Unsere Geschichte geschah in einer Epoche, da in Polen ein starker Wind des Antisemitismus wehte.
Fast täglich kamen neue Gesetze heraus, die vor allem gegen die Jiden gerichtet waren und ihnen das Leben sehr schwer machten. Im Parlament verkündeten die Judenhasser offen ihren Hass gegen die Jiden und wiesen in ihren feurigen, hasserfüllten Reden daraufhin, was die Jiden mit der polnischen Staatskasse anrichteten. Ein Abgeordneter forderte sogar offen die sofortige Ausweisung aller Juden aus ganz Polen. In jener Zeit geschah es nicht selten, dass ein Jid mit der (falschen) Anschuldigung vor Gericht gestellt wurde, die Regierung verleumdet zu haben.
Als der Bobover Rebbe, Rebbe Reb Ben-Zion Halberstamm הי“ד , in Tschebin wohnte, kam ein Jid aus Kschischowitz zu ihm und schüttete ihm sein Herz aus. Er brauche sofort Hilfe, da ihm ein schweres Verfahren wegen Staatsbeleidigung bevorstehe.
Er erzählte, dass ein antisemitischer Steuerbeamter ihn besucht hatte, um die Steuern bei ihm einzutreiben.
Der Jid hatte zur Zeit kein Geld. Der Beamte begutachtete alle Wertsachen und notierte sie, um sie zu verpfänden. Der Jid protestierte, dass so ein Vorgehen gegen das Gesetz verstosse; schliesslich habe er laut Gesetz noch eine Frist, um das Geld aufzutreiben und seine Steuerschuld zu begleichen. Den Judenhasser interessierte das nicht und er fuhr mit seinem illegalen Tun fort.
In einer Ecke stand eine Nähmaschine, die mit einem Leinenüberzug bedeckt war. Darauf war ein Adler, das polnische Wappen, gewoben. Der Beamte befahl dem Jiden, den Überzug zu entfernen, damit er die Nähmaschine begutachten könne. Der Jid nahm den Überzug herunter, dieser fiel zu Boden, und der Jid trat unabsichtlich darauf.
Der Steuerbeamte war in Begleitung eines polnischen Polizisten. Auf eine solche Gelegenheit hatte der Polizist gewartet. Sogleich rief er aus:
„Ich werde dich wegen Beleidigung des polnischen Staatswappens anzeigen!“
Der Jid verteidigte sich: „Sie haben ja selbst gesehen, dass ich dies ohne Absicht gemacht habe.“
Das nützte aber nichts. Die Klage wurde eingereicht. Die polnische Justiz war damals auch vom Antisemitismus durchdrungen und kümmerte sich wenig um Gerechtigkeit, wenn ein Jude auf der Anklagebank sass. Der Anwalt des Jiden bekam eine Meldung, dass den Jiden für dieses Vergehen eine dreijährige Gefängnisstrafe erwarte.
Der Jid weinte beim Bobover Rebben, als er ihm seine schreckliche Lage schilderte. Er war sehr verängstigt. Bei den ersten Gerichtsverhandlungen habe ihn der Richter angefahren: „Hättest du auch eine Torarolle auf den Boden geworfen und mit Füßen getreten?!“
Der Rebbe beruhigte den Jiden und benschte ihn, dass er aus den Händen der Frevler befreit werde.
Nachdem dieser bereits gegangen war, rief er ihn nochmals zurück und gab ihm einen Ratschlag: „Wenn du zur Gerichtsverhandlung gehst, nehme eine Zündholzschachtel mit, welches nur ein Zündholz enthält. Du weisst ja, dass alle Zündholzschachteln mit dem polnischen Wappen bedruckt werden. Sobald du siehst, dass einer der Geschworenen rauchen möchte, strecke ihm unverzüglich deine Zündholzschachtel hin und biete ihm an, sich davon zu bedienen. Nachdem er seine Zigarette angezündet haben wird, wird er sicher die leere Zündholzschachtel in den Mülleimer werfen. In diesem Moment beginnst du mit einem Geschrei, dass die Ehre des polnischen Staatswappens verletzt worden sei, der Richter habe ihn ja in den Mülleimer geworfen. Ich bin sicher, dass dir dieser Rat mit G“ttes Hilfe Erfolg bringen wird.“
So wie es der Rebbe vorausgesagt hatte, geschah es denn auch:
Der erste Raucher war der Hauptrichter in Person. Der Jid streckte ihm flink seine Zündholzschachtel hin, der Richter bediente sich und warf die leere Schachtel in den Abfall.
Nun setzte sich der jiddische Rechtsanwalt in Szene und wollte die Ehrverletzung des polnischen Staatswappens anprangern. Niemand anders als der Hauptrichter selbst habe das polnische Staatssymbol aufs schlimmste beleidigt, indem er die leere Zündholzschachtel mit dem polnischen Adler in den Mistkorb geworfen habe, argumentierte er.
Die Richter waren darob sehr überrascht und brachen in ein schallendes Gelächter aus und klatschen dabei die Hände.
Der angeklagte Jid ergriff nun das Wort: „Ich bin ein Familienoberhaupt mit kleinen Kindern zu Hause, die ich zu ernähren habe. Mich wollt Ihr für nichts mit drei Jahren Haft bestrafen. Seht doch, ich bin ein polnischer Patriot und bedecke meine Nähmaschine mit dem polnischen Wappen.“
An Ort und Stelle wurde der Jid von der Anklage freigesprochen. Dieser meldete dies sogleich dem Rebben.