„Arba Kossot“ – Die vier Becher der Erlösung

Datum: | Autor: Rav Chaim Grünfeld | Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag
vier becher

Die große Pflicht der Mizwa

Die Rabbanan sl. verpflichteten jeden, ob Mann oder Frau, am Pessach beim Seder vier Becher Wein zu trinken[1]. Diese Pflicht ist so wichtig, dass sie selbst für einen Armen gilt, der sich eigentlich keinen Wein leisten kann. Er muss daher Geld leihen, oder seine Kleidung verkaufen[2]. Im Prinzip sollte es jedoch nicht so weit kommen, denn Chasal verlangten zugleich, dass die „Gabbae Zedaka“ aller Gemeinden dafür sorgen müssen, dass den Armen genügend Geld oder Wein zur Verfügung steht[3].

Der Grund, weshalb Chasal das Trinken der „Arba Kossot“ so streng nahmen, erklärt der Awne Neser von Sochatschow sZl., ist ähnlich wie bei den Chanuka-Lichtern, der „Pirsum haNes“, um die von Hkb“H verrichteten Wunder bekannt zu machen[4]. Während bei allen Mizwot der Tora im Fall einer unverschuldeten Verhinderung die Regel gilt, dass es dem Menschen im Himmel so angerechnet wird, als ob er trotzdem die Mizwa erfüllt hat, ist dies bei „Pirsum haNes“ nicht möglich. Denn bei einer ‘normalen‘ Mizwa geht es hauptsächlich um die Machschawa, um die Bemühung die Mizwa zu erfüllen, und diese Absicht hatte er ja auch dann, wenn er verhindert worden ist. Hingegen geht es bei „Pirsum haNes“ darum, die Wunder G’ttes anderen Menschen mitzuteilen und dies ist mit blossen Gedanken ja nicht möglich![5]

Der Gerer Rebbe sZl., der Chidusche haRi“m begründete die Besonderheit der ‘Chanuka-Lichter‘ und ‘Arba Kossot‘, auf chassidische Weise: „An diesen beiden Jamim Towim liess Haschem dem Klall Jisrael Wunder auf übernatürliche Weise geschehen, deshalb bemüht sich auch Jisrael in diesen Tagen mehr als ‘natürlich‘ um die Erfüllung der Mizwot[6].

Einen schönen ‘Remes‘ (Andeutung) wird in einem alten Sefer zitiert: „Am Chanuka sagen wir im ‘Al haNissim‘: „Diese Tage wurden verordnet „leHodot uleHalel leSchimcha haGadol – um Deinen großen Namen zu danken und zu loben“. Das Wort לשמך sind die Anfangsbuchstaben von: ל-ווה, ש-ואל, מ-וכר כ-סותו (leihen, erbitten, sein Kleid verkaufen)[7]. Dasselbe passt zu den „Arba Kossot“, die ebenfalls verordnet wurden, um Haschem für Seine Wunder zu loben und zu danken.

Warum muss gerade Wein getrunken werden?

Chasal verordneten die „Arba Kossot“ als Andenken an die „vier Ausdrücke der Erlösung“. Der Mordechai[8] fragt jedoch, weshalb sie gerade das Trinken von vier Becher Wein ausgesucht haben und nicht das Essen von vier Mazzot? Er antwortet, dass der Wein bei der endgültigen Erlösung des Klall Jisrael ebenfalls eine Rolle spielen wird, da Jisrael gemäss der Voraussagung des Nawi (Propheten) mit vier Becher der „Nechama“ getröstet wird, während die sie plagenden Völker vier Becher der Strafe erhalten[9].

Andere erklären, dass Chasal deshalb Wein vorschrieben, weil wie es heisst (Tehilim 104,15) „weJajin jesamach leWaw Enosch“, dieser das Herz des Menschen erfreut und er somit auch die Pflicht von „Simchat Jom Tov“ erfüllt[10].

Gemäss vielen Acharonim gilt das Sagen der „Hagada schel Pessach“, wie auch der ‘Kidusch‘, ‘Birkat haMason‘ und das ‘Hallel‘ in der Seder-Nacht als „Schira“ (Lobgesang) an G’tt wegen den von Ihm vollbrachten Wundern und der Erlösung aus Mizrajim. Deshalb müssen sie über einen Becher Wein gesagt werden, da im Bet haMikdasch die Levijim ihre Schira nur beim Giessen des Weins auf dem Misbeach sangen (אין אומרים שירה אלא על היין), weil dieser das Herz erfreut und zum singen anregt[11].

Unter anderem werden noch folgende schöne Erklärungen über den Zusammenhang des Weins mit „Jeziat Mizrajim“ angegeben:

a) Die Weinrebe nimmt bekanntlich keine Verbindung mit einer anderen Frucht auf und lässt sich nicht pfropfen (Harkawa). Deshalb wird der Klall Jisrael mit einer Weinrebe verglichen, da auch sie immer ihre Eigenart behalten und sich nicht mit anderen Völkern vermischen[12]. Deshalb trinkt man vier Becher Wein, um an diese Besonderheit Jisraels zu erinnern, die sich selbst in Mizrajim nicht mit den Nochrim vermischten und sich völlig assimilierten, indem sie ihre besonderen Kleider, Sprache und Namen behielten, und sich nicht mit den Mizrim verheirateten[13].

Andere fügen hinzu, dass der Wein überhaupt ein Symbol für die Abgesonderheit Jisraels von allen Völkern ist, da Chasal aus diesem Grund den Genuss von nichtjüdischen Wein (סתם יינם) verboten haben[14].

b) Der Nezi“w von Valoszin sZl. verbindet die vier Becher Wein mit den „vier Ausdrücken der Erlösung“, denn es liegt nämlich in der Natur des Weins, dass sich der Mensch, wenn er ihn trinkt, mit jedem weiteren Glas stärker und höher emporgehoben fühlt. Genau diesem Gefühl entsprechen die vier Ausdrücke der Erlösung, die mit der untersten Stufe begannen und sich immer stärker ausbreiteten, die Bne Jisrael immer höher emporhoben, bis zur endgültigen Ge‘ula[15].

Raw Schlomo Salman Auerbach sZl. fügte hinzu, dass gerade deshalb Chasal das Trinken von Wein auswählten und nicht irgend etwas anderes. Denn bei jedem Nahrungsmittel, wie z.B. einer Nuss, verspürt der Essende bei der Verzehrung der zweiten Nuss, keine größere Freude als bei der ersten. Beim Wein hingegen, geniesst man jedes weitere Glas mehr als das erste. Diese langsam steigende Freude entspricht dem Freiheitsgefühl der Bne Jisrael, das sich in vier Stufen entwickelte[16].

c) So wie der Wein den Verstand des Menschen benebelt und ausschaltet, hat sich Jisrael bei Jeziat Mizrajim völlig dem Willen von Hkb“H unterworfen und sind ohne grosse Fragen in die Wüste ausgewandert (Jirmijahu 2,2) „Lechtech acharai baMidbar be’Erez lo Seruah – dass du Mir nachgegangen bist in die Wüste, in eine unbesätes Land“. Deshalb geschah der ganze Ablauf der ersten Pessach „beChipason – in Eile“ (Schmot 12,11), weil חפזון das Gegenteil von „jischuw haDa’at – klarem Denken“ ist. Bisher war Jisrael ohne eigenständigem דעת (Erkenntnis), weil sie Knechte des Paraoh und der mizrischen Kultur waren. Jetzt aber traten sie über in den Dienst von Hkb“H und wurden zu „Awde Haschem“, die sich völlig Seinem Willen unterwarfen – „Na’aseh weNischma“[17].

Während Paraoh zu Mosche sagte (Schmot 5,2): „Lo jadati et Haschem – ich kenne G’tt nicht“ und wollte sich Seinem Willen nicht unterwerfen, löste Jisrael ihr bisheriges Wissen und seine Eigeninitiative völlig auf und glaubte mit einer „Emuna Pschuta“ an Haschem. So erlangten sie die höchste Stufe des Wissens und der Erkenntnis (Da‘at): „Tachlit haJedia, sche‘nejda schelo nejda – die Vollkommenheit des Wissens ist die Erkenntnis, dass man nicht weiss“!

Die Pflicht des Weintrinkens

Gemäss der Gemara beinhaltet die Pflicht des Weintrinken zwei Teile: a) Mit dem Weingenuss wird die Mizwa von „Simchat Jom Tov“ erfüllt, denn der Wein erfreut das Herz des Menschen. b) Der Wein muss zugleich angenehm zu trinken und genießbar sein, um dadurch ein Gefühl von „Chejrut“, der in der Pessachnacht erworbene Freiheit, zu verspüren[18].

Wer das ganze Jahr hindurch keinen Wein trinkt, weil er ihn gesundheitlich nicht verträgt oder einfach keinen grossen Genuss an Wein findet, muss sich dennoch dazu zwingen vier Becher Wein zu trinken[19]. So wird in der Gemara von Rabbi Jehuda ben Rabbi Ila‘i und von Rabbi Jona berichtet, die jeweils wegen den „Arba Kossot“ von Pessach bis Schawuot an Kopfschmerzen litten und dennoch diese Mizwa erfüllten[20].

Diese Pflicht gilt aber nur dann, wenn man bloss an Kopfschmerzen leidet. Wer hingegen Gefahr läuft, ernsthaft zu erkranken, ist vom Weintrinken befreit, weil es ihm dann am „Chejrut-Gefühl“ fehlt[21]. – Ob es sich bei dieser Krankheit um eine Lebensgefährliche handelt oder nicht, ist eine ‘Machloket haPosskim‘[22].

Weshalb die durch den Weingenuss verursachten Kopfschmerzen noch keine Schmälerung des Chejrut-Gefühl bedeuten, wird von manchen damit erklärt, dass man dennoch während des Trinkens den Wein genießt, auch wenn die späteren Konsequenzen schmerzhaft sind[23]. Wem jedoch der Weingenuss unerträglich ist, und ihn nicht ausstehen kann, der ist wegen des fehlenden „Chejrut“, von dieser Pflicht befreit[24].

Wurde jemandem vom Arzt verboten Wein zu trinken, so darf er nicht von alleine ‘machmir‘ sein, da es sonst eine „Mizwa haBa beAwera“, ein durch eine Sünde erfülltes Gebot, ist[25]. Gemäss einigen Posskim wird dadurch sogar überhaupt keine Mizwa erfüllt und folglich darf in einem solchen Fall keine Beracha auf den Wein gesagt werden[26].

Man muss jedoch in diesem Fall die Mizwa der „Arba Kossot“ mit Traubensaft erfüllen[27], und falls man auch solchen nicht besitzt oder trinken kann, dann zumindest mit einem „Chamar Medina“ [Nationalgetränk][28].

Nachdem der hauptsächliche Weingenuss eine Freude des Gaumens ist, kann diese Mizwa nur dann erfüllt werden, wenn der Wein durch den Hals geschluckt wird. Wird aber jemand intravenös ernährt, so erfüllt er keine Mizwa und kann darauf keine Beracha machen[29].

Wein oder Traubensaft?

Ob man auch mit Traubensaft die Mizwa der „Arba Kossot“ erfüllen kann, darüber herrscht eine Meinungsverschiedenheit: Gemäss vielen Posskim kann man lechatchila (von vornherein) Traubensaft verwenden[30]. So führten sich auch einige Gedolim, wie z.B. der Chason Isch, Brisker Raw und Tschebiner Raw sZl., weil im Rambam steht, dass das Trinken der Arba Kossot angenehm sein muss[31], um dem „Chejrut-Gefühl“ gerecht zu werden[32], und ihnen das Trinken von Traubensaft angenehmer als Wein war[33].

Weshalb berichten dann Chasal von den erwähnten Tana’im, dass sie jeweils solch starke Kopfschmerzen vom Weintrinken erlitten, sie hätten sich ja Traubensaft herstellen können? Raw Mosche Chajim Schmerler sZl. (Machsike haDa’at, Zürich), antwortete darauf: „Die einzige Möglichkeit die man damals für die Herstellung von Traubensaft kannte, war den frischgepressten Saft sofort zu verwenden bevor er zu gären begann. Solcher ungegorener, alkoholfreier Traubensaft hatte aber den Mangel, dass man ihn nicht lagern konnte. Die Möglichkeit die Trauben erst vor Pessach zu pressen gab es auch nicht, da die Traubenernte bereits im Tamus stattfand und daher wie heute im Tischri/September gekeltert wurden[34], da man kein Verfahren kannte, um Trauben für längere Zeit haltbar zu lagern[35].

Andere hingegen machten auf verschiedene Mängel des Traubensaft aufmerksam, der keinen Alkohol besitzt und somit weder “mesameach“ (erfreut) noch “meschaker“ (berauscht) sein kann und den Menschen nicht erheitert, was, wie vorher erwähnt, ein Teil der Mizwa von „Chejrut“ ist. Außerdem schreibt der Magen Awraham, dass es eine ‘Mizwa min haMuwchar‘ ist alten Wein zu verwenden[36].

Deshalb sollte lechatchila echter Wein für die Arba Kossot verwendet werden, und nur wem dies schwer fällt, kann Traubensaft trinken[37]. Gemäss einigen Posskim erfüllt man sogar ‚bediawad‘ (im Nachhinein) seine Pflicht nicht mit Traubensaft![38] Aus diesem Grund führten sich viele Gedolim Wein und keinen Traubensaft zu verwenden[39]. Auch Raw Mosche Feinstein, Raw J.S. Eljaschiw und Raw Jisrael Jakov Fischer sZl. lehnten die Verwendung von Traubensaft lechatchila sogar für denjenigen ab, der lieber Traubensaft als Wein trinkt. Sie plädieren jedoch darauf, dass wer keinen Wein erträgt und daher Traubensaft benutzt, diesen wenigstens mit so viel Wein (1/3) vermengt, dass man dessen Alkohol verspürt[40]. Heutzutage gibt es auch eine weitere Möglichkeit, indem man einen Wein mit verringertem Alkoholgehalt (4-6%) verwendet[41].

Roter oder weißer Wein?

Es ist eine Mizwa roten Wein zu trinken, außer wenn der weisse besser ist[42]. Gemäss dem sefaradischen Minhag wird auf jeden Fall roter Wein genommen[43], was heutzutage im Allgemeinen auch der aschkenasische Minhag ist[44]. Auf jeden Fall kann der rote mit weißem Wein gemischt werden und wer den weißen bevorzugt, kann etwas roten hinzufügen, um den unten aufgeführten Gründe für die rote Farbe gerecht zu werden[45]. [Dabei ist es besser, wenn man zuerst den roten Wein einschenkt, um den weißen nicht zu färben[46]]. – Hingegen wurde an Orten, wo man sich vor „Alilat Dam“ (Blutlüge) fürchten musste, kein roter Wein verwendet[47].

Weshalb roter Wein zu bevorzugen ist, wird folgendermaßen erklärt:

a) Im Jeruschalmi wird dies mit dem Passuk in Mischle (23,31) begründet: „Al tere Jajin ki Jis’adam – schaue nicht auf den Wein, der rot ist“[48]. Schlomo haMelech warnt davor, sich nicht vom guten und anziehenden Aussehen des roten Weines betören zu lassen. Daraus ist der Vorzug und Chaschiwut des roten vor dem weissen Wein ersichtlich[49].

b) Mit dem roten Wein wird an das Blut der jüdischen Kinder erinnert, das Paraoh vergossen hatte, als er sich darin badete, um sich von seinem Aussatz zu heilen[50].

c) Ein Gedenken an die ‘Makkat Dam‘[51]. [Vielleicht liegt der Sinn einer solchen Erinnerung darin, weil „Dam“ die erste aller Makkot war. Somit symbolisiert sie den Beginn der Erlösung und ist daher eng mit dem Trinken der vier Becher verbunden.]

d) Eine Erinnerung an das „Dam Pessach weDam Mila“, das Blut des Korban Pessach und der Brit Mila, in deren ‘Sechut‘ (Verdienst) die Bne Jisrael erlöst wurden[52].

e) Es soll an das in Mizrajim auf die Türschwelle und -pfosten gespritzte Blut des Korban Pessach und Brit Mila erinnern, durch das Jisrael während der ‘Makkat Bechorot‘ (Plage der Erstgeborenen) verschont blieb[53].

f) Es ist zugleich eine Andeutung an die künftige Erlösung aus dem ‘Galut Edom‘, bei der Hkb“H den Edomi – Esaw bestrafen wird, weil dessen Kleid vom roten Blut Jisraels befleckt ist, das er vergossen und geschändet hat[54].

Weitere ‘Hidurim’ des Weins

Wie erwähnt, schreibt der Rambam, dass das Trinken der Arba Kossot angenehm sein muss[55]. Es ist daher ein ‘Hidur Mizwa‘, sich für die Arba Kossot einen guten Wein auszuwählen[56], auch wenn er teuer ist[57]. Deshalb ist es empfehlenswert, die Weine vor Jom Tov zu versuchen, um sich davon denjenigen auszusuchen, dessen Aroma und Stärke einem am besten gefällt und der angenehm zum Trinken ist[58].

So wie es die Regel bei allen Mizwot ist, soll wenn möglich solcher Wein für die Mizwa verwendet werden, für den man Geld bezahlt hat und der einem nicht geschenkt wurde[59]. Falls man während dem Seder verschiedene Weine verwendet, sollen von Anfang an alle Weine auf dem Tisch gestellt werden, damit später kein „Safek“ in Bezug der „Birkat haTov wehaMetiv“ aufkommt, wenn man später einen besseren Wein als den bisherigen zum Tisch bringt[60]. Bei verschiedenen Traubensäften hingegen gilt diese Halacha nicht[61].

Frauen und Kinder

Auch Frauen sind mit der Mizwa von „Arba Kossot“ verpflichtet worden, weil auch sie Anteil am Galut Mizrajim und dessen Ge’ula hatten[62]. Manche begründen ihre Pflicht damit, dass die Bne Jisrael überhaupt nur durch das Verdienst der „Naschim Zidkanijot“ (rechtschaffene Frauen) erlöst wurden, die es den Männer ermöglichten, ihre Leiden geduldig zu ertragen[63]. Andere fügen hinzu, dass Chasal den Frauen Gutes erwiesen, so wie die Frauen ihren Männern Gutes getan hatten. Darum gaben Chasal den Frauen eine weitere Mizwa, für die sie Belohnung erhalten können wie jemand, dem dies von der Tora befohlen wurde[64].

Frauen, die keinen Wein vertragen, erfüllen lechatchila die Mizwa der Arba Kossot mit Traubensaft. Wie erwähnt, basiert die Pflicht des Weintrinkens auch auf der Mizwa von „Simchat Jom Tov“, die Frauen hauptsächlich durch neue Kleider und Schmuck etc. erfüllen[65]. Auf jeden Fall müssen auch sie die Arba Kossot gemäss dem „Seder“ (Reihenfolge) der Hagada trinken, d.h. wenigstens etwas von der Hagada zwischen den Bechern sagen, und nicht einen Becher nach dem anderen trinken[66].

Frauen, die echten Wein für die Arba Kossot verwenden, sollen sich besser mit dem kleinsten notwendigen ‘Schiur‘ (Mass) begnügen und daher keinen größeren Becher als einen „Schiur Rewi’it“ (86ml) verwenden[67].

Jungen und Mädchen, die das „Chinuch-Alter“ erreicht haben[68], d.h. die von der Heiligkeit des Jom Tov wissen und verstehen, was man von ‘Jeziat Mizrajim‘ berichtet und während des ganzen Seders wach bleiben, müssen ebenfalls vier Becher gemäss dem ‘Seder der Hagada‘ trinken. Demnach hat diese Pflicht nichts mit dem Alter, sonden mit der Reife und dem Verständnis zu tun[69].

Nach anderen Ansichten jedoch gilt immer nur das Alter von fünf, sechs oder sieben Jahre als Maßstab für die Chinuch-Pflicht und diese Jahre variieren gemäss dem Verständnis der Kinder[70]. Auch Kinder müssen nur Traubensaft und keinen Wein trinken[71]. Sie benötigen ebenfalls einen eigenen Becher, der ein „Schiur Rewi’it“ hat, und sollten lechatchila die Mehrheit des Rewi’it austrinken[72], insbesondere da sie nur Traubensaft trinken und er ihnen angenehm ist[73]. Notfalls kann man sich auf die Ansicht der Posskim verlassen, die Kindern nur kleine Becher gaben[74]. Jedenfalls genügt es gemäss dem Mischna Berura, wenn sie davon nur einen „Melo Lugmaw“, d.h. so viel, wie sie auf einmal hinunterschlucken können, trinken[75].

Es ist dennoch der übliche Minhag, auch Kindern, die jünger als das Chinuch-Alter sind, einen eigenen Becher zu geben, wegen dem „Pirssum haNes“, um sie zum Fragen anzuregen[76]. Manche begründen dies damit, dass auch sie aus Mizrajim erlöst wurden und deshalb haben die Arba Kossot nichts mit Chinuch zu tun[77]. Bemerkenswert sind die Worte des Rabbi Ja’ir Chajim Bacharach sZl., der Wormser Rabbiner und Verfasser des Chawot Ja’ir (gest. Worm 5462/1702), der schreibt: „Unser Minhag [in Worms] ist es, selbst einem ein Tag alten Baby einen separaten Becher hinzustellen!“[78]

Jedenfalls muss dieser Becher der kleinen Kinder keinen „Schiur Rewi’it“ beinhalten[79], und er muss auch kein silberner oder schöner Becher sein, ein Plastikbecher genügt völlig[80].

Die ‘Segula’ der vier Becher

Wer sich bemüht, die Mizwa der „Arba Kossot“ und „Achilat Mazza und Maror“ richtig zu erfüllen, auch wenn es ihm schwerfällt, der spart sich während des Jahres die Einnahme von Medikamente, Pillen und bitteren Medizinen[81]. Außerdem sühnen die vier Becher für denjenigen, der sich mit den „Arba Missot Bet-Din“ (also Sünden, für die man früher vom Bet-Din mit einem der vier Arten der Todesstrafe bestraft wurde) verschuldet hatte[82].

***

„Mosche Rabenu“ wird in der ‘Hagada schel Pessach‘ zwar nur ganz nebenbei erwähnt (im Abschnitt Rabbi Jossi haGlili omer): „waJaminu baSchem ubeMosche Awdo„. Dennoch setzten ihm Chasal wenigstens in der Form eines ‘Remes‘ ein spezielles Andenken, erklärt der Chatam Sofer sZl. Denn viermal den Zahlenwert von כוס [4×86] betrifft den Zahlenwert von משה [344+1][83].

Des Weiteren schreibt der Chatam Sofer, dass man wenn Moschiach kommt vielleicht „sechs Becher“ Wein trinken wird, weil dann auch die Erlösungsstufen von (Schmot 6,7) „Weheweti“ und „Wenatati“ (Ich werde euch nach Erez Jisrael bringen und es euch zum Erbbesitz geben) in Erfüllung gehen![84]


  1. Pssachim 108a und 117b, Tosfot und Ran 108b und andere Rischonim
  2. Schulchan Aruch 472,13 gemäss Raschbam Pssachim 89b. S.a. Magid Mischna zu Rambam Hilchot Chanuka 4,12, Schu“t Awne Neser O“Ch 501,2 und Biur Halacha 656 (‘Afilu’). [Weitere Quellen hierzu siehe Ozar haHalachot (Taub) zu Schu“A O“Ch 472,13/S. 145].

    Jemand ist der Ansicht, dass man nicht sein Kleid verkaufen muss (Schu“t Besamim Rosch 115 und siehe dazu Schu“t Be’er Sarim Bd3/72). Im Sefer Seder ha’Aruch (Bd1/S.246 §16) wird dies mit dem Fehlen der Simchat Jom Tov oder der Cherut-Wahrnehmung erklärt, falls der Arme ohne sein Kleid den Seder verbringen muss. Mir scheint jedoch, dass die Pflicht des Kleiderverkauf sich nicht auf sein einziges am Leib getragenes Kleid bezieht, sondern nur auf ein übriges Kleidungsstück, falls ein solches vorhanden ist, wie z.B. einen Wintermantel, den er jetzt nicht mehr benötigt. Es ist wohl kaum anzunehmen, dass Chasal ihn verpflichten wegen den vier Becher Wein ohne Kleid am Tisch zu sitzen!

  3. Pssachim 89b und Schulchan Aruch ibid.
  4. Magid Mischna ibid. S.a. Biur Halacha 656 (‘Afilu‘)
  5. Schu“t Awne Neser O“Ch 502,2. [Siehe auch Schu“t Mahara“m Schik O“Ch 331, Oswon deOraita von Raw Josef Engel Klall 13 und Meschech Chochma Parschat Bo].
  6. Likute Jehuda zu Pessach
  7. Chanukat haBajit zu Chanuka, von Rabbi Scha’ul ben Dawid aus Russland, Prag 5376 (Neuausgabe Mechon Nachlat Zwi, Bne Berak S.72)
  8. Rabbi Hilel ben Rabbi Mordechai Aschkenasi, ein Schüler des Mahar“m von Rothenburg und Schwiegersohn der Rabbi Jechiel von Paris, war Nürnberger Raw, und einer der grosse Posskim in Aschkenas in der Generation nach den Ba’ale Tosfot. Er wurde am 22. Aw 55058/1298 bei den Rintfleisch-Verfolgungen ‘al Kidusch Haschem‘ umgebracht HjD.
  9. Mordechai Perek Arwe Pssachim gemäss Jeruschalmi Pssachim 10,1
  10. Pssachim 108b gemäss Raschbam und Tosfot. Ferner siehe Rambam Hilchot Chamez und Mazza 7,9
  11. Schoschanim leDawid zu Mischnajot 10. Kap., Chidusche Chatam Sofer (Ausgabe Mechon Jeruschalajim) zu Pssachim 99b, Or Sameach zu Rambam Hilchot Chamez uMazza, Ma’agle Zedek und ausführlich in Birkat Refael zu Pessach Kap.46 gemäss Erchin 11a
  12. Sohar haKadosch Bd1/S.239a
  13. haSeder ha’Aruch Bd2/118,23 gemäss Mate Mosche 607 und Wajikra Rabba 32,5
  14. Meschech Chochma Parschat Waera 6,6
  15. Chumasch Ha‘amek Dawar zu Schmot 6,6, Ha‘amek Sche’elo zu den Sche’iltot Parschat Zaw 77,4 und Hagada Imre Schefer (Deza“ch)
  16. Schalme Moed (Freund) S.371
  17. Gemäss Hagada Schem miSchmuel (Injan Arba Kossot S.36a) mit einigen Ergänzungen
  18. Pssachim 108b gemäss Raschbam und Tosfot (‘jede Jajin‘). Ferner siehe Rambam Hilchot Chamez und Mazza 7,9
  19. Schulchan Aruch und Bet Josef 472,10 gemäss Schu“t hoRaschb“o 238
  20. Nedarim 49b und Jeruschalmi Schekalim 3,2
  21. Aruch haSchulchan 14, Mischna Berura 472,35 und Scha’ar haZijun 52, und Mikrae Kodesch zu Pessach Bd2/32
  22. Siehe Pisske Teschuwot (Rabinowitz) 472,9
  23. Sidur Pessach keHilchato Bd2/S.35 §9. – Eine andere Erklärung siehe in haSeder ha’Aruch Bd1/S.247 §23
  24. Pessach keHilchato ibid. im Namen von Raw Eljaschiw sZl.
  25. Schu”t Maharj”o Assad O”Ch 160, Schu”t Maharam Schi”k O”Ch 260, Schu”t Schraga haMe’ir (Schneebalg) Bd4/110, Tschuwot weHanhagot (Sternbuch) Bd2/241. Weitere Quellen hierzu siehe haSeder ha’Aruch Bd1/41,6 und 86,7/§28
  26. Maharj“o Assad und Mahara“m Schik ibid.. – Nach Raw Owadja Josef sZl. hingegen muss selbst dann eine Beracha gemacht werden (Hagada Chason Owadja Bd1/5)
  27. Nite Gawriel zu Pessach Bd2/72,6 und Schu“t Mischne Halachot (Klein) Bd13/38
  28. Mischna Berura 472,37. Genaueres über die Definition von „Chamar Medina“ heutzutage, siehe in Sidur Pessach keHilchato Bd2/S.36 §10, Pisske Teschuwot 272,4 und Chut haSchani zu Pessach 17,11.
  29. Schu“t Minchat Jizchak (Weiss) Bd3/18
  30. Pri Chadasch 472,9 und Ende 483, Schearim Mezujanim beHalacha 118,1, Schu“t Mischne Halachot Bd10/87, Hagada Chason Owadja Bd2/S.125, Schu”t Har Zwi (Frank) Bd1/158 und Sefer Mikrae Kodesch zu Pessach Bd2/35, und so entschied auch Raw Schlomo Salman Auerbach sZl. in Ma’adane Schlomo (Pessach, S.13).
  31. Rambam Hilchot Chamez uMazza 7,9
  32. Schulchan Aruch haRaw 472,17
  33. Raw Mosche Sternbuch schlit”a bezeugt in Teschuwot weHanhagot (Bd2/ende 243), dass der Chason Isch, Brisker Raw und Tschebiner Raw sZl. Traubensaft tranken. Auch in Sidur Pessach keHilchato (Bd2/Kap.3§25) wird dies vom Chason Isch bezeugt, und Raw Ch.M. Schmerler sZl. (Zürich) bezeugte dies ebenfalls von seinem Rebbe, dem Tschebiner Raw sZl. (Machschewet Chajim O“Ch 135,5). Auch Rabbi Aharon Rokeach von Bels sZl. Rabbi Baruch Be’er Leibowitz von Mir sZl. (Hagada Arse haLewanon Bd2/S. 13), der Zehlemer Raw sZl. (Nite Gawriel ibid. 6/§9) tranken Traubensaft. Der Pne Menachem vor Gur sZl. bemühte sich zwar in seinen jüngeren Jahren starken Weine zu benutzen, musste aber in seinen älteren Jahren auf Traubensaft umstellen (keHilchot haPessach S.95). – Siehe auch bezüglich der Traubensaft-Herstellung ausführlich in Pisske Tschuwot 272,6.
  34. Siehe Bamidbar 13,20 und Tosfot in Baba Batra 28a
  35. Machschewet Chajim O“Ch 135,5
  36. Schu“A O“Ch 272,3, wird auch in Schu“A haRaw 2 und Mischna Berura 5 zitiert.
  37. Siehe ausführlich Mikrae Kodesch (Frank) zu Pessach Bd2/35
  38. Pri Chadasch Ende 483 im Namen des Schu“t Mahara“sch haLevi (Jore Dea 12 und Jad haLevi 155). Dies wird aber von anderen bestritten, siehe Pri Megadim ende 483 gemäss Pssachim 108b.
  39. R. Elchanan Wassermann, R. Jecheskel Abramsky, R. Isser Salman Melzer, R. Aharon und R. Schneor Kotler, der Steipeler, R. Jakov Kaminetzky, R. Jakov Jizchak Rudermann, R. Gedalja Schorr (Hagada Arse haLewanon Bd1 und Bd2)
  40. Siehe ausführlich Schwut Jizchak zu Hilchot Pessach Kap. 10/S.117, Hagada Kol Dodi 3,8, Ma’adane Schlomo zu Moadim (Pesach S.12), Hagada Arse haLewanon Bd1/S.31 und Halichot Ewen Jisrael (Fischer) zu Moadim (Pessach, Arba Kossot 1). S.a. ausführlich in Awne Schoham (Schlomowiz) zu Pessach Kap.45. – Auch Raw S.S. Auerbach sZl. mischte Traubensaft mit Wein (Hagada haGrescha”s und Haga Arse haLewanon Bd2).
  41. Halichot Ewen Jisrael (Raw Fischer sZl.) zu Moadim (Pessach, Arba Kossot 3/§4)
  42. Schulchan Aruch 472,11
  43. Hagada Pessach Me’ubin 187 und Hagada Chason Owadja Bd1/S.220
  44. Wajaged Mosche S.54 (Kap.7,4)
  45. ibid. und Nite Gawriel zu Pessach Bd2/71,5
  46. Mischna Berura 318 in Scha’ar haZijun 65 und 320,56 und Schmirat Schabbat keHilchata 11,39
  47. Ta”s 472,9, Chok Jakov 24, Schu”A haRaw 26 und Mischna Berura 38
  48. Jeruschalmi Schekalim 3,2 (S.13a)
  49. Or Sarua Hilchot Pssachim 256
  50. Or Sarua ibid., Magen Awraham 472,13 und Ta”s 9
  51. Pri Megadim E“A 472,13
  52. Or Sarua ibid. und Hagada Chajim leRosch (Palag’i) im Namen des Chukat haPessach
  53. Kimcha deAwischuna
  54. Kaf haChajim 472,78 gemäss Jeschajahu 63,1-2
  55. Rambam Hilchot Chamez uMazza 7,9
  56. Schulchan Aruch 272,3 in Bezug auf Kidusch. S.a. ausführlich Tschuwot weHanhagot (Sternbuch) Bd1/253 und Kezot haSchulchan Kap.80 §1
  57. Mate Mosche 661
  58. Nite Gawriel zu Pessach Bd2/6,13 und so führte sich Rabbi Schimon Sofer, der Ba’al Hit‘orerut Teschuwa von Erlau sZl.
  59. Schu“t Chawot Ja‘ir 232 gemäss Sohar Hak. Parschat Teruma und Kaf haChajim 454,39
  60. Nite Gawriel ibid. 11 gemäss Schulchan Aruch O“Ch 175,1, Magen Awraham und Scha’are Teschuwa 1, Mischna Berura und Scha’ar haZijun 2
  61. Seder ha‘Aruch Bd1/S.115 §33 im Namen von Raw Eljaschiw sZl.
  62. Tosfot und Mahara“m Chalwa‘ah zu Pssachim 108b
  63. Raschi und Raschbam zu Pssachim 108b gemäss Sota 11b
  64. Or haChama (Krauser) zu Pssachim 108b
  65. Mikrae Kodesch (Frank) zu Pessach Bd2/35 in Hagahot Harare Kodesch, und Halichot Ewen Jisrael (Raw Fischer sZl.) zu Moadim (Pessach, Arba Kossot 2)
  66. Mischna Berura in Biur Halacha 472 (‘schelo’) und ausführlich in Sidur Pessach keHilchato Bd2/S.39
  67. Nite Gawriel zu Pessach Bd2/73,10 gemäss Sidur Jawe“z u.a.
  68. Schulchan Aruch 472,15
  69. Schu“A haRaw 472,25, Kizur Schu“A 119,1 und Hagada Chidusche Halachot S.42
  70. Chok Jakov 472,27, Kaf haChajim 40, Aruch haSchulchan 15, Or Jisrael 84 und Mischna Berura 269,1. Mehr dazu siehe Nite Gawriel zu Pessach Bd2/72,9 §13
  71. Sidur Pessach keHilchato Bd2/S.34 §6 und Halichot Ewen Jisrael ibid.
  72. Minhage Mahari“l, Chok Jakov 472,27, Pri Chadasch 25, Kizur Schu“A 119, Misgeret haSchulchan 1, Ma’adane Schmuel 2 und Pri Chadasch gemäss Schu“t Wajaschew Mosche Bd1/78. S.a. ausführlich in Nite Gawriel ibid. 73,12 §24.
  73. Nite Gawriel ibid. §26
  74. Mahari“l und Chok Jakov ibid., Seder haJom, Ateret Skenim 472, Aruch haSchulchan 15 und ausführlich in Schu“t Kawanat haLew 28
  75. Mischna Berura 472,47 und Scha’ar haZijun 61, Biur Halacha 271,13. S.a. Schu“A haRaw 190,4 und Kaf haChajim 472,94. – Mehr über die Pflicht der Kinder bei „Arba Kossot“, siehe im Sefer Pirke haSchana Bd1/Kap.45 und Mikrae Kodesch zu Pessach Bd3/28.
  76. Chok Jakov 472,27 im Namen des Mahari“l, Seder haJom, Lewusch 24, Knesset haGedola in Pessach meUbin 201, Kaf haChajim 472,94 u.a. – Mehr darüber siehe Seder ha’Aruch Bd1/S.255 §37.
  77. Diwre Zwi zu Schulchan Aruch 479
  78. Mekor Chajim 472
  79. Chok Jakov im Namen des Mahari“l und Seder haJom ibid., Aruch haSchulchan 472,15 und Nite Gawriel ibid. 10/§15
  80. Nite Gawriel ibid. 11/§16
  81. Orchot Chajim 472,12 und Jafe laLew im Namen des Orchot Joscher Kap.11
  82. Kaf haChajim 473,73 im Namen des Jafe laLew gemäss dem Ijun Jakov Anfang ‘Arwe Pssachim‘
  83. Chidusche Chatam Sofer zu Pssachim 99b
  84. Chatam Sofer Parschat Wa‘era

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