Wochenabschnitt Mezora – Teschuwa durch Demut und Freude

Datum: | Autor: Rav Chaim Grünfeld | Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag
Mezora

„Sot tihje Torat ha Mezora beJom taharato… – das ist die Lehre des Aussätzigen am Tag seiner Reinheit…“ (14,2-5)

Der Mezora benötigte zu seiner Reinigung ausser zwei Vögeln auch ein Stück Zedernholz, einen karmesinroten Faden und Esow-Gras (Ysop).

Raschi erklärt[1], dass die hochgewachsene Zeder den Büsser an seinen Stolz erinnern soll, der die Ursache seiner Verfehlung war. Er soll sich von nun an wie das kleingewachsene Esow-Gras verhalten, niedrig und bescheiden. Auch der „Tola’at Schani“, der rotgefärbte Wollfaden, dessen Farbe von einer kleinen Raupe gewonnen wurde, soll ihn an die nötigende Demut ermahnen.

Weswegen aber wurde unbedingt „Majim Chajim“, lebendiges Wasser benötigt, worüber der eine Vogel geschächtet wurde? Chasal erklären, dass die Torah mit der Betonung auf „lebendiges Wasser“ frisches und unbenutztes Quellwasser verlangt, mit dem noch nie eine Arbeit verrichtet wurde. Des Weiteren lernen sie aus einer Drascha, dass selbst das „Kli Cheres“, das dafür benötigte irdene Gefäß, ebenfalls ganz neu sein muss[2].

Das Gefäß soll wie das Wasser frisch und ungebraucht sein. Weshalb?

In den Sefarim haKedoschim wird ausführlich vor der Gefahr von „Azwut“ (übermäßiger Traurigkeit) gewarnt. Wenn sich der Mensch zu sehr über seine Vergehen grämt und zu niedergeschlagen ist, kann ihn seine Wehmut seelisch zu stark belasten. Er könnte ‘chalila‘ (G’tt behüte) in eine Depression verfallen, der sogenannten „Marah Schechora“ (melancholisches Temperament).

Bekannt ist der Ausspruch von Rabbi Aharon haGadol von Karlin sZl., der sagte: „Azwut, ist an und für sich zwar keine Awera, aber Azwut kann den Menschen zu den schlimmsten Sünden führen!“[3]

Wer sich nur negativ betrachtet, neigt schnell dazu, sich aufzugeben.

Die Torah aber möchte nicht, dass der Sünder sich vor Scham in der Ecke verkriecht oder am Boden zerstört ist und keinen Sinn mehr in seinem Leben sieht. Vielmehr macht sie ihn auf seine Fehler aufmerksam und zeigt ihm den Weg zur Teschuwa. Zuerst muss der Mezora seinen Stolz brechen und sich innerlich wie ein Wurm demütig fühlen. Aber dann muss er mit frischer Kraft einen Neuanfang in der seiner „Awodat Haschem“ (G‘ttesdienst) machen. Deshalb benötigt der Mezora für seine Reinigungszeremonie ausser dem erwähnten Stück Zedernholz, dem Esow und dem roten Faden gleichzeitig auch ein neues, unbenutztes Gefäß, das mit frischem, unbenutztem Wasser gefüllt ist. Der Ba’al Teschuwa darf nicht immer nur auf die vergangenen Tage zurückschauen. Er muss sich als ganz neues Gefäß mit frischem Quellwasser, als neuer Mensch mit frischer Kraft betrachten, damit er Haschem nun richtig und mit Freude dienen kann.

Dies wird dem Mezora auch mit den beiden Vögeln verdeutlicht, wobei der geschächtete Vogel an Ort und Stelle begraben wurde, während der andere freigelassen wird. „Deine Sünden werden dir deiner aufrechten Teschuwa wegen vergeben und sind wie dieser Vogel ‘tot und begraben’.

Dir aber wurde eine neue Chance zum Wiederanfang gegeben und du wirst wie der gefangene Vogel freigelassen!“

Passend dazu ist die Halacha: „Fliegt der Vogel wieder zurück, so muss er ihn wieder fortschicken – sogar hundert Mal“[4]. Der nun gereinigte Mezora muss sich dieser ihm geschenkten Freiheit und Neuanfang unbedingt bewusst sein, damit er diese Chance auch wirklich ergreift und sich nicht gleich wieder in die Fänge des ‚Jezer haRa‘ zurück begibt.

Deshalb schreibt die Torah: „Sot tihje Torat ha Mezora beJom taharato… – dies ist die Lehre des Aussätzigen am Tag seiner Reinheit…“. Auch für den Mezora gibt es eine Torah, einen Weg der Rückkehr und Reinigung. Er hat sich zwar falsch verhalten und musste für eine gewisse Zeit aus der Mitte seiner Mitmenschen verstoßen werden. Dies geschah aber nur mit der Absicht, ihn eines Besseren zu belehren. Die Torah verstößt niemanden, nicht einmal einen Rascha (Frevler). Sie bestraft nur, um zu belehren, weil sie die Torah eines jedes Jehudi ist („Torah“ kommt vom Ausdruck „Hora‘ah“ – Belehrung). Sie ist daher nicht nur “Torat Mosche“, die Torah für die Zadikim, sondern gleichzeitig auch „Torat ha Mezora“, die Torah eines „Mozie-Ra“[5] (der ‚schlechtes Gerede‘ von sich gab), die ihm den Weg zum „Jom taharato“ (Tag der Reinheit) zeigt.

  1. Gemäss Midrasch Tanchuma P. Mezora 3 und Midrasch Bamidbar Rabba 19,3
  2. Sota 15b und Jeruschalmi Sota 2,2
  3. Knesset Jisrael (-Ruszin S.73a) und Diwre Aharon (-Karlin S.1)
  4. Rambam Hilchot Tum’at Zora’at (11,1) gemäss Tosefta
  5. Erchin 16b, Midrasch Wajikra Rabba 16,6 und Tanchuma P. Mezora 1

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