Ijar – der Vorbereitungsmonat zu “Kabbalat haTora”

Datum: | Autor: Rav Chaim Grünfeld | Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag
Ijar

 

«Chodesch Siw – Monat des Glanzes»

Im Sefer Melachim (I. 6,1/37) wird der Monat Ijar “Chodesch Siw” genannt, was jedoch nur symbolisch gemeint ist und nicht der echte Monatsname ist[1]. Dafür gibt es mehrere Gründe:

a) Siw Ilanot [Glanz der Bäume] – Die Chasal erklären die hinter diesem Namen steckende Symbolik gemäss den aufgehenden Knospen der Pflanzenwelt, die in der Frühlingszeit stattfindet. “Siw” – “der Glanz” – deutet auf die im Ijar aufleuchtende und glänzende Blütenpracht der Blumen und Bäume hin[2]. Anderen zufolge sind damit nicht die Blüten selbst gemeint, die im Ijar zumeist bereits wieder abfallen, sondern die erstmals erkennbaren Früchte, die bisher durch die Blüten verdeckt waren und nun sichtbar werden. Der wahre Glanz eines Baumes sind seine Früchte[3].

b) Siw haSchemesch [Glanz der Sonne] – Der Mahara“l von Prag erklärt, dass der Ijar deshalb “Siw“ genannt wird, weil in diesem Monat die Sonne schon in ihrem vollen Glanz erscheint, jedoch noch nicht so wie in den Sommermonaten glühend brennt und ein gleissendes, blendendes Licht verbreitet. Es gibt daher kein klareres, strahlenderes Sonnenlicht als in diesem Monat[4].

c) Siw ha’Awot [Glanz der Väter] – Nach einer anderen Meinung von Chasal ist „Siw“ eine Andeutung auf die “Awot haKedoschim” (heiligen Stammesväter) – Awraham, Jizchak und Jakov Awinu – welche זִיוְותָנֵי הָעוֹלָם, den “Glanz der Welt“ darstellen[5]. Raschi erklärt, dass obwohl die Awot bereits im Monat Nissan geboren wurden, sie mit ihrer Anwesenheit auf der Erde erst ab dem Monat Ijar die Welt von Anfang eines Monats an erleuchteten[6].

Der Ben Isch Chai gibt dies so zu verstehen, dass ihre Anwesenheit auf der Erde im Nissan nicht so recht zählte, weil ein Neugeborenes bekanntlich erst nach einem Monat als „lebensfähig“ bezeichnet wird[7].

d) Siw Berachot [Glanz des Segens] – Im Sohar haKadosch wird diesem Monat eine besondere Eigenschaft der Beracha zugeschrieben: “Weshalb wurden die Bne Jisrael in der Wüste am ersten Tag des Monats “Ijar” gezählt?[8] Weil sich in diesem Monat der “Siw der Welt” – der “Blütenglanz aller Pflanzen” entfaltet. Dies deutet auf die Entfaltung des “Glanzes aller Berachot“ hin, denn alle materiellen und natürlichen Geschehnisse auf dieser Welt hängen mit den himmlischen Ereignissen zusammen. Deshalb verursachte das Zählen des jüdischen Volkes in diesem Monat keinen Schaden, obwohl normalerweise beim Zählen jeglicher Dinge ein “Ajin haRa” entsteht, da der Monat Ijar eine Zeit der besonderen Beracha ist”[9].

e) Siw haSchechina [Glanz der G’ttlichkeit] – Wie erwähnt wurden die Bne Jisrael am ersten Ijar gezählt, nachdem das Mischkan am ersten Nissan aufgestellt und eingeweiht wurde. Der Kli Jakar erklärt, dass sie erst einen Monat später gezählt wurden, weil dann die Schechina bereits 30 Tage lang wieder auf Jisrael ruhte – nachdem sie bei der “Sünde des Egels” (‘goldenen Kalb’) von ihnen gewichen war. Ihre Rückkehr wurde somit eine dauerhafte, die dem Klall Jisrael die eben erlangte Sühne bestätigte[10]. Deshalb wird der Monat Ijar “Siw” genannt, weil damit die Freude über die Rückkehr der “Schechina haKedoscha”, des g’ttlichen Glanzes, bezeichnet wird[11].

f) Siw Chodesch Nissan [Glanz des Monats Nissan] – Gemäss dem Chidusche haRi“m von Gur sZl. stellt der Monat Ijar den Abglanz des vergangenen Nissan dar. Im Monat Nissan erleuchtete Hkb“H die Welt mit Seiner uns offenbarten G’ttlichkeit, als Er uns aus Mizrajim erlöste [“Bechinat Panim”, wie ein uns zugewendetes Angesicht]. Im Monat Ijar hingegen, erhellt uns nur ein kleiner Schimmer, ein Abglanz dieses Licht Seiner G’ttlichkeit, mit der Er die Welt im Nissan beleuchtet hat [“Bechinat Achor”, eine nur von hinten gesehene Erscheinung G’ttes[12]][13].

g) Siw ha’Adam [Glanz des Menschen] – Laut anderen spielt die Bezeichnung “Siw” auf die aus Mizrajim ziehenden Bne Jisrael an, die aus ihrem furchtbaren Elend befreit und von all ihren Gebrechen geheilt waren und wieder ihren menschlichen Glanz erlangten, um für den Empfang der Torah bereit zu sein[14].

h) Siw haTorah [Glanz der Torah] – Der Mahara“l von Prag sZl. erklärt anhand des Passuks in Jecheskel (43,2) “weha’Aretz he’irah miKewodo – die Erde erstrahle von Seiner Ehre”, dass der “Kawod“ (Ehre) mit “Orah” (Licht) verglichen wird. Bekanntlich gibt es in keiner Jahreszeit so viel Licht und Glanz auf der Welt wie zwischen Pessach und Schawuot, in dem die Luft klar, rein und gut ist. Deshalb heißt der Monat Ijar “Siw”, weil in dieser Zeit Licht und Strahlen auf der Welt herrscht. Daher wurde die Torah am Ende des Frühlings, am Ende dieser strahlenden Zeit gegeben, als Andeutung auf den “Kawod” und “Or haTorah”. Somit gibt er auch zu verstehen, weshalb die Schüler von Rabbi Akiwa gerade in dieser Zeit starben, weil sie sich nicht gegenseitig “Kawod haTorah” erwiesen[15], d.h. den anderen mit Licht [strahlendem Gesicht und angenehmer Weise] zu begegnen[16].

i) Siw Bet haMikdasch [Glanz des Tempels] – Rabbi Zadok haKohen von Lublin sZl. wiederholt in seinen Werken öfters diese Regel: “Dort, wo eine Sache in der Torah zum ersten Mal erwähnt wird, dort befindet sich ihre Wurzel und Quelle[17]. Die Stelle, an der das erste und einzige Mal die Bezeichnung “Siw“ in T’nach vorkommt, handelt vom Baubeginn des ersten “Bet haMikdasch“. Mir scheint daher, dass diese beide Begriffe in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Der Monat Ijar wird deshalb als Monat des “Glanzes“ (Scheins) bezeichnet, weil in ihm mit dem Bau des “Lichts der Welt”, wie das Bet haMikdasch von Chasal bezeichnet wird[18], begonnen wurde[19]. – [Weitere Erklärungen siehe weiter unten].

«Die Bedeutung des Namens Ijar»

Der Name “Ijar” taucht erstmals im Targum auf[20]. In einem unbekannten Midrasch wird der Name “Ijar“ mit dem in diesem Monat erstmals herunterkommendem “Mon“ in Verbindung gebracht. Das ‘Mon’ wurde von Hkb“H dem Klall Jisrael “bePanim me’irot“, sozusagen mit strahlendem Gesicht gegeben, wie es im Passuk heißt (Schmot 16,10): “Sie wandten sich zur Wüste und siehe, die Ehre von Haschem erschien in einer Wolke“. Die Offenbarung der g’ttlichen Ehre beim ‘Mon’ wurde damit zum Symbol dieses Monats, denn das Wort “נראה” – “erschien” kommt von “Or” – “Ijar”[21].

Auch in einem dem Rabbi Pinchas haPajtan, einem Schüler von Rabbi Elieser haKalir sZl., zugeschriebenen Pijut, wird eine ähnliche Deutung erwähnt: “Ijar kommt von ‘Or’ (Licht), denn das Mon war (Bamidbar 11,7) “kiSra Gad Lawan” – wie weißer (leuchtender) Koriandersamen”[22]. So lässt sich auch die früher erwähnte Bezeichnung “Siw” als Anspielung auf den Monat Ijar deuten, da sie sich ebenfalls auf das glänzende Mon bezieht[23].

Demgemäß kann das “Or” und “Siw” vom Monat Ijar auch als Hinweis auf das Licht der Tora verstanden werden (siehe oben Grund h), auf dessen Erhalt man sich in diesem Monat vorbereitet. Der Bne Jisachar ordnet daher den Monat Ijar dem Stamm von “Jisachar” zu, dem Stamm der “Lomde Tora” [bekanntlich werden die 12 Stämme Jisraels mit den 12 Monaten des Jahres verbunden[24]]. Deshalb kam in diesem Monat Amalek j“s, um gegen Jisrael zu kämpfen[25], weil sie das Toralernen vernachlässigt hatten[26]. Darauf befahl Mosche Rabenu dem Jehoschua bin Nun gegen Amalek zu kämpfen, weil Jehoschua vom Schewet (Stamm) Josef stammte, der mit einem ‘Schor’ (Stier) verglichen ist. Im Monat Ijar, dessen ‘Masal’ (Sternzeichen) ein Stier ist[27], entfalten Josefs Nachkommen ihre größte Stärke!

Ferner wurde den Bne Jisrael in diesem Monat der Be’er (Brunnen) von Mirjam gegeben, dessen Wasser die Segula (Eigenschaft) besaß, demjenigen, der davon trank, zu einem besseren Verständnis der Torah zu verhelfen. Diese Erkenntnis lernte er aus der Geschichte, die der berühmte Mekubal Rabbi Chajim Vital sZl., der grosse Schüler des Arisa“l, über sich selber erzählte. Als der Arisa“l ihn zu seinem Schüler erwählte, bemühte er sich vergeblich, die tiefe ‘Kabbala’ des Arisa“l zu verstehen. Darauf nahm er ihm zum ‘Jam Kineret’ neben Twerja, in dem sich noch heute der Brunnen von Mirjam befindet[28]. Der Arisa“l kannte seinen genauen Standort und fuhr zusammen mit Rabbi Chajim in einem kleinen Ruderboot inmitten des Sees. Dort schöpfe er ein bisschen Wasser von dieser Quelle, und gab es Rabbi Chajim zu trinken. Danach begann dieser seine Lehre zu verstehen[29].

Auch das “Mon“ wurde in diesem Monat, am 16. Ijar, den Bne Jisrael erstmals gegeben[30]. Vielleicht hat dies damit zu tun, dass auch das Mon eine Vorbereitung zu ‘Matan Tora’ war, wie Chasal lehren: “Lo nitna Tora lidrosch ela leOchle haMon“ – “die Tora wurde nur denjenigen zur Auslegung gegeben, die Mon assen“[31]. Das Mon reinigte bekanntlich den Körper und den Charakter, und schärfte den Geist und Verstand[32].

«Baubeginn des Bet haMikdasch im Ijar»

Schlomo haMelech begann mit dem Bau des ersten “Bet haMikdasch” im Monat Ijar (Melachim I. 6,1), was kein Zufall war. Der dreimalige Besuch pro Jahr an diesem erhabenen Ort, das Miterleben der heiligen Awodah der Kohanim, da Hören des ‘Schirah-Gesangs’ der Levijim, das Sehen des ‘Kohen Gadol’ etc., all dies trug dazu bei, einen tiefen Eindruck in jedem Besucher zu hinterlassen, um ihn in seinem eigenen G’ttesdienst zu stärken. So wie Dawid haMelech seinem Sohn Schlomo sagte (Diwre haJamim I. 28,9): “Da et Elokej Awicha we’awdehu – Erkenne den G’tt deines Vaters und diene ihn”.

Die Aufgabe des “Bet haMikdasch” war es, jedem Jehudi zu dieser Erkenntnis zu verhelfen. Die Heiligkeit dieses Ortes, schuf G’ttesnähe und somit auch den Erhalt des nötigen Da’at, das Wissen und die Erkenntnis der Wahrheit. Deshalb befand sich auch der Sitz des “Großen Sanhedrin” im Bet haMikdasch[33], damit erstens sie von der Quelle der Wahrheit und des Wissens inspiriert wurden und danach auch für den ganzen Klall Jisrael als deren Vermittler fungieren konnten.

Aus diesem Grund fand der Baubeginn des Bet haMikdasch gerade im Ijar, dem Vorbereitungsmonat zu “Matan Tora”, statt, an dem der Klall Jisrael das ‘Mon’ und den Brunnen von Mirjam erhielt, die – wie oben erwähnt – dem Volk für das Verstehen der Tora behilflich waren. Im Monat Ijar, der Monat des “Or” und “Siw”, des Lichts und Glanzes, das Licht und der Glanz der Torah, der heiligen Schechina – all dies wurde im “Bet haMikdasch” gebündelt, auf das Sanhedrin und dem Klall Jisrael weitergeleitet und von dort in einem kleineren Maß auf die ganze Welt ausgestrahlt[34].

«מזל שור – Sternzeichen Stier»

Das “Masal” (Sternzeichen) dieses Monats ist “Schor” – “Stier”. Rabbi Chajim Palag´i, der Raw von Izmir sZl. (gest. 5628/1868) erklärt dies damit, dass Ijar der letzte Monat ist, in dem ein Stier in Erez Jisrael genügend Gras findet, um sich satt zu essen[35].

Rabbi Awraham Bornstein sZl. von Sochatschow, der bekannte Verfasser des Sefer ‘Awne Neser’ (gest. 5670/1910) sagte: “Das Masal des Monats Nissan ist ein Lamm, ein Symbol für das “Korban Pessach“, das auf den Klall (die Gesamtheit) hindeutet, wie es beim Korban Pessach heisst (Schmot 12,3): “Seh laBajit“ – “ein Lamm für alle Hausgenossen zusammen. Das Masal des Monats Ijar hingegen ist ein Stier, der auf den Prat (den Einzelnen) weist. Während die Schafe in Gruppen weiden, steht der Stier immer abseits von anderen Tieren und wächst als Einzelgänger auf”[36].

Daraus dürfte folgendes zu entnehmen sein: Am Pessach wurde der ganze Klall Jisrael in Form einer “Ge’ula Kllalit” (Erlösung der Allgemeinheit) erlöst. In der Omerzeit, die hauptsächlich den Monat Ijar umfasst, ist es die Aufgabe jedes Einzelnen, eine eigene “Ge’ula Pratit” (Erlösung des Einzelnen), durch die Verbesserung seiner Eigenschaften (sieben Midot)[37]zu erzielen. Auf diese Weise gewinnt jeder “Jachid” einen gepflegten und brüderlichen Umgang mit dem “Klall” und kann mit dem gesamten jüdischen Volk im Monat Siwan die Torah empfangen. Deshalb ist das Masal des Monats Siwan “Zwillinge“, welche das Achdut, die gleichgesinnte, brüderliche Vereinigung des Klall Jisrael symbolisieren, die für die Einhaltung der Torah und Mizwot unabdingbar ist.

Mit diesen Gedanken kann auch erklärt werden, weshalb Hkb“H die Bne Jisrael nach der Einweihung des ‘Mischkan’ am Rosch Chodesch Nissan (2449) erst einen Monat später am Rosch Chodesch Ijar zählte. Wie Raschi erklärt, war diese zweite Zählung ein Zeichen der Liebe von Haschem an Jisrael war. Wie ein Hirte seine Schäfchen nach dem Überfall eines reissenden Wolfs zählt, zählte sie Hkb“H nach den tragischen Vorfällen des ‘Egel haSahaw’ (goldenen Kalbs)[38]. Hätte Haschem sie im Nissan gezählt, hätte man behaupten können, dass sich diese Liebe nur auf das jüdische Volk als Ganzes beziehe (‘Masal Seh’). Deshalb ließ Er sie erst im Ijar zählen, und zeigte damit, dass Er auch jeden einzelnen Jehudi liebt und zählt (‘Masal Schor’).

«Ijar – Monat der Refuah»

Gemäss einer in den Sefarim haKedoschim zitierten Überlieferung gilt der Monat Ijar als günstiger Zeitpunkt zur Heilung der Kranken. Eine Quelle wird aus einem Zitat der Gemara gebracht: “Schmuel sagte: “Alle Heilmittel, die man zwischen Pessach und Schawuot einnimmt, wirken”[39].

Auch bei antiken Völkern galt der Monat Mai seit jeher als “Monat der Heilung und des Wachstums”. Der Monat Mai ist nach dem römischen Abgott Maius benannt, der als Beschützer des “Wachstums” verehrt wurde, weil im Mai alles zu blühen und zu wachsen beginnt.

Wie Rabbi Awraham Jakov Friedmann sZl., der erste Rebbe von Sadigura hinzufügte, ist es interessant zu bemerken, dass sich das nach ‘Keriat Jam Suf’ in der Ortschaft von Mara geschehenen Ereignis – die “Heilung” des untrinkbaren, bitteren Wasser – ebenfalls in dieser Jahreszeit, zwischen Pessach und Schawuot ereignete[40]. Danach gab ihnen dort Hkb“H die Mizwa von Schabbat[41], der ebenfalls als Tag der Refuah gilt[42], und im Passuk heißt es dazu (Schmot 15,26): “Alle Krankheiten, die Ich Mizrajim auferlegte, werde Ich dir nicht auferlegen, denn – אני י‘ רופאיך – Ich bin Haschem dein Heiler”, dessen Anfangsbuchstaben איר ergeben[43]. So auch im Passuk (Tehilim 6,11): “איבי ישבו יבשו רגע” (meine Feinde weichen zurück und vertrocknen augenblicklich), das sich auf die Heilung von Dawid haMelech bezieht[44].

Eine weitere Andeutung auf die Heilkraft des Monats Ijar kann anhand der Worte von Rabbi Pinchas von Koritz sZl. (gest. 1791/5551) gefunden werden, der sagte: “Die achte Beracha in der ‘Schemona Esre’ ist die Birkat Refoenu, deshalb ist auch das in der ‘Birkat Jozer haMeorot’ aufgezählte achte Lob von Hkb“H – Bore Refuot[45]. Die Zahl Acht ist also mit der Kraft der Refuah (Heilung) verbunden. Auch der Monat Ijar ist der achte Monat ab Jahresanfang!

Rabbi Jisrael Hofstein sZl., der Koschnitzer Magid (gest. 5575/1814) fügte hinzu, dass die Worte (aus der Birkat Refoenu) “וְהַעַלֵה רְפוּאָה שְׁלֵמָה” die Anfangsbuchstaben von שור (Ochs) enthalten, dem Masal des Monats Ijar[46]. Ferner gilt zu bemerken, dass die Refuah des Menschen meistens von Pflanzen abhängt, die ja eben hauptsächlich im Monat Ijar sprießen[47].

Damit wird der Minhag vieler Chassidim erklärt, die an den Schabbatot zwischen Pesach und Schawuot die übriggebliebene Mazza von Pessach essen, weil die Mazza im heiligen Sohar “Michla deAsswata” – “Speise der Heilung” genannt wird[48].

Ferner sagte Rabbi Pinchas von Koritz sZl. einer der großen Schüler des Ba’al Schem Tov sZl.: “Regen, der zwischen Pessach und Schawuot fällt, ist ein großes Heilmittel für alle Krankheiten. Man solle sich deshalb im Freien ohne Hut in den Regen stellen, damit der Regen auf den Kopf fällt und auch den Mund öffnen”[49]. So wird von Raw Jakov Jechiskijahu Grünwald sZl., der Raw von Popa (Verfasser des ‘Wajaged Jakov’, gest. 5701/1941), und dem Thoscher Rebbe sZl. Rabbi Elimelech Sega“l Lawy von Thosch sZl. (gest. 5702/1942) erzählt, dass sie diese Segula genauso auszuführen pflegten[50].

«Heilung physischer Krankheiten»

Weshalb gerade der “Monat Ijar” als geeigneter Zeitpunkt zur Heilung gilt, erklären manche anhand des in diesem Monat herrschenden milden und klaren Luft, welches als das beste Wetter des ganzen Jahres gilt[51].

Rabbi Zwi Elimelech Schapira sZl. der Raw von Dynow (gest.5601/1841) und Verfasser des bekannten Sefer Bne Jisachar schreibt: “Es ist eine bekannte Tatsache, dass der Monat Ijar eine außergewöhnlich günstige Zeit für die Heilung ist, insbesondere für das Verdauungssystem, weil die meisten Krankheiten und körperlichen Schwächen durch falsche, nicht der Natur des Körpers angemessene Speisen entstehen. In diesem Monat begann Hkb“H die Bne Jisrael mit dem “Mon” zu ernähren, das (Tehilim 78,24) ”Lechem Abirim” – ”Brot der Engel” genannt wird, weil das Mon, wie Chasal lehren, von den Gliedern aufgesaugt wurde – das Wort אַבִּרִים/Abirim (Engel) kann auch als אֵבָרִים/Ewarim (Glieder) gelesen werden[52]. Dadurch verursachte das Mon dem Körper keinerlei Krankheiten und Magenschmerzen und die Bne Jisrael wurden in diesem Monat von ihren üblichen Krankheiten befreit, um für ‘Matan Tora’ ganz gesund zu sein (siehe oben Grund g). Diese ‘Segula’ (Eigenschaft) blieb fortan in der Natur des Monats Ijar haften[53].

Es wird hierzu noch die folgende Andeutung zitiert: “Das Wort עֹמֶר gleicht dem Zahlenwert von רְפָאֵל, dem Mal’ach der Refuah[54].

«Geistige Heilung»

Diese Kraft der “Refuah” im Monat Ijar bezieht sich aber nicht nur auf körperliche Krankheiten und Leiden, sondern auch auf geistige Mängel. So erklärt der Midrasch Schmuel den Grund für das Lernen der Pirke Awot in den Omer-Tagen: “In diesen Tagen, wenn die Hitze des Sommers zunimmt, leiden die Menschen unter zu hohem Blutdruck und erleichtern sich durch Aderlass oder wappnen sich vor anderen Sommerleiden mit verschiedenen medizinischen Behandlungen und Kuren. Dies passt jedoch nur für diejenigen, die sich gemäss den Gesetzen der Natur verhalten und sich ihr unterwerfen. Der Klall Jisrael hingegen, der sich von der Torah führen lässt, benötigt keine körperliche Heilung, sondern nur eine geistige Heilung und seelische Stärkung. Deshalb lernt man in dieser Zeit die “Pirke Awot”, um unsere Midot (Eigenschaften) und den richtigen Umgang mit den Menschen zu verbessern”[55].

Bemerkenswert sind die Worte des Apter Raw, Rabbi Awraham Jehoschua Heschel sZl. (Verfasser der Sefer Ohew Jisrael, gest. 5585/1825): “Diese Tage des Monats Ijar werden bei den Völkern der Erde “Mai” genannt, denn auch sie sind der Ansicht, dass dieser Monat für Heilzwecke geeignet ist (siehe oben). Nicht umsonst heißt er daher מי (Mai), denn dies hat den Zahlenwert von 50, entsprechend den 50 Tore der Teschuwa – der 49 Tage von ‘Sefirat haOmer’ und des ‘Jom Tov Schawuot’, die eine Zeit der geistigen Heilung und des Wachstums sind”[56].

“Wie aber passt diese Zeit der ‘Refuah’ mit der Omer-Zeit überein”, fragt der Rabbi Jerachmiel Jisrael Jizchak Danziger sZl., der Alexander Rebbe (Verfasser des ‘Jismach Jisrael’, gest. 5670/1910), “die bekanntlich eine Zeit des ‘Midat haDin’ ist, und deshalb in diesen Wochen die Schüler von Rabbi Akiwa starben und sich viele andere schreckliche Geserot (Verfolgungen) ereigneten? Er antwortet: “Hier wird die Lehre der Sefarim haKedoschim bestätigt, wonach der einzige Sinn und Zweck der G’ttlichen Bestrafung – der ‘Midat haDin’ – derjenige ist, die Menschen zur Teschuwa zu bewegen und ihre Neschama zu heilen!”[57]

Der Maharsch“o geht sogar einen Schritt weiter und schreibt: “Weshalb starben die Schüler von Rabbi Akiwa gerade in diesen Tagen zwischen Pessach und Schawuot? Da diese Tage eigentlich eine äußerst günstige Zeit der Refuah ist, bewies ihr Sterben in dieser Periode, dass sie aufgrund einer g’ttlichen Strafe gestorben sind und nicht anhand einer natürlichen Krankheit!”[58]

Diesen Ausführungen zufolge ist es verständlich, weshalb der Monat Ijar speziell für “Refuah” geeignet ist. Denn es ist der Zweck der Omer-Zeit, dass wir uns in diesen Tagen verbessern und uns so auf “Matan Tora” vorbereiten. Die Vorbereitung besteht darin, in die Fußstapfen unserer Awot haKedoschim und Chasal zu treten, sich ihren ‘Derech Erez’ (Anstandsmoral) und ihre ‘Midot Towot’ (gute Eigenschaften) anzueignen, wie sie in den erwähnten “Pirke Awot” gelehrt werden.

Eine interessante Andeutung dazu wird im Wort “Ijar” gefunden, das die Anfangsbuchstaben von אברהם, יצחק, יעקב, רחל ergibt[59] und die Anfangsbuchstaben von שרה, רבקה, ולאה ergeben “Schor” (das Masal von Ijar).

Auf diese Weise bringt dieser Monat ein echtes “Or” und “Siw”, ein Erleuchten und Aufblühen aller Bäume und Blumen, wie auch ein gesundes Erblühen des Klall Jisrael befreit vor jeder körperliche Krankheit und geistig gestärkt.

איר oder אייר?

In Bezug auf die Schreibweise des Namens “Ijar”, herrscht eine ‘Machloket haPosskim’ (Meinungsverschiedenheit), ob man es in einem Get (Scheidungsbrief) mit einem oder mit zwei Buchstaben “Jud” schreibt[60]. Der Rem“o schreibt daher, dass manche im Monat Ijar keinen ‘Get’ schreiben lassen, ausser in einem Notfall, und dann wird es mit zwei Jud geschrieben[61]. Laut dem Pri Chadasch hingegen, kann man anstatt Ijar “Chodesch Siw” schreiben, das im Passuk ohne “Jud” (זִו) geschrieben wird und damit das Problem umgehen[62]. Der übliche Minhag ist es jedoch, auch im Ijar einen ‘Get’ zu schreiben und zwar mit zwei „Jud“[63].

Am Ende des bekannten ”Münchener Schass” (handgeschriebene Talmudausgabe) aus dem Jahre 5103/1343, wurde der Text eines alten ‘Get’ gefunden, der die Praxis dieses Minhag bereits vor über 700 Jahren bestätigt: “Am sechsten Tag der Woche, am fünften Tag des Monats אייר des Jahres 5068 (1308)… in Paris, der Stadt, die neben dem Fluss Seine und dem Fluss Ischuna (Isicauna) liegt…”[64]


  1. Ramban zu Schmot 12,2 und Kiswe Ramban Bd1./S.215, Ritw”o zu Rosch haSchana 3a (und 7a) gemäss Mechilta Jitro Kap.7
  2. Rosch haSchana 11a, Jeruschalmi R“H 1,2, Targum und Redak zu Melachim Bd1. 6,1/37
  3. Ben Jehojada des Ben Isch Chai zu Rosch haSchana ibid.
  4. Netiwot Olam des Mahara“l Bd1. (‘Netiw haTora’ Ende Kap.12) und Sefer haToda’ah zu “Ijar” S.251
  5. Rosch haSchana ibid.
  6. Raschi, Ritwo und Mahara“l in Chidusche Aggadot zu haSchana ibid.
  7. Ben Jehojada zu haSchana ibid.
  8. Bamidbar 1,1
  9. Sohar haKadosch Anfang Parschat Bamidbar Bd3./S.117b
  10. Kli Jakar Anfang Parschat Bamidbar und Leket Joscher O”Ch S.98
  11. Gemäss Megale Amukot zu Waetchanan (Ofan 121). Siehe ferner auch Zemach Zadik (-Wis’nitz) zu Chodesch Ijar S.7a
  12. siehe Schmot 33,23
  13. Chidusche haRi“m (Ende Jeme haSefira weChodesch Ijar). Siehe ähnliches auch in Schem miSchmuel (Parschat Schemini S.164)
  14. Pri Zadik zu Rosch Chodesch Ijar und Sefer haToda’ah ibid. gemäss Midrasch Tanchuma Parschat Jitro 8 und Psikta deRaw Kehana ‘BaChodesch haSchelischi’ (siehe ferner Tora Schlema P. Jitro 19/4)
  15. Jewamot 62b
  16. Netiwot Olam ibid. und Chidusche Aggadot zu Jewamot S.133/(daf 62b)
  17. Siehe Machschawot Charuz S.86a
  18. Siehe Baba Batra 4a und Midrasch Bereschit Rabba 2,5
  19. Weitere Gründe zum Namen “Siw” siehe im Sefer haToda’ah (Monat Ijar S.251) wie auch Ben Pessach leSchawuot (- Kohen, S.67/§41-42)
  20. Targum JbU zu Schmot 12,39 und Bamidbar 1,1, Targum Raw Josef zu Diwre haJamim 1-27,1 und Targum Scheni zu Esther 3,7
  21. Wird im Chumasch Torah Schlejma (-Kascher, Bd11./Milu’im 4) aus drei verschiedenen Handschriften (Midrasch Hechafez und Jalkut Tejman) zitiert.
  22. Siehe Torah Schlejma ibid. gemäss antiken Handschriften (die in der Zeitschrift ‘Hazofe leChochmat Jisrael’ Jhrg. 5681/S.225 publiziert wurden)
  23. Hier darf hinzugefügt werden, dass dies mit der Erklärung des Ramba”ns passt, wonach das “Mon” aus dem “Siw haEljon”, dem G’ttlichen Glanz der heiligen Schechina stammte, der sich beim Herabkommen auf dieser Welt ein bisschen materialisierte.
  24. Siehe Tur O“Ch 417 u.a. – Gemäss R. Jonathan Eibeschütz jedoch, ist der Ijar mit dem „Schewet Binjamin“ verbunden, in dessen Anteil in diesem Monat mit dem Bau des Bet Hamikdasch begonnen wurde (Ja’arot Dewasch Bd1/Ende Drusch 2). Im Sidur von Rabbi Jakov Emden (Ijar 1) jedoch, wird der Ijar dem „Schewet Schimon“ zugeordnet. Eine Begründung dazu siehe im Sefer Dawar be’Ito (Einleitung zu Ijar Bd1/S.39b).
  25. Zwischen dem 23. und 30 Ijar (Seder Olam Rabba Kap.5)
  26. Mechilta zu Schmot 17,8 und Midrasch Tanchuma P. Beschalach 25
  27. Siehe Dewarim 33,17
  28. Siehe Raschi Bamidbar 21,20 gemäss Schabbat 35a
  29. Bne Jisachar (Chodesch Ijar 1,6-7/9) und ausführlich in Schiwche ha’Arisa“l (Ende Kap.3). S.a. Scha’ar haGilgulim S.75b und Pri Ez Chajim (Scha’ar Hanhagat haLimud S.361a).
  30. Seder Olam Rabba ibid.
  31. Mechilta (P. Beschalach 16,4) und Midrasch Tanchuma 20. – Siehe ferner auch Bne Jisachar (Ijar 1,4).
  32. Siehe hierzu auch Ba’l haTurim zu Dewarim 8,3
  33. Mischna Ende Massechet Midot
  34. Siehe Bne Jisachar ibid.
  35. Nefesch Kol Chai von (R“Ch Palag’i) S.19b. – Siehe ferner auch Leket Joscher O”Ch S.98 und Bne Jisachar Ijar 1,7
  36. Schem miSchmuel (zu Rosch Chodesch Ijar-Parschat Schemini S.164)
  37. Siehe dazu ausführlich in meinen Artikel zu Parschat Behar
  38. Siehe ausführlich Raschi Schmot 30,16 und Anfang Bamidbar gemäss Midrasch Bamidbar Rabba 1,8. Manche erklären, dass sie deshalb erst 30 Tagen nach der Einweihung gezählt wurden, nachdem die ‘Schechina’ schon einen festen Wohnort im Mischkan eingenommen hatte. So wie man in Chuz la’Aretz keine Mesusa an der Türe einer neuen Wohnung anbringen muss, erst nach dem man schon 30 Tage dort wohnt (Leket Joscher S.98 und Maskil leDawid zu Raschi Bamidbar ibid.).
  39. Schabbat 147b gemäss Chidusche Chatam Sofer zur Stelle. Siehe ferner auch Schabbat 110a, Pssachim 42b, Maharscho Jewamot 62b und Awodat Jisrael (-Koschnitz, Likutim ‘Egale Lach’)
  40. Gemäss Seder Olam Suta (Kap.4) fand dies ebenfalls im Monat Ijar statt.
  41. Mechilta und Raschi zur Stelle, Sanhedrin 56b und Seder Olam Rabba Kap.5
  42. Siehe Schabbat 12a-b
  43. Binjan Schlomo (-Turka, 99). S.a. Jismach Jisrael (-Alexander, Parschat Kedoschim 1) im Namen des R. Simcha Bunem von Pschis’cha, Chatam Sofer zu Schabbat 147b, u.a.
  44. Megale Amukot zu Waetchanan (Ofan 121), Likute Mohara“n (-Breslaw, Bd1/277) und
    Chatam Sofer ibid.
  45. Imre Pinchas haSchalem (Kap.7/146). Siehe ferner Segulot Jisrael 3,34
  46. Awodat Jisrael ibid.
  47. Likute Mohara“n ibid.
  48. Siehe ausführlich Gedulat Mordechai von R. Mordechai Malik sZl.
  49. Imre Pinchas haSchalem Kap.4/305
  50. Nite Gawriel zu Hilchot Pessach Bd3/42,6 §6 und Semirot Awodat haLevi (-Thosch, Bd2/S.136)
  51. Chidusche hoReda”l zu Midrasch Bereschit Rabba 34,18. S.a. Biur Reda”l zu Pirke deRabbi Elieser 41,42
  52. Joma 75a
  53. Bne Jisachar (Ijar 1,3)
  54. Ser Sahaw von Rabbi Se’ew Landau von Strikov sZl. (S.30a, Warschau 5661)
  55. Midrasch Schmuel (‘Hakdama’ zu Pirke Awot). S.a. Mischnajot Tiferet Jisrael zu Kiduschin 4,14 in Boas 1 und Ozar Kol Minhage Jeschurun 71.
  56. Ohew Jisrael zu Rosch Chodesch Ijar. Siehe ferner auch Awodat Jisrael und Bne Jissachar ibid. und Segulot Jisrael 1,46
  57. Siehe ausführlich Jismach Jisrael Bd2/Rosch Chodesch Ijar 2
  58. Maharsch“o zu Jebamot 62b
  59. Megale Amukot ibid., Bet Schmuel zu Ewen haEser 126,20 und Hagahot R”A Eiger
  60. Terumat Hadeschen 233, Schu“t Maharil 189 u.a. Siehe auch Scha’ar Jisachar Chodesch Ijar
  61. Remo in Schulchan Aruch Ewen haEser 126,7
  62. Pri Chadasch 126,7
  63. Aruch haSchulchan 126,7, Schu“t Mahari“l 189, Nachlat Schiw’a 4, Kaw Naki 1,4 u.a. Siehe auch Sde Chemed unter ‘Get’ 17
  64. Birkat Chajim zu Moadim Bd2/S.156

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