Wochenabschnitt Wajeschew – Der Gegner Esavs – der Funke Josefs

Datum: | Autor: Rav Chaim Grünfeld | Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag
funke

Der Gegner Esavs – der Funke Josefs

וַיֵּשֶׁב יַעֲקֹב בְּאֶרֶץ מְגוּרֵי אָבִיו בְּאֶרֶץ כְּנָעַן

Der Buchstabe „Waw“ zu Beginn des Wortes Wajeschew – und Jakov ließ sich nieder“ weist auf einen bestehenden Zusammenhang zwischen diesem Bericht und der vorangehenden Aufzählung der Nachkommen Esaws hin (am Ende der Parschat Toldot)[1].

Raschi zitiert hierzu den Midrasch, worin dieser Zusammenhang mit Jakovs Erschrecken erklärt wird, als dieser die zahlreichen „Alufim“ (Stammesfürsten) von Esaw sah und fragte: „Wer wird diese bezwingen können?“ Doch Haschem entgegnete ihm: „Weshalb fürchtest du dich? Es braucht nur einen Funken von Josef haZadiks Feuer und er verbrennt sie alle!“ Denn so sprach der Nawi Owadja (1,18 – Haftara von P. Wajischlach): „Das Haus Jakovs wird zum Feuer, das Haus Josefs zur Flamme werden und das Haus Esaws zu Stroh, und jene werden sie anzünden und sie verzehren, so dass keiner übrig bleibt von Esaws Haus“.

In diesem Sinne erklären Chasal auch den folgenden Passuk (Bereschit 30,25): „Als Rachel den Josef gebar, wandte sich Jakov zu Lawan und sprach: „Lass mich endlich in mein Vaterhaus zurückkehren…“ Weshalb entschloss sich Jakov Awinu nach 22 Jahren gerade jetzt zur Heimkehr? Weil jetzt der Hauptgegner von Esaw geboren wurde und er ihn nun nicht mehr zu fürchten hatte“[2].

Die Worte unserer Weisen benötigen jedoch eine Erklärung: Weshalb fürchtete sich Jakov vor den „Alufim“ (Stammesfürsten) von Esaw, er hatte sich doch eben friedlich mit Esaw getroffen und sich brüderlich von ihm getrennt? Außerdem umfasst die Aufzählung der ‘Alufim‘ mehrere Generationen, die Jakov gar nicht selber zu Gesicht bekam? Und weshalb war gerade Josef als Gegner von Esaw besser geeignet als seine anderen Brüder? Was ist mit dem Feuer und der Flamme gemeint?

Bemerkenswert ist ferner die Änderung in Raschis Kommentar, der obigen Midrasch zitiert, aber nicht wie dieser schreibt, dass sich Jakov beim Anblick der „Alufe Esaw“ fürchtete, sondern sich lediglich „wunderte, und fragte wie diese zu bezwingen seien“. Weshalb diese Änderung?

Es ist bekannt, dass Chasal im Bruderstreit zwischen Jakov mit Esaw die alle Generationen hindurch andauernde Fehde zwischen der „Koach haKeduscha“ (Kraft des Heiligen) und der „Koach haTum’ah“ (Kraft der Unreinheit), sahen. Über diesen Kampf sagten die Newi’im (Propheten) ‘Schem und Ewer‘ an Rivka Imenu voraus (25,23): „uLe‘om mi‘Le‘om Je’emaz – eine Nation wird mächtiger sein als die andere“. Sie werden nie auf gleicher Linie schreiten können, immer wird der eine oben und der andere unten sein! „weRaw ja’awod Za’ir – und der Jüngere wird schwer arbeiten müssen“[3], um den Älteren zu besiegen.

Gemäss der Regel von „Ma’aseh Awot Siman leBanim“[4], begann Jakov Awinu mit der schweren Aufgabe, die Zukunft seiner Nachkommen – ‘Klall Jisrael‘ – zu gestalten, und wusste sie meisterhaft zu bewältigen.

Als Esaw ihm mit seinem Heer entgegen ritt, ließ er ihm folgende Nachricht übermitteln: „Mit Lawan wohnte ich und dennoch hütete ich die 613 Mizwot“[5]. Er wollte ihm damit sagen, dass Lawan – der „Koach haTum’ah“ – trotz den zahlreichen Intrigen und Versuchungen ihn nicht von seinem Weg abbringen konnte. Jakov Awinu hatte das Feuer der „Koach haKeduscha“ gegen den Feind entfacht.

Dennoch, als er die künftigen Alufim und Generationen von Esaw sah, wunderte er sich, wie diese gewaltige Kraft und der Einfluss der Völker, die Versuchungen und Prüfungen durch den Jezer haRa und der „Koach haTum’ah“, in späteren Zeiten überwunden werden kann, ob Jisrael tatsächlich die nötige Kraft besitzt, diesen beizukommen. D.h. er fürchtete sich nicht jetzt in diesem Moment vor ihnen, denn Jakov war erstens furchtlos, und zweitens lebten diese Alufim größtenteils noch gar nicht und bedrohten ihn daher nicht. Er fürchtete sich davor, dass der Klall Jisrael in Zukunft dieser Gewalt nicht gewachsen sein könnte. Deshalb umschreibt Raschi diese Furcht mit: „Er wunderte und fragte sich“, ob Jisrael diese bezwingen können wird.

Raschi zitiert ferner den Midrasch: „Bikesch Jakov leSchew beSchalwa – Jakov wollte sich zur Ruhe setzen“, „kafaz alaw Rugso schel Josef – da überkam ihm die Erregung Josefs“. Der Ausdruck „Roges“, bedeutet „sich über etwas erheben und stärken“, wie es heisst (Tehilim 4,5): „Rigsu we‘al techeta’u – stärkt euch und sündigt nicht“, was von Chasal so interpretiert wird: Stärkt euren Jezer haTov über den Jezer haRa[6].

Dies war die Antwort aufs Jakovs Frage: Er hatte tatsächlich Gewaltiges für Jisrael geleistet und das Feuer entfacht.

Doch seine Arbeit war noch lange nicht beendet, er konnte sich noch nicht zur Ruhe setzen. Denn um diesen schweren Prüfungen im Galut (Exil) zwischen den ‚Umot haOlam‘ (Völkern der Welt) zu bestehen, um den Feind besiegen zu können, benötigte es noch mehr Vorbereitungen. Und deshalb musste Josef haZadik die Arbeit Jakovs fortsetzen.

Daher schreibt die Tora (32,2): „Ele Toldot Jakov Josef – dies sind die Nachkommen Jakovs – Josef“. Jakov besass 12 Söhne, und der Passuk erwähnt nur den Josef als sein Nachkomme. Wieso? Weil nur Josef die geeignete Person war, um seine begonnene Arbeit für die Zukunft des Klall Jisrael in grösserem Mass fortzusetzen und zu verstärken. Josef bewältigte in Mizrajim seinen Trieb und Gelüste mit wahrem ‘Messirut Nefesch‘ (Aufopferung) als er sich nicht mit der Frau Potifars versündigte. Er verlor weder seine ‘Emuna‘ (Glauben) und seinen ‘Bitachon‘ (Zuversicht) an G’tt als er im Gefängnis schmachtete, und blieb trotz allen irdischen Verlockungen als Herrscher Ägyptens und einziger Jehudi in weitem Umkreis den Geboten der Tora treu.

Josef war die Flamme von Jakovs Feuer, von dessen Heiligkeit und Reinheit ein einziger Funke genügte, um einen ganzen Haufen Stroh, die Massen von Esaws Heerscharen, den „Koach haTum’ah“, zu besiegen.

Deshalb werden alle jüdische Kinder von ihren Eltern mit dem innigen Wunsch gebenscht, sie mögen den Nachkommen Josefs gleichen (48,20): „Jesimcha Elokim ke’Efrajim wechiMenasche“. Nicht umsonst wird der ganze Klall Jisrael „Josef“ genannt, wie es heisst (Tehilim 80,2): „Noheg kaZon Josef – DU leitest wie Schafe den Josef (Jisrael)“. Denn alle wünschen sich auf Josefs vorbereiteten Weg schreiten zu können, ein Teil seiner lodernden Flamme zu werden und – wir er – alle Versuchungen dieser materiellen Welt meistern zu können.


  1. Ta“s im Sefer Diwre Dawid auf Raschi
  2. Raschi 37,1 gemäss Midrasch Tanchuma und Bereschit Rabba 84,6
  3. Dieser Passuk wird zwar üblicherweise mit „der Ältere wird dem Jüngeren dienen“ übersetzte, er das Wort „Raw“ kann aber sowohl mit „älter“ als auch mit „viel“ übersetzt werden.
  4. Siehe in meinem Artikel zu Parschat Wajeze §4
  5. Siehe Raschi 32,5
  6. Berachot 4b

HINTERLASSEN SIE EINE ANTWORT