Wochenabschnitt Vajikra – Mosches „größte“ Aufgabe – die Lehre der Korbanot

Datum: | Autor: Rav Chaim Grünfeld | Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag
Korbanot

Die Lehre der Korbanot
„Wajikra el Mosche… Adam ki jakriv mikem Korban laSchem – Er rief den Mosche… Ein Mensch, der von euch ein Korban darbringen möchte“.
Im Midrasch Tanchuma wird zu diesem Passuk folgendes gelehrt: „Sieben Tage lang musste Hkb“H Mosche Rabenu überreden zum Pharao zu gehen, bis er schließlich einwilligte. Danach meinte Mosche, dass er seine Sache erledigt hatte. Doch Hkb“H schickte ihn immer wieder zu Pharao, um diesen vor der nächsten ‘Makka‘ (Plage) zu warnen.

Die Aufgabe von Mosche – das Lehren der Korbanot

Mosche wollte die Führung des jüdischen Volkes nicht übernehmen und flüchtete davor, die Herrschaft lief ihm jedoch nach. So führte er die Bne Jisrael aus Mizrajim, spaltete das Jam Suf (Schilfmeer), brachte ihnen das ’Mon’ vom Himmel herunter und baute das Mischkan. Jetzt meinte er, dass er seine Aufgabe endlich erledigt hätte und wollte sich ausruhen. Da sagte ihm Hkb“H: „Ich habe noch eine viel größere Aufgabe für dich als diejenige, die du schon geleistet hast: Lehre dem Volk die Halachot von „Tum‘ah und Tahara“ (Reinheitsgesetze) und bringe ihnen bei, wie sie vor Mir Korbanot darbringen sollen“. Dies meint der Passuk mit „Wajikra el Mosche… Adam ki jakriw mikem Korban laSchem“[1].

Der Midrasch zeigt uns ganz deutlich die Bescheidenheit von Mosche Rabenu. Diese besondere Eigenschaft definierte seine außergewöhnliche Persönlichkeit. Dennoch sehen wir in der ganzen Torah das gewaltige ‘Messirut Nefesch‘ (Hingabe / Aufopferung) von Mosche für den Klall Jisrael. Spätestens nach ‘Matan Torah‘ musste Mosche begriffen haben, dass er der „Manhig haDor“ war, der Anführer des Klall Jisraels, und er meisterte diese Aufgabe bis zu seinem Ableben auf glanzvolle und beispielhafte Weise. Es ist daher unverständlich, wie er nach dem Bau des Mischkan annehmen konnte, dass er seine Aufgabe erledigt hätte? Es ist auch schwer zu verstehen, warum die Lehre der Korbanot und der Reinheitsgesetze als „größere“ Aufgabe als Jeziat Mizrajim etc. bezeichnet wird.

Vereinigung zwischen G’tt und Jisrael

Mosche Rabenu verstand es als das Wichtigste an seiner Aufgabe, das Niederlassen der „Schechina haKedoscha“ (heilige G’ttliche Präsenz) in der Mitte von Jisrael zu bewirken. Diese Aufgabe hätte er eigentlich mit ‘Matan Torah‘ erfüllt, doch durch die Sünde des Egels (goldene Kalb) wurde dieses Ziel erst mit dem Bau des Mischkan erreicht. Haschem gab ihm aber zu verstehen, dass diese Aufgabe tatsächlich für den jetzigen Moment erfüllt sei, aber noch nicht abgeschlossen war. Jetzt mussten nämlich Vorkehrungen für die Zukunft getroffen werden, damit diese Vereinigung zwischen G’tt und Jisrael auch weiterhin, für alle Zeit – unabhängig von deren momentaner geistiger Verfassung und Madrega (Stufe) – gewährleistet ist.

Dies war der Zweck der Korbanot und der ‚Hilchot Tum‘ah weTahara‘, durch die jeder Ba’al Awera (Sünder), der sich durch seine Sünde von Hkb“H entfernt hat, wieder mit der ‘Schechina‘ vereinen kann. So interpretiert der Ramban das Wort „Korban” als „sich näher bringen”[2]. Der Ba’al Teschuwa bringt sich selbst wieder zu G‘tt näher und kehrt zu seiner Quelle und Ursprung, zum ‚Mekor haKeduscha‘, zurück. Die Reinheitsgesetze hingegen lehren uns, wie der jüdische Körper und die Neschama vor Unreinheit geschützt und bei eventueller Verunreinigung wieder gereinigt werden.

Auf diese Weise hilft der Midrasch die oben erwähnten Psukim zu verstehen: „Wajikra el Mosche“, Hkb“H rief den Mosche zu sich, bevor Er mit ihm sprach, was ein Ausdruck der Liebe ist[3]. Um diese Liebe von Haschem zum Klall Jisrael ewig aufrecht zu erhalten, sagte Hkb“H: „Adam ki jakriw mikem Korban laSchem – wer von euch ein Korban zu Haschem darbringen möchte“, und übergab Mosche das „Sefer Wajikra“, das insbesondere die Reinheitsgesetze und die Mizwa der Korbanot beinhält.

Lernen statt der Korbanot

Da wir heute leider kein „Bet haMikdasch“ besitzen, steht uns das Lernen der Torah an Stelle der Korbanot zur Verfügung. So sagen Chasal: „Jedem, der die Parschijot der Korbanot lernt, wird es angerechnet, als ob er diese darbringt“[4].

Es ist die Torah, die den Klall Jisrael wieder mit Hkb“H vereint. So ist das gerade in heutiger Zeit deutlich erkennbare Phänomen zu erklären, wie Jehudim, die weit entfernt von Jidischkeit sind, plötzlich den Weg zurück zu ihrer Wurzel finden. Dies geschieht manchmal anhand der bloßen Teilnahme an einem ‘Schiur Torah‘ oder auch nur dank einer einzigen ‘Drascha‘ (Predigt), die ihr verschlossenes Herz öffnet. Die Torah ist unser heutiges „Korban“, sie gibt uns die Möglichkeit, in jeder Lage Hkb“H näher zu kommen und sich mit Ihm zu vereinen. Und so wie einst die „Hilchot Tum’ah weTahara“ die Aufgabe besaßen, den Jehudi von seiner Unreinheit zu reinigen, kann man heute seine befleckte Neschama durch den ‘Limud haTorah‘ reinigen und sich wieder mit G’tt vereinen.

Zusammenstoss mit Amalek

Diese Lehre können wir aus unserem ersten und letzten Zusammenstoß mit Amalek j“s entnehmen. Chasal lehren aus dem Passuk: „Wajawo Amalek wajilachem im Jisrael biRefidim – und es kam Amalek und führte Krieg mit Jisrael in Refidim“ (Schmot 17,8). Da bereits zuvor erwähnt wurde, dass Jisrael in der Ortschaft „Refidim“ lagerte (17,1), ist die wiederholte Erwähnung dieser Ortschaft eigentlich unnötig. Sie wird daher als Fingerzeig gedeutet, aufgrund welcher Sünde es Amalek überhaupt möglich war gegen Jisrael in den Krieg zu ziehen.

„ScheRafu azman min haTorah“[5], weil Jisrael sich nicht genügend mit der Torah beschäftigt hatte (“rafu” bedeutet soviel wie “schwach” oder ”locker”). Als Amalek gegen Jisrael in den Krieg zog, war das noch vor ‘Matan Torah‘, sie besaßen weder Mischkan noch Korbanot. Sie kannten nur einige Halachot der Torah, mit denen sie sich hätten beschäftigen sollen[6]. Und sogar diese wenigen Teile der Torah hätten sie derart schützen können, dass Amalek sich nicht einmal gegen sie hätte erheben können!

Sie aber vernachlässigten die Torah, und schwächten dadurch ihren Bund mit Hkb“H. Wie von einem Magnet angezogen, erhob sich sofort gegen sie der Frevler Amalek, gestärkt durch ihre Schwäche. Erst als Mosche Rabenu Jisrael mit seinen gegen den Himmel erhobenen Händen darauf aufmerksam machte, ihr Herz, ihre „Emuna und Bitachon“ zu Hkb“H zu stärken, gelang es ihnen, sich wieder mit G‘tt zu vereinen. Darauf fasste Haschem den Kampf von Amalek als eine persönliche Fehde gegen Ihn auf und erklärte ihm den ewigen Krieg – „Milchama laSchem ba’Amalek miDor Dor – “ (Schmot 17,16).

Haman – Amaleks Nachkomme

Auch über Haman j“s, Amaleks Nachkomme, sagen Chasal, dass er seine Kraft nur deshalb erhielt, weil Jisraels die Torah vernachlässigte[7]. Ab dem Moment jedoch, da „kimu weKiblu“, sich Jisrael wieder der Torah zuwandte und diese von Neuem auf sich nahm[8], verlor Haman all seine Macht und Größe von einem Moment auf den anderen. Warum? Weil Hkb“H sich sofort für das Wohl Jisraels einsetzte, als sich das Volk wieder mit Hkb“H vereinte. Der Angriff Hamans wurde nun als eine persönliche Auseinandersetzung mit Haschem betrachtet und dementsprechend waren die Folgen.

Parschat Sachor

Die einzige „Keriat haTorah” (Torahlesung), die von der Torah aus ausdrücklich vorgeschrieben wird, ist das jährliche Leinen von “Parschat Sachor“, damit das Gedenken an Amaleks Untat nicht in Vergessenheit gerät[9]. Es genügt dies einmal pro Jahr auszuführen, aber ein fester Zeitpunkt ist dafür nicht vorgeschrieben. Weshalb Chasal das jährliche Leinen von „Parschat Sachor“ gerade vor Purim festgelegt hatten[10], begründen manche mit der Verwandtschaft von Haman mit Amalek. Dieser Grund allein genügt aber nicht!

Mir scheint, dass uns hier nochmals die Ähnlichkeit zwischen dem Kampf von Amalek und der Bedrängnis durch seinen Nachkommen Haman j“s vor Augen geführt werden soll: Die Feinde Jisraels haben nur dann eine Chance gegen Jisrael, wenn der Klall Jisrael nicht zumindest durch die Torah mit Hkb“H geeint ist. Solange dieses ‘Achdut‘ (Einigkeit) besteht, hat Jisrael nichts zu befürchten, denn (Schmot 14,14) „Haschem jilachem lachem, we‘Atem tacharischun – Er streitet für euch, ihr aber schweigt“.

  1. Midrasch Tanchuma Parschat Wajikra 3
  2. Ramban Wajikra 1,9
  3. Siehe Raschi Anfang Parschat Wajikra gemäss Torat Kohanim
  4. Menachot 110a
  5. Sanhedrin 106a und Mechilta Schmot 17,1
  6. Siehe Raschi Schmot 15,26
  7. Megila 11a
  8. Schabbat 88a
  9. Tosfot Megila 17b
  10. Mischna Megila 29a

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