Wochenabschnitt Schmot – Die Sünden der Zadikim und ihre Reue

Datum: | Autor: Rav Chaim Grünfeld | Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag
Sünde

וַיְהִי בַדֶּרֶךְ בַּמָּלוֹן וַיִּפְגְּשֵׁהוּ ה‘ וַיְבַקֵּשׁ הֲמִיתוֹ…

„Es war auf dem Weg, in der Herberge, da trat ihm Haschem entgegen und wollte ihn töten. Da nahm Zippora ein Felsstück und schnitt die Vorhaut ihres Sohnes ab… darauf ließ er ab von ihm” (4,24-25).

Raschi zitiert die Erklärung von Chasal, wonach sich Mosche Rabenu, als sie in der Herberge ankamen, zuerst mit ihrer Unterkunft beschäftigte, anstatt sofort bei seinem Sohn die ‘Brit-Mila’ vorzunehmen . Der Chatam Sofer sZl. begründet dies so: „Mosche Rabenu wollte seinen Sohn erst später, vor dem Auszug Jisraels aus Mizrajim beschneiden, weil er ihn wegen der Reise von Midjan nach Mizrajim, sowieso nicht „biSmano” (zur richtigen Zeit) am achten Tag beschneiden konnte. Er wollte diese Mizwa dann zusammen mit dem ganzen Klall Jisrael vor Pessach ausführen. Hkb“H wusste jedoch, dass Mosche seine Familie bald darauf wieder nach Midjan zurückschicken würde[1], und diese dann beim Auszug aus Mizrajim gar nicht dabei sein werden”[2].

Diese Erklärung hat jedoch nichts mit der im Passuk erwähnten „Herberge” gemeinsam.

Es scheint, dass der Chatam Sofer das Wort במלון nicht wie üblich mit „Herberge” übersetzt , sondern vom Wort „מול – beschneiden” ableitet[3]: Haschem wollte Mosche auf dem Weg töten, „wegen der Mila”, die er vernachlässigte.

Gemäss der Meinung von Chasal und Raschi aber, hatte sich Mosche vorrangig mit der Unterkunft beschäftigt, anstatt mit der Brit-Mila seines Sohnes, und musste dieses Versäumnis beinahe mit dem Leben bezahlen. Es ist klar, dass es sich hier um einen haarfeinen „Dikduk beZadikim” (strenges Richten der Frommen) handelt. Einem gewöhnlichen Sterblichen, der sich eben nach der Reise in seine Unterkunft einquartiert hat, wird wohl kaum ein so menschliches Verhalten vorgeworfen und sogar mit dem Tode bestraft.

Dennoch lässt auch uns diese drohende Bestrafung des neu ernannten „Manhig und Zadik haDor” (Anführer und ‘Gerechter der Generation’), dem zukünftigen Erlöser Jisraels, aufhorchen.

Von Mosche Rabenu, dem großen Vorbild eines selbstlosen, untertänigen “Ewed Ne’eman” (treuergebenen Diener)[4], wird ein anderes Verhalten erwartet. „Derselbe G’tt, der ihn soeben mit einer so großen und wichtigen Botschaft betraut und ausgesandt hatte”, schreibt Raw S.R. Hirsch sZl., „trat ihm plötzlich entgegen und zog es vor, ihn lieber sterben zu lassen. Mosche ging doch hin, um die Erlösung eines Volkes zu vollbringen, dessen ganze Bedeutung von der Brit-Mila abhängt. Soll er in den Kreis dieses Volkes ein unbeschnittenes Kind bringen? Lieber ihn sterben lassen, als ihn mit solchem Beispiel seine Sendung antreten lassen!”

Auf diese Weise versteht Raw Hirsch auch dieses „”ויבקש המיתו nicht als „Er wollte ihn töten”, sondern „Er wollte ihn lieber töten lassen”. G’tt, der Barmherzige, wünscht sich nicht den Tod eines Menschen, denn wenn Er töten will, so ist man sofort tot. Die Torah möchte damit den Punkt hervorheben, dass G’ttes Plan zwar von Seinen dazu auserwählten Boten abhängt. Dennoch ist selbst ein „Mosche Rabenu” entbehrlich, falls er nicht mehr für diese Gesandtschaft in Frage kommt. Es wird ihm daher auch selbst als g’ttlicher Bote nicht die geringste Vernachlässigung der Mizwot nachgesehen! „Harbe Schlichim laMakom – G’tt verfügt über genügend Boten”.

Er muss daher weder Kompromisse schließen, noch Zugeständnisse machen.

Eine weitere schöne Erklärung dieses „wajewakesch hamito“ schreibt Raw Jakov Zwi Mecklenburg sZl., der Königsburger Raw. Ihn stört ebenfalls die erwähnte Frage, wieso die Torah gegenüber Haschem den unpassenden Wortlaut „Er wollte ihn töten” benutzt, weil Er nicht den Tod des Menschen will, und falls Er es tut, so ist es kein Wille, sondern eine unumstößliche Tatsache.

Des Weiteren fragt er, sollte es eigentlich lehamito“ heissen, und drittens ist es schwer zu verstehen, wie bei einem solchen kleinen Vergehen gleich die Todesstrafe angedroht wird, was selbst mit der Begründung von „Dikduke Zadikim“ schwer nachvollziehbar ist.

Deshalb möchte er, anders als die übliche Interpretation, diese Worte „wajewakesch hamito“ nicht auf Hkb“H, sondern auf Mosche selbst beziehen. Als Mosche Rabenu sein Vergehen bemerkte, erkannte er das Missfallen von Haschem über seine Tat. Diese Sünde rechnete sich Mosche selbst so hoch an, dass er nicht mehr leben wollte! „Was nützt mir meine Existenz, wenn ich in G’ttes Augen als ‘Rascha’ (Frevler) gelte!” Deshalb „wajewakesch hamito”, er – Mosche – wünschte sich seinen eigenen Tod [und deshalb steht nicht ”lehamito – ihn töten lassen”]. Ähnliches finden wir nach der Sünde des “Egel haSahaw” (‘goldenes Kalb’), als Mosche G’tt bat, ihn nicht mehr am Leben zu lassen[5].

Hier zeigt uns die Torah das wahre Vorbild eines “Manhig und Zadik haDor”, der den Sinn seines Lebens immer klar vor Augen hat und diesem strikt folgt.

Es geht um nichts anderes als die Ausführung der g’ttlichen Gebote und des g’ttlichen Willens. Und falls dieser Aufgabe nicht konsequent nachgelebt wird, ist Mosche Rabenu sofort bereit, sein Leben wegzugeben, um ‘chalila’ (G’tt behüte) keine Minute vor Haschem als Sünder dazustehen!

  1. siehe Raschi Schmot 18,2
  2. Chatam Sofer Parschat Waera 5583
  3. siehe haKetaw weHakabala
  4. Gemäss Schmot 14,31, Bamidbar 12,7 und Mal’achi 3,22
  5. haKetaw weHakabala

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