„Wajera elaw Haschem be’Elone Mamrej – G’tt erschien ihm im Hain des Mamrej“.
Am dritten Tag nach der „Brit Mila“ von Awraham Awinu erschien ihm Haschem, als er in „Elone Mamre“, den Hainen seines Freundes Mamrej wohnte. Raschi erklärt, weshalb der Passuk uns den genauen Ort angibt, an dem ihm die Schechina erschien: Um „Mamrej“ zu ehren, der Awraham Awinu bei der „Mizwat haMila“ unterstützte und ihm riet, diese auszuführen.
Dieser von Raschi zitierte Midrasch gibt den Meforschim (Kommentatoren) ein schweres Rätsel auf.
Wozu benötigte der grosse Zadik Awraham einen solchen Ratschlag?
Bekannt dazu ist die Erklärung des Rabbi Elijahu Misrachi sZl. (Re’em), der Oberrabiner von Konstantinopel (gest. 5286/1526), der schreibt: „Awraham Awinu hätte zweifellos diese grosse Mizwa ohnehin ausgeführt. Er wollte nur die Gelegenheit ergreifen, seine drei Bundesgenossen Aner, Eschkol und Mamrej zu prüfen, die ihm immer ihre Freundschaft beteuert hatten. Jetzt konnte er sehen, wer von ihnen tatsächlich ein echter Freund war, und ihn bei der Mila unterstützte. Aner und Eschkol hielten dieser Prüfung nicht stand, sie sahen in der Mila eine Gefahr für Awraham und rieten ihm daher davon ab“.
Seine Worte benötigen jedoch eine Erklärung: Weshalb waren Aner und Eschkol keine guten Freunde?
Sie sorgten sich doch um das Wohlergehen von Awraham Awinu und um seine Sicherheit?
Im Midrasch wird erklärt, dass Awraham Awinu bereits in Ur-Kasdim alle Mizwot der Torah (ausser ‘Brit Mila’) und sogar die erst später verordneten Pflichten der Rabbanan ausführte. Da sprach G’tt zu ihm: „Du erfüllst alle meine Gebote und wohnst unter diesen Götzendienern? Geh weg von ihnen – „Lech lecha meArzecha“[1].
Auch dieser Midrasch benötigt eine Erklärung: Warum musste Awraham von Ur-Kasdim auswandern, wenn er doch sogar zwischen diesen Rescha’im ein Zadik war, der alle Mizwot der Tora erfüllte? Und was war in Erez Kena’an besser?
Auch dort wohnte Awraham ja auch unter Götzendienern?
Unsere Weisen sZl. berichten von Jochanan Kohel Gadol, der dieses Amt 80 Jahre lang inne hatte, und danach ein „Zeduki“ (Anhänger der ketzerischen Sekte der Sadduzäer) wurde[2]. Wenn man bedenkt, von wem hier die Rede ist, sollte sich bei uns die Alarmlampen angehen! Jochanan war zu jenem Zeitpunkt wohl mindestens 100 Jahre alt. 80 Jahre lang war er am Jom Kippur ins ‘Kodesch Kodschim’ (Allerheilgste des Tempels) hinein gegangen, ohne Schaden zu erleiden. Er war demnach ein Zadik und ein heiliger Mann, der sicher eine starke Emuna (Glaube) und reine Haschkafa (Weltanschauung) hatte. Was geschah also mit Jochanan Kohen Gadol? Wie konnte ein solcher Sinneswandel zustande kommen?
Der Bne Jisachar schreibt: man solle nicht annehmen, dass Jochanan, chalila (G’tt behüte), völlig von seiner Emuna und Haschkafa abgefallen und ein echter ‘Zeduki’ geworden sei. Chasal sprechen lediglich von einem kleinen Verstoß von Jochanan, der im Verhältnis zu seiner Größe und hohen Madrega bereits als tatsächlicher Abfall betrachtet wird![3]
Wer die jüdische Geschichte jener Zeit kennt, weiss über das Problem der Chaschmonäer-Könige Bescheid.
Sie kümmerten sich zu sehr um Regierung und Landespolitik, anstatt sich (nur) mit der ”Awodat haMikdasch” zu befassen. Ihr Freundeskreis bestand daher aus einflussreichen Zedukim und Abtrünnigen (Misjawnim/Hellenisten). Durch diese Beziehungen wurden leider die Einstellungen und Ideologien (Haschkafot) der Zedukim auch an Personen vermittelt, die eigentlich keine Anhänger des ‘zedukischen Apikorsut’ waren. Das führte dazu, dass sogar ein so großer Zadik wie Jochanan Kohen Gadol straucheln konnte. Daher warnten Chasal: „…אל תאמין בעצמך עד יום מותך – Glaube nicht an dich bis zum Tag deines Todes, denn siehe den Jochanan Kohen Gadol, der 80 Jahre amtierte, wurde dennoch zum Schluss ein Zeduki“[4].
Dies könnte auch der Grund dafür gewesen sein, dass Hkb“H Awraham Awinu von Ur-Kasdim wegschickte. Auch wenn Awraham dort alle Mizwot erfüllte, bestand dennoch die Gefahr – selbst für einen solchen Ba’al Emuna (Gläubigen) wie Awraham – einer Beeinflussung durch seine g’ttlose Umgebung. Nicht dass dieser Zadik, der für seine Emuna bereits in den Feuerofen gegangen war, etwa einer ernsthaften Gefahr ausgesetzt gewesen wäre. Doch selbst eine geringe Trübung seiner Emuna wäre dem Awraham als großes Vergehen angerechnet worden – und vielleicht hätte er dadurch nicht mehr als „Vater des Klall Jisrael“ fungieren können!
Daher schickte ihn Hkb“H von dort weg.
In Erez Jisrael war es tatsächlich etwas besser, denn in Jeruschalajim wirkten die Zadikim ‘Schem und Ewer’, und unterhielten eine Jeschiwa. Die Kena’anim waren anscheinend etwas offener und ließen sich leichter von Awraham Awinu zur wahren Emuna überzeugen.
Somit verstehen wir, weshalb es Awraham so wichtig war, die Freundschaft seiner drei Bundesgenossen zu prüfen. Sicher waren auch Aner und Eschkol gute Freunde von Awraham, aber sie waren nicht dazu geeignet, seine engen Freunde und Bundesgenossen zu sein. Mit ihrer krummen Haschkafa waren sie eine Gefahr für Awrahams Zidkut.
Selbst der bereits der 99jährige Zadik Awraham, der „Rosch haMa’aminim“, musste ständig seine Umgebung und seinen engsten Freundeskreis überprüfen, um nicht schlecht beeinflusst zu werden, wie ihm dies Haschem mit dem Befehl aus Ur-Kasdim auszuwandern gelehrt hatte.
Denn selbst gut gemeinte Ratschläge wie diejenigen von Aner und Eschkol, können unbewusst ernsthafte Probleme in der jüdischen Emuna und Haschkafa aufkommen lassen!
- Tanchuma Anfang Lech lecha. ↑
- Berachot 29a ↑
- Bne Jisachar (Chodesch Kislev 4, 25) von Rabbi Zwi Elimelech Shapiro sZl., der Raw von Dinav-Galizien (gest. 5601/1841). ↑
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Berachot ibid. ↑