen und dem anderen, so wie alle die gleiche Torah ohne jeglichen Unterschied besitzen!
- Ende Massechet Ukzin ↑
- Siehe Raschi und Mechilta zu Schmot 19,2 ↑
- Siehe hierzu Sota 17a ↑
- Siehe Raschi (7,85) und Sifri Suta (7,84), dass alle Geräte genau dasselbe Mass und Gewicht hatten, und sie ebenso die gleichen Tiere als Korban darbrachten. Denn niemand wollte sich über den Anderen stellen. Im Midrasch Bamidbar Rabba wird ausführlich bei jedem Stamm dargelegt, welche Absichten (Kawanot) und Symbolik hinter den Zahlen ihrer Korbanot steckte. Siehe ferner Siporno (7,13). ↑
-
Wie der Arisa“l offenbarte, betete jeder Stamm auf seine eigene Weise gemäss ihren eigenen Benötigungen. ↑