Wochenabschnitt Schmini – Wer des Amtes des Kohen Gadols würdig ist

Datum: | Autor: Rav Chaim Grünfeld | Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag
kohen gadol

„Kraw el haMisbeach… – Nähere dich dem Misbeach und verrichte deine Korbanot und sühne für dich und für dein Volk“ (9,7).

Raschi erklärt die Aufforderung von Mosche Rabenu an Aharon haKohen, sich dem Misbeach zu nähern, dass er ihm dabei folgendes sagte: „Lama ata bosch – weshalb schämst du dich? Lekach niw‘charta – deshalb wurdest du auserwählt“[1]. Was wollte ihm Mosche damit sagen?

Am achten Tag der Milu’im, der Einweihungsfeier des Mischkans, musste Aharon haKohen zuerst Korbanot für sich selbst opfern und erst danach konnte er die Korbanot des Volkes darbringen. Denn nur einem von jeglicher Sünde gereinigten Mensch ist es möglich, Sühne für Andere zu erflehen[2]. Aus diesem Grunde musste Aharon zu Beginn seines Amtsantritts sein Verschulden beim „Egel haSahaw“ (Goldenen Kalb) sühnen.

Daraus ist ersichtlich, folgert der Or haChajim haKadosch, dass Aharons Sünde mit der Sünde der Bne Jisrael verbunden war. Solange sein Anteil – wie nebensächlich er auch scheinen mag – nicht gesühnt war, konnte der Rest des Volkes keine Sühne erlangen! Deshalb steht im Passuk über Aharons eigenen Korbanot „weKiper ba’adcha ube’ad ha’Am – sühne für dich und für das Volk. Denn durch das Darbringen deiner eigenen Korbanot, wirst du nicht nur für dich selbst, sondern auch für den ganzen Klall Jisrael die Sühne erlangen.

Hier legte Mosche Rabenu dem Aharon das Grundprinzip und die selbstlose Aufgabe des „Kohen Gadols“ dar, der nichts für sich selbst leistet, sondern dessen Schritte und Taten völlig mit dem Schicksal des gesamten Volkes verbunden sind. Der Kohen Gadol beeinflusst mit seinen Leistungen den ganzen Klall Jisrael, wird aber auch von diesem stark beeinflusst. So versteht der Siporno den folgenden Passuk (4,3): „Im haKohen haMoschiach jecheta leAschmat ha‘Am – wenn der gesalbte Kohen sich zur Schuld des Volkes versündigt“ – wobei er einem strauchelnden „Schliach Zibbur“ (Vorbeter) gleicht, dessen Fehler während der Tefila ein schlechtes Zeichen für diejenigen ist, die ihn schickten, strauchelt auch der Kohen Gadol (unabsichtlich) durch die „Schuld des Volkes“, weil ihre Vergehen ihn beeinflussen!

Als nun Aharon haKohen sein Amt als „Kohen Gadol“ antreten sollte, musste ihn Mosche Rabenu zur Näherung an den Misbeach und zur Übernahme seines Amtes ermuntern. Aharon schämte sich wegen der Sünde des „Egel haSahaw“, die er, wir der Ramban schreibt, ständig vor Augen hatte, und wegen der er sich nicht beruhigen konnte. Andere Vergehen hatte er nicht!

Dennoch hatte Aharon, gemäss der Auffassung von Chasal, eigentlich nicht im eigentlichen Sinne gesündigt, da seine Absicht aufrichtig „leSchem Schamajim“ war[3]. Weshalb dann diese Scham?

Der Nezi“w von Voloszin sZl. erklärt dazu: „Auch wenn jemand fälschlicherweise verdächtigt wird, eine Sünde begangen zu haben, bedarf er einer Sühne! Der Mensch muss sich nämlich nicht nur vor G’tt rein halten, sondern muss dies auch in den Augen seiner Mitmenschen erreichen – „wihjitem Nekijim meHaschem umiJisrael“ (Bamidbar 32,22).

Einige bezichtigen Aharon an diesem traurigen Tag, bei der schrecklichen Tragödie ein Anstifter zum Götzendienst gewesen zu sein, obwohl er mit dem Bau des Misbeach und der Bitte, ihm den Schmuck ihrer Frauen zu bringen, nur Zeit schinden wollte, um die Jehudim bis Mosches Rückkehr vom Berg Sinai vor Sünde zu bewahren. Aharon schämte sich wegen diesem ungerechtfertigten Verdacht und schreckte deshalb davor zurück, das Amt des Kohen Gadol anzutreten. Er war sich seiner Verantwortung voll bewusst und wollte die Bne Jisrael nicht mit einem Vergehen belasten, das aus seinem Irrtum entstanden war.

Bekanntlich verkörperte Aharon – der große Friedensstifter – den vollkommenen Frieden im Klall Jisrael[4].

Nun sah er diesen durch seinen eigenen Fehltritt bedroht und gestört. Doch Mosche Rabenu antwortete ihm: „Weshalb schämst du dich? Lekach Niw‘charta – Deshalb wurdest du auserwählt“[5]. Du hast nicht davor zurückgescheut, dir die Hände schmutzig zu machen und einen furchtbaren Verdacht gegen dich zu erregen, alles nur um den Klall Jisrael zu retten und vor Sünde zu bewahren. Und dennoch bist du bereit, trotz deiner Opfer, auf jede Ehre und auf das höchste Amt und Würde zu verzichten, weil du wieder nur das Beste für Jisrael im Sinn hast. Gerade durch dieses aufrichtige und verantwortungsbewusste Denken und Handeln wurdest du für die wichtige Funktion des Kohen Gadol bestimmt!


  1. Raschi 9,7
  2. Ibn Esra und Ramban zur Stelle
  3. Siehe ausführlich Raschi zu Schmot 32,2 und 5
  4. siehe Raschi Bamidbar 20,29
  5. Raschi 9,7

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