Vorschriften beim Aufstehen am Morgen
1. Ich habe den Ewigen stets vor Augen (Tehillim: 16,8), das ist eine wichtige Regel in der Tora und den Eigenschaften der Frommen, die vor G-tt wandeln. Denn es ist nicht das Sitzen des Menschen, seine Bewegung und sein Benehmen, wenn er allein zu Hause ist, gleich seinem Sitzen, seiner Bewegung und seinem Benehmen, wenn er sich vor einem großen König befindet. Ebenso sind seine Rede und das Öffnen seines Mundes, wenn er mit seiner Familie und seinen Verwandten zusammen ist, nicht so, wie wenn er im Rat des Königs verweilt; denn dann achtet er bestimmt auf alle seine Bewegungen und Worte, daß sie wohl bemessen seien. Um so mehr, wenn der Mensch bedenkt, daß der große König, der Heilige, gelobt sei Er, dessen Herrlichkeit die ganze Erde erfüllt, bei ihm steht und seine Handlungen sieht, wie es heißt (Jirmija 23,24), kann sich wohl ein Mensch im Geheimen verbergen, daß ich ihn nicht sähe, spricht der Ewige, da Himmel und Erde von mir erfüllt sind! Dann werden sicher Ehrfurcht und Demut aus Furcht vor dem Ewigen. gepriesen sei Er, über ihn kommen und er wird sich vor Ihm schämen.
2. Und auch, wenn er sich auf seinem Lager ausruht, wisse er, vor wem er liegt; und gleich, wenn er von seinem Schlaf erwacht, gedenke er der Wohltaten des Ewigen, gepriesen sei Sein Name, die Er ihm erwiesen, daß Er ihm seine Seele wiedergegeben, die er müde Ihm empfohlen; neu und ausgeruht hat Er sie ihm wiedergegeben, daß er Ihm diene, gepriesen sei Sein Name, mit all seinen Kräften und Seinen Willen erfülle den ganzen Tag, denn das ist der ganze Zweck des Menschen, so heißt es (Ejcha 3,23), “neu an jedem Morgen, groß ist Deine Treue”. Das bedeutet, an jedem Morgen ist der Mensch wie neugeboren und soll danken dem Ewigen, gepriesen sei Sein Name, dafür. – Während er sich noch auf seinem Lager befindet, spreche er: Ich danke Dir, ewig lebender König, daß Du mir in Liebe meine Seele wiedergegeben, groß ist Deine Treue![1] (Obwohl seine Hände noch nicht gewaschen sind, darf er dies doch sagen, da kein Schem darin vorkommt.) Man mache eine kleine Pause zwischen dem Wort חמלה und dem Wort רבה.
3. Jehuda ben Tema sprach: Sei mutig wie ein Leopard, leicht wie ein Adler, schnell wie eine Gazelle und stark wie ein Löwe, den Willen deines Vaters im Himmel zu erfüllen. Mutig wie ein Leopard, das heißt, man schäme sich nicht vor den Menschen, die einen beim Dienst des Ewigen, gepriesen sei Sein Name, verspotten; leicht wie ein Adler, betrifft den Anblick der Augen, das heißt, sei gleich bereit, deine Augen zu schließen, um nichts Böses zu sehen; denn das wäre der Anfang der Sünde; das Auge sieht, und das Herz begehrt, und die Werkzeuge vollenden es. Schnell wie eine Gazelle, betrifft die Füße, deine Füße sollen zum Guten eilen; und stark wie ein Löwe, betrifft das Herz, denn die Stärke im Dienst des Schöpfers, gepriesen sei Er, wohnt im Herzen; und er sagt, mache dein Herz fest in Seinem Dienst und sei stark gegen den bösen Trieb, ihn zu bezwingen, wie ein Held, der sich stark macht, seinen Feind zu bezwingen und zu Boden zu werfen.
4. Darum muß sich der Mensch stark machen wie ein Löwe und gleich, wenn er vom Schlaf erwacht (und מודה אני gesprochen hat,) hurtig zum Dienst des Schöpfers, gepriesen und erhaben sei Er, aufstehen, bevor der böse Trieb über ihn stark wird mit Einwänden und Ausreden, daß er nicht aufstehe, und ihn überlistet, ihn zu verführen, im Winter: wie kannst du jetzt so früh am Morgen bei der großen Kälte schon aufstehen?; im Sommer überredet er ihn: wie kannst du dein Lager schon verlassen, da du noch nicht genug geschlafen hast?; oder mit anderen Einwänden und dergleichen. Denn der böse Trieb versteht sehr gut, den Menschen in Gruben zu fangen, daß er nicht aufsteht. Darum muß jeder Gewissenhafte, der das Wort des Ewigen fürchtet und eifrig erfüllen will, sich über ihn stark machen und darf nicht auf ihn hören; und auch wenn ihm die Sache nicht leicht fällt ob der Schwere des Körpers und seiner Trägheit, mache er den Willen des Königs über alle Könige, des Heiligen, gelobt sei Er, zu seinem Streben. Und er beherzige, wenn ihn jemand zu einem Geschäft, bei dem er Geld verdienen kann, oder sein Guthaben zu erheben rufen würde oder ihn auffordern würde, sein Vermögen vor Schaden zu retten, es wäre z. B. ein Brand in der Stadt ausgebrochen oder dergleichen, würde er sicherlich eifrig sofort aufstehen aus Liebe zu seinem Vermögen und nicht nachlässig sein. Ebenso würde er, wenn er zum Dienst des Königs gehen müßte, mit Eifer aufstehen und nicht zögern, daß man ihn nicht anklage, oder um in den Augen des Königs Gunst zu finden; um wieviel mehr erst zum Dienst des Königs aller Könige, des Heiligen, gelobt sei Er, daß er darauf achten muß, mit Eile und Eifer aufzustehen. Wer sich an diesen Weg vier- oder fünfmal gewöhnt, dem wird es nachher nicht mehr schwer fallen. Denn wer sich anschickt, rein zu werden, dem wird himmlische Hilfe zuteil.
5. Wem möglich ist, schon früh um Mitternacht aufzustehen, um da die Anordnung für Mitternacht[2] zu erfüllen, wie gut; wie es heißt (Echa: 2,19), erhebe dich, klage in der Nacht, am Beginn der Nachtwachen . . . wie auch der Heilige, gelobt sei Er, in dieser Zeit klagt; denn so steht (Jirmijahu: 25,30), der Ewige ruft vom Himmel aus, und von Seiner heiligen Stätte läßt Er Seine Stimme vernehmen, Er klagt laut ob Seines Heiligtums und spricht: Wehe den Kindern; denn wegen ihrer Sünden habe ich mein Haus zerstört und mein Heiligtum verbrannt und sie selbst unter die Völker verbannt. – Wem nicht möglich ist, um die Mitternacht aufzustehen, mache sich wenigstens stark, vor dem Anbruch des Morgens sich zu erheben; so wie der König David, Friede sei mit ihm, gesprochen (Tehillim: 57,9), ich erwecke den Morgen; ich wecke den Morgen, aber nicht weckt der Morgen mich. Und auch noch nach der Mitte der Nacht kann man die Anordnung für Mitternacht erfüllen. – Dann beschäftige man sich mit Tora, jeder so viel er kann; ein Pensum Mischna hat vor allem den Vorzug (dadurch beglückt er die Seele, da משנה dieselben Buchstaben wie נשמה enthält). Wer dazu nicht im Stande ist, beschäftige sich mit den Tehillim und den (in den Gebetbüchern oder sonst) geordneten Toraabschnitten und Werken über jüdische Frömmigkeit. Besser wenig mit Andacht, als viel gedankenlos. – R. Chija hat gelernt, wer sich in der Nacht mit Tora beschäftigt, vor dem ist die Schechina; so heißt es (Echa 2,19), erhebe dich, klage in der Nacht am Beginn der Nachtwachen, gieße gleich Wasser dein Herz aus vor dem Angesicht des Ewigen; das heißt, die Schechina ist dann vor dir. Ferner haben unsere Weisen seligen Angedenkens gesagt, wer sich in der Nacht mit Tora beschäftigt, wird ein Knecht des Ewigen genannt, wie es heißt (Tehillim 134,1), alle Knechte des Ewigen, die im Haus des Ewigen stehen in den Nächten.
In den kurzen Nächten, in denen es ihm nicht möglich ist, so früh aufzustehen, mache er sich stark, wenigstens sich so zu erheben, daß er noch Zeit hat, sich vorzubereiten, um in die Synagoge zu gehen und gemeinsam mit der Gemeinde zu beten.
6. Kapitel aus Tehillim und ebenso andere Abschnitte aus der Tora, den Propheten und den übrigen heiligen Schriften, die nicht im Munde aller geläufig sind, darf man nicht auswendig sagen. Selbst wer sie auswendig sagen kann, soll doch darauf achten, sie nicht auswendig zu sagen; ein Blinder darfs.
Übersetzung von Rabbiner Dr. Selig Bamberger SZL
- מוֹדֶה אֲנִי לְפָנֶֽיךָ מֶֽלֶךְ חַי וְקַיָּים, שֶׁהֶֽחֱזַֽרְתָּ בִּי נִשְׁמָתִי בְחֶמְלָה – רַבָּה אֱמֽוּנָתֶֽךָ ↑
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