וַתִּקַּח צִפֹּרָה צֹר וַתִּכְרֹת אֶת עָרְלַת בְּנָהּ
Da nahm Zippora ein Felsstück und schnitt die Vorhaut ihres Sohnes ab
Rebbe Reb Jisroel Schapiro SZL, der Bluschewer Rebbe, war ein Insasse des berüchtigten Zwangsarbeitslagers von Lemberg-Janowska. Dies war ein Ort, über welchen man, sollte sich jemand an alle Ereignisse eines Jahres erinnern können, zehn Bücher mit Geschichten von jiddischem Heldentum, Leiden und Tod füllen könnte. Und sogar das wäre nur ein Tropfen im Ozean.
Eines Morgens war der Rebbe gerade mit einem anderen Lagerinsassen beim Holzsägen. Um den Rebben noch mehr zu erniedrigen, hatte man ihm einen sehr kleinen Mann zugeteilt, der das andere Ende der Säge bediente. Der Rebbe selbst war hochgewachsener Statur. Dieser Umstand machte nun das Sägen mühsam und lächerlich zugleich. Bei jedem Zug reckte sich der kleine Partner bis auf die Zehenspitzen, während sich der Rebbe vornüber beugte, bis seine schmerzenden, geschwollenen Füße bluteten. Die Nazis ימ“ש[1] standen daneben und machten sich über dieses Elend lustig.
Am Hoschana Rabba (siebter Tag von Sukkot) geschah es.
Der Rebbe und sein Partner waren am Holzsägen, da trug der Wind durchdringende, gequälte Schreie zu ihnen herüber. Selbst in der Hölle von Janowska hatte der Rebbe noch nie ein solches Geschrei gehört. Näher und näher kam das verzweifelte Klagen.
„Das ist eine Kinderaktion. Kleine Engel aus der ganzen Umgebung, aus Drohobycz, Borislow, Lemberg, Stryi, Stanislaw und anderswoher sind hierher gebracht worden, um ihren Schöpfer zu treffen.“ bemerkte ein Lagerinsasse im Vorübergehen, einen Schubkarren vor sich herschiebend, ohne auch nur einen Blick in die Richtung des Rebben zu werfen. Der Rebbe dachte, dass die Schreie müssten die Grundfesten der Welt erschüttern würden. Die Augen der beiden Holzsäger füllten sich mit Tränen, während sie mit ihrer Arbeit fortfuhren.
Plötzlich hörte der Rebbe direkt neben sich die Stimme einer Frau: „Jiden, habt Erbarmen mit mir und gebt mir ein Messer!“
Sie stand vor dem Rebben und war leichenblass. In ihren Augen loderte ein seltsames Feuer. Der Rebbe glaubte, dass sie sich selbst umbringen wolle. Er drehte sich um und sah, dass kein Deutscher in Sicht war. Dann sagte er ihr mit weicher Stimme: „Warum haben Sie es so eilig, in die Welt der Wahrheit [Olam Habah, Jenseits] einzugehen? Früher oder später werden wir dort schon ankommen.“
„Hund, was hast du zu der Frau gesagt?!“ – Ein junger, hochaufgeschossener Nazi ימ“ש war wie aus dem Nichts aufgetaucht und forderte eine Antwort, während er seinen Gummiknüppel über dem Haupte des Rebben kreisen liess.
„Die Frau bat mich um ein Messer.“ erklärte der Rebbe. „Da erklärte ich ihr, dass es uns als Juden nicht erlaubt ist, uns das eigene Leben zu nehmen. Denn unser Leben liegt in G“ttes Hand. Und ich hoffe, dass auch Sie unser Leben verschonen werden.“
Der Nazi ימ“ש überhörte den letzten Satz.
Er wandte sich an die Frau und verlangte eine Erklärung. Sie erwiderte schroff: „Ich habe um ein Messer gebeten!“
Während sie sprach, musterte sie den Nazi ימ“ש mit ihren fiebernden Augen. Plötzlich heftete sich ihr Blick wie gebannt auf die Brusttasche seiner Uniform. Durch die Tasche waren deutlich die Umrisse eines Messers zu erkennen.
„Geben Sie mir das Taschenmesser!“ herrschte sie den Nazi ימ“ש an. Verdutzt reichte dieser ihr sein Messer.
Sie bückte sich und hob etwas auf. Erst jetzt bemerkte der Rebbe auf der Erde neben den Sägespänen ein Bündel Lumpen. Als sie es aufwickelte, kam ein schlafendes, neugeborenes Kind auf einem schneeweissen Kissen zum Vorschein. Mit sicherer Hand klappte sie das Messer auf. Dann sprach sie mit klarer, eindringlicher Stimme die Broche “al HaMilah” (Segensspruch für die Beschneidung) und führte die Brit Milah durch.
Schließlich richtete sie sich wieder auf, erhob ihre Augen zum Himmel und sagte: „Herr der Welt, DU hast mir ein gesundes Kind gegeben, ich gebe DIR einen gesunden, koscheren Jiden zurück.“
Sie schritt auf den Nazi ימ“ש und gab ihm sein blutverschmiertes Taschenmesser wieder.
Mit tränenverhangenen Augen sagte sich der Rebbe, dass dieser Brit die Grundfesten von Himmel und Erde erschüttern müsste. Wo findet man einen solch grossen Akt des Glaubens wie den dieser jiddischen Mutter?
Seit der Befreiung hatte der Rebbe den Brauch, zu jeder Brit Milah, an welcher er war, diese Geschichte zu erzählen.
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ihr Name soll ausgelösdcht werden ↑