Die Ordnung für die Pessachnacht

Datum: | Autor: Rav Schlomo Ganzfried | Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag
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Die Ordnung für die Pessachnacht

1. Obschon man an jedem Schabbat und Jom-Tow schon am Tag Kiddusch machen und essen kann, um vom Unheiligen zum Heiligen, hinzuzufügen, so ist es am Pessach nicht so, weil die Pflicht, Mazza zu essen wie beim Pessachopfer erst bei Nacht ist; denn dabei heißt es (Schemot 12, 8): sie sollen das Fleisch in dieser Nacht essen! Ebenso ist die Pflicht der vier Becher erst bei Nacht; und da auch der Becher beim Kiddusch einer von den vier Bechern ist, darum macht man erst Kiddusch, wenn bestimmt Nacht ist. Man ziehe den Kittel an und setze sich auf seinen Sitz, um den Seder zu geben. Es ist verdienstlich, unter die Kinder Mandeln und Nüsse und dergl. zu verteilen, damit sie eine Änderung sehen und fragen und dadurch aufmerksam werden und auch wegen der Mazza und des Bitterkrautes und des Anlehnens Fragen stellen. Einem Knaben und einem Mädchen, die bereits an die Gebote gewöhnt werden müssen, d. h., die bereits etwas von der Heiligkeit des Jom-Tow wissen und verstehen, was man vom Auszug aus Ägypten erzählt, gibt man ebenfalls einen Becher, dass sie davon trinken. – Man pflegt einen Becher mehr einzuschenken, als Angelehnte da sind, und nennt ihn den Becher des Propheten Elijahu.

2. Sein Diener oder einer von den Leuten des Hauses schenke die Becher ein; und so jedes mal, wenn man einschenkt, sollen sie einschenken und nicht der Hausherr selbst, um die Eigenschaft der Freiheit zu bekunden. Man mache die Leute seines Hauses darauf aufmerksam, daß sie von jedem Becher wenigstens den größten Teil auf einmal trinken; und vom vierten Becher sollen sie ein Viertel Log (annähernd 1/7 Liter) auf einmal trinken; sie sollen alle die Absicht haben, das Gebot der vier Becher und der Erzählung vom Auszug aus Ägypten und des Essens von Mazza und Bitterkraut zu erfüllen, weil auch die Frauen zu diesen Geboten verpflichtet sind: nur sich anzulehnen, haben sie nicht den Gebrauch. – Man mache Kiddusch, wie in der Hagada steht, und trinke, auf die linke Seite angelehnt; gut ist, wenn es möglich, gleich der Meinung derjenigen Gesetzeslehrer zu tun, daß man bei allen vier Bechern den ganzen Becher trinke.

3. Dann wasche man die Hände, sage aber keine Bracha darüber und trockne sie ab, man schneide von den Kräutern für sich und alle Hausgenossen ab, für jeden weniger als eine Olive, tunke es in Salzwasser ein, sage darüber die Bracha „der die Früchte der Erde erschaffen” und habe dabei die Absicht, mit dieser Bracha auch das Bitterkraut frei zu machen, und esse es ebenfalls linksangelehnt. – Dann nehme man die mittlere Mazza, teile sie in zwei Teile und lege den größeren Teil als Afikoman neben seinen Sitz; man pflegt ihn in eine Decke einzuwickeln zur Erinnerung an das, was geschrieben (Schemot 12, 34): ihre Teige in ihre Tücher eingewickelt. Manche legen ihn so auf ihre Schulter zur Erinnerung an den Auszug aus Ägypten. Und weil der Afikoman an Stelle des Peßachopfers ist, darum ist er angesehen und sei der größere Teil. Den kleineren Teil legt man an seine Stelle auf die Schüssel zurück; man deckt die Mazzot etwas auf, hebt die Schüssel auf und sagt: Das ist das Brot des Elendes… bis: im nächsten Jahre Befreite.- Diejenigen, die sagen: Gleich diesem Brot des Elendes… sprechen nicht das Wort: welches.

4. Dann schenkt man den zweiten Becher ein, und das Kind fragt: Warum unterscheidet sich… Wenn kein Kind da ist, frage ein anderer Sohn oder eine Tochter, ein Freund oder die Frau. Hierauf spricht man: Wir waren Sklaven… Es gebührt sich, den Hausgenossen die Worte der Hagada in der Sprache, die sie verstehen, zu erklären; und wenn der Hausherr selbst die heilige Sprache auch nicht versteht, trage er aus einer Hagada vor, in der sich eine deutsche (oder sonst ihm verständliche) Übersetzung befindet, und nach jedem Abschnitt sage er ihn auf deutsch (oder in der ihm verständlichen Sprache.) Und um so mehr bei dem Abschnitt: Rabban Gamliel pflegte zu sagen… müßen alle die Begründung von Peßachopfer, Mazza und Bitterkraut verstehen. – Wenn man zu der Stelle kommt: Und sie half… bedecke man die Mazzot, (damit das Brot seine Beschämung nicht sehe, daß man es liegen läßt und den Becher in die Hand nimmt;)und nehme den Becher in die Hand und spreche: Und sie half… bis: aus ihrer Hand. Dann deckt man die Mazzot wieder auf und, wenn man zur Stelle kommt: Diese Mazza… nehme man die halbe Mazza auf der Schüssel, zeige sie den Hausgenossen und spreche: Diese Mazza… Ebens obei: dieses Bitterkraut… hebe man das Bitterkraut auf. Aber, wenn man spricht: das Peßachopfer, das unsere Väter gegessen haben, … hebe man den Knochen, der zur Erinnerung an das Peßachopfer da ist, nicht auf, damit es nicht aussehe, als habe man ihn dazu für heilig erklärt. – Wenn man zur Stelle kommt: Darum sind wir verpflichtet… decke man die Mazzot zu und nehme jeder den Becher in die Hand und halte ihn aufgehoben, bis man schließt: der Israel erlöst hat. Hierauf sagt man über den Becher die Bracha: der die Frucht des Weinstocks erschaffen, und trinkt links angelehnt.

5. Dann waschen alle die Hände und sprechen darüber die Bracha: die Hände zu waschen; und man sagt die Bracha המוציא über die Mazzot. Weil man aber am Jom-Tow über zwei ganze Brote המוציא machen muß und das G-bot, Mazza zu essen, mit der zerbrochenen erfüllt wird, weil die Mazza Brot des Elendes genannt wird und der Arme gewöhnlich nur zerbrochenes Brot hat, darum nehme man, während man die Bracha המוציא spricht, die beiden ganzen Mazzot in die Hände und die zerbrochene dazwischen und spreche die Bracha המוציא; dann lege man die untere Mazza aus der Hand und halte nur die obere und die zerbrochene fest und sage darüber die Bracha: Mazza zu essen. Man bricht von der oberen und auch von der zerbrochenen ab, von jeder soviel wie eine Olive groß, und soviel gibt man auch jedem Einzelnen von den Hausgenossen und ißt beides zusammen, links angelehnt. Wem es schwerfällt, beides auf einmal zu essen, esse zuerst die Olive groß vonהמוציא, dann die Olive groß von der zerbrochenen Mazza, nur mache er keinerlei Pause dazwischen und esse beide angelehnt. In diesen Ländern pflegt man, an den Sederabenden die Mazza nicht in Salz einzutauchen, weder die von המוציא noch die von der zerbrochenen Mazza.

6. Wer die Mazza nicht kauen kann, darf sie in Wasser eintauchen, um sie zu erweichen, nur darf sie nicht ganz zergehen. Ein Greis oder ein Kranker, die in Wasser geweichte Mazza nicht essen können, können sie in Wein oder sonst einem Getränk eintauchen. – Wenn man die Mazza eintaucht, mit der man das Gebot erfüllen will, muß man darauf achten, sie nicht vierundzwanzig Stunden einzuweichen, weil sie dann wie gekocht angesehen würde und man die Pflicht nicht damit erfüllen könnte. Auch muß man auf die anderen Dinge achten, daß nicht die Eigenschaft des Brotes verloren gehe.

7. Dann nimmt man eine Olive groß Bitterkraut, und ebensoviel gibt man jedem Einzelnen von den Hausgenossen, taucht es in das Charoset, schüttelt aber das Charoset wieder davon ab, damit der Geschmack des Bitterkrautes nicht verloren gehe; spricht darüber die Bracha: Bitterkraut zu essen; und ißt es, ohne sich dabei anzulehnen. – Hierauf nimmt man von der unteren Mazza ebenfalls eine Olive groß und auch eine Olive groß Bitterkraut; es gebührt sich, dieses ebenfalls in das Charoset einzutauchen und wieder abzuschütteln; dann lege man das Bitterkraut zwischen die Mazza und sage: So tat Hillel… und esse es angelehnt. – Über die Größe von Olive groß schreiben wir in den Regeln (am Ende des Buches,) daß sie gleich einem halben Ei. Manche sagen jedoch, sie sei etwas weniger als ein Drittel Ei; und da Bitterkraut zu essen in heutiger Zeit, (wo wir kein Peßachopfer haben,) ein Gebot der Weisen s. A. ist, darum, wem schwer fällt, Bitterkraut zu essen, kann sich auf diese Meinung stützen, nur etwas weniger als ein Drittel Ei zu essen und darüber die Bracha zu sprechen, (siehe Schulchan Aruch des Tanija.) Wer krank ist, so daß er Bitterkraut überhaupt nicht essen kann, kaue wenigstens etwas von den Arten, mit denen man die Pflicht erfüllen kann, oder sonst ein bitteres Kraut, daß er einen bitteren Geschmack im Munde fühlt, nur zur Erinnerung, ohne darüber die Bracha zu sprechen.

8. Hierauf ißt man die Mahlzeit. Man esse die ganze Mahlzeit angelehnt; man pflegt Eier zu essen; aber der Weise hat seine Augen im Kopf (Kohelet 2, 14), daß er seinen Magen nicht anfüllt, damit er den Afikoman nach Vorschrift essen kann und nicht als übermäßiges Essen. Man ißt in beiden Nächten kein gebratenes Fleisch, nicht einmal von Geflügel; selbst, wenn man es zuerst gekocht und erst dann in einem Topf gebraten hat, ißt man es nicht. Manche pflegen in diesen Nächten außer den zwei, des Gebotes wegen eingetauchten Speisen (Kräutern und Bitterkraut) nichts Eingeweichtes zu essen, damit zu erkennen ist, daß jene zur Erfüllung des Gebotes bestimmt sind. Nach der Vollendung der Mahlzeit ißt man den Afikoman zur Erinnerung an das Peßachopfer, das am Ende der Mahlzeit gegessen wurde, daß es die Vollendung der ganzen Sättigung sei; man esse ungefähr soviel wie zwei Oliven groß, eine zur Erinnerung an das Peßachopfer und eine zur Erinnerung an die Mazza, die zum Peßachopfer gegessen wurde; auf jeden Fall nehme man nicht weniger als eine Olive groß und esse sie angelehnt. Nach dem Afikoman‚ darf man nichts mehr essen. Hierauf schenkt man den dritten Becher für das Tischgebet ein; man muß darauf achten, daß er rein von Überresten der Becher sei, d. h. daß nicht Überreste von Wein, in dem man während der Mahlzeit Mazza eingeweicht hat, darin sind; denn wenn er nicht rein ist, muß man ihn begießen und ausspülen; Es ist verdienstlich, sich Mühe zu geben, daß drei zusammen (Mesuman) benschen; man gehe aber nicht wegen Mesuman-Benschens von einem Haus ins andere, sondern jeder muß da benschen, wo er gegessen hat. Es ist Gebrauch, daß der Hausherr bei Mesuman vorbenscht; so heißt es (Mischle 22,9): Der Wohlwollende spreche den Segen: und er wird wohlwollend genannt, weil er gesagt hat: Jeder, der hungrig ist, komme und esse; … dann benscht man über den Becher und trinkt ihn angelehnt. Zwischen diesem Becher und dem vierten Becher darf man nicht trinken.

9. Nach dem Tischgebet schenkt man den vierten Becher ein. Man pflegt die Tür aufzumachen zur Erinnerung daran, daß es die Nacht der Obhut ist und wir uns vor nichts fürchten. Und durch das Verdienst des Vertrauens wird unser frommer Gesalbter kommen und der Heilige, gel. sei Er, Seinen Zorn über die Götzenanbeter ausgießen; und darum sagt man (Tehillim 79, 6): Gieße Deinen Zorn… Hierauf beginnt man לא לנו und sagt der Ordnung gemäß. Wenn man dann zu הודו kommt und Drei zugegen sind, selbst mit seiner Frau und seinen Kindern, die schon zur Gewöhnung an die Gebote herangereift sind, sagt man הודו und die beiden anderen antworten, wie man es in der Gemeinde macht. Vom vierten Becher muß man ein ganzes Viertel Log (annähernd 1/7 Liter) trinken und spricht hierauf die Nach-Bracha. Dann vollendet man der Ordnung gemäß die Hagada. Nach den vier Bechern darf man außer Wasser kein Getränk trinken. -Wen der Schlaf nicht übermannt, sage nach der Hagada das Lied der Lieder. – Man pflegt das Nachtgebet vor dem Schlafengehen nicht zu, sprechen, außerdem Abschnitt שמע und der Bracha המפיל, um zu bekunden, daß es die Nacht ist, in der wir vor schädlichen Einflüssen bewahrt sind und keine Hütung nötig ist.

10. Wer das ganze Jahr keinen Wein trinkt, weil er ihm schadet, muß sich dennoch nötigen, die vier Becher zu trinken, wie unsere Weisen s. A. von R. Juda ben R. Ilai gesagt (Ned. 49), daß er die vier Becher am Peßach trank und seine Schläfen bis Schawuot umwinden mußte; doch kann er den Wein mit Wasser mischen oder Rosinenwein trinken, oder er trinke Met, wenn es der Wein des Landes ist.

11. Wenn der Afikoman verloren gegangen ist und man noch Mazza von derjenigen hat, die zum Zweck von Mazza zur Erfüllung des Gebotes hergestellt sind, esse man eine Olive groß davon; und wenn nicht, esse man eine Olive groß von anderer Mazza.

12. Wenn jemand vergessen hat, den Afikoman zu essen, wenn er sich vor dem Tischgebet erinnert‚ esse er ihn, obschon er sich bereits mit dem Wasser nach der Mahlzeit gewaschen oder bereits gesprochen: Wohlan, wir wollen benschen! – und braucht die Bracha המוציא nicht darüber zu sprechen; obschon er den Sinn vom Essen abgewandt hatte, heißt dies kein Abwenden des Sinnes, weil er verpflichtet ist, noch zu essen, und wir vom Tisch des Allgütigen gespeist werden; dennoch wasche man die Hände, sage aber nicht die Bracha über das Händewaschen. Wenn man sich erst nachdem Tischgebet erinnert, bevor man über den dritten Becher die Bracha gesprochen: der die Frucht des Weinstockes erschaffen! – wasche man die Hände, sage aber ebenfalls nicht die Bracha über das Händewaschen, spreche die Bracha המוציא,esse soviel wie eine Olive und bete hierauf das Tischgebet; dann sage man die Bracha über den dritten Becher und trinke. Wenn man sich aber erst erinnert, nachdem man über den dritten Becher die Bracha gesagt: der die Frucht des Weinstockes erschaffen! – trinke man den Becher; und wenn man sonst das Tischgebet ohne Becher Wein zu sprechen pflegt, wasche man die Hände, esse den Afikoman und bete das Tischgebet ohne Becher Wein. Wenn man aber immer darauf achtet, das Tischgebet‚ über seinen Becher Wein zu sprechen, jetzt kann man aber nicht über einen Becher Wein das Tischgebet sprechen, weil man dann zu den vier Bechern hinzufügen würde, darum esse man keinen Afikoman und verlasse sich auf die Mazza, die man zuerst gegessen hat.

Übersetzung von Rabbiner Dr. Selig Bamberger SZL

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