Wochenabschnitt Bechukotai – Wozu sind die Drohungen in der „Tochacha“ notwendig?

Datum: | Autor: Rav Chaim Grünfeld | Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag
Tochacha

Obwohl es in früheren Zeiten noch keine feste Einteilung der „Parschat haSchawua“ gab, die festlegte, welche Parschijot und wieviele Psukim man pro Woche leint, ordnete „Esra haSofer“ zu Beginn des zweiten ‘Bet haMikdasch‘ an, dass man unbedingt darauf achten sollte, die „Tochacha“ (die Strafrede in der Parschat Bechukotai), vor Schawuot zu leinen[1].

Der Zusammenhang lässt sich vielleicht anhand den Worten von Raschi zu Beginn von Parschat Bechukotai erklären, wo die Torah den Erhalt der „Berachot“ mit „Im Bechukotai telechu – wenn ihr in meinen Gesetzen wandelt“ verknüpft. Raschi erklärt dies so: „Schetihju Amelim baTorah“ – die Berachot sind nur dann für Jisrael bestimmt, wenn sie sich mit dem Torah-Lernen bemühen.

Falls aber chalila (G’tt behüte), „Im lo Tischme’u li – ihr nicht auf Mich hören werdet“ (26,14) und euch nicht mit dem Torah-Lernen Mühe gebt, folgt die Strafe. Vielleicht muss deshalb die „Tochacha” vor Schawuot, dem Jom Tov der “Matan Torah” (Offenbarung der Torah) geleint werden, um auf diesen Zusammenhang aufmerksam zu machen.

Dennoch genügt diese Erklärung alleine nicht.

Es ist zwar offensichtlich, dass die Erfüllung der Torah und ihrer Mizwot von der Emunah (Glauben) an den Erhalt von „S’char weOnesch“ (Belohnung und Bestrafung) abhängen, wie Rabbi Josef Albo sZl., der Verfasser des „Sefer ha’Ikarim”, schreibt. Trotzdem scheint der Zusammenhang zwischen der ‘Tochacha’ und ‘Matan Torah’ nicht nur in der bloßen Ermahnung über die Belohnung für das Torah-Lernen und der drohenden Strafe für dessen Vernachlässigung zu bestehen. Vielmehr deutet die Verordnung von Esra haSofer, diese Parscha unbedingt vor Schawuot zu leinen, darauf hin, dass Matan Torah nur nach dieser vorangegangenen „Strafrede“ erfolgen kann!

Warum? Weil die Strafen, die in der Tochacha erwähnt werden, ein unabdingbares Mittel zum Erhalt der Torah sind. So erfolgt die Forderung nach einem eifrigen Torah-Lernen fast immer zusammen mit der Androhung einer Strafe für den Fall der Vernachlässigung des Torah-Lernens.

Auch bei „Matan Torah“ drohte Hkb“H dem Klall Jisrael mit dem über sie erhobenen Berg Sinai und sprach:

„Falls ihr die Torah annimmt, so ist es gut, falls aber nicht, so wird dort euer Grab sein!“[2] Das geschah, obwohl sie der Annahme der Torah bereits mit „Na’asseh weNischma“ zugestimmt hatten[3], und diese Drohung so eigentlich völlig unnötig war, wie die Ba’ale haTosfot finden[4]. Daraus ist ersichtlich, dass die Torah nicht nur mit Freude und Vergnügen gelernt werden muss, sondern – wie bei Matan Torah – auch mit „Furcht, Angst und Zittern“[5], wobei man ständig das schwebende Schwert der Strafe vor Augen hat.

Nur so ist die Beständigkeit des „Limud haTorah“ gewährleistet, weil der Trieb zum Bösen im Menschen nicht immer mit Annehmlichkeiten abgewehrt werden kann, wie etwa durch die dem Torah-Lernenden zugesicherten „Berachot“. Dem wankelmütigen Menschen müssen immer beide Seiten vorgehalten werden – S’char weOnesch (Zuckerbrot und Peitsche) – denn wo gutes Zureden nicht mehr hilft, wirkt nur noch der Hinweis auf das Schwert der Strafe.

Ein eindrückliches Beispiel dafür war Chiskijahu, König von Jehuda, der ein Schwert beim Eingang des Bet haMidrasch in den Boden rammte und ausrief:

„Wer nicht Torah lernt, der wird damit niedergestochen!“ Die Früchte dieser Drohung liessen sich sehen, wie Chasal berichten: „In seinen Tagen fand sich in ganz Erez Jisrael kein einziger Am ha’Aretz (Unwissender), und in ganz Erez Jehuda fand sich kein Mann und keine Frau, kein Junge und kein Mädchen, die nicht selbst die schwersten Halachot der Hilchot Tum’ah und Tahara (Reinheitsgesetze) beherrschten!“[6] Eine wirklich beeindruckende Leistung, einzigartig in der ganzen jüdischen Geschichte!

Es erstaunt daher nicht, dass Haschem Chiskijahu zum „Melech haMoschiach“ auserwählt hätte, wenn nicht etwas anderes dazwischen gekommen wäre6. Wie der Rambam festhält, ist es nämlich nicht die Aufgabe des Moschiach, Wunder zu vollbringen, sondern den Klall Jisrael dazu zu bewegen – wenn nötig auch unter Zwang – auf dem Pfad der Torah zu gehen[7].

Rabbi Jakov Reischer aus Prag sZl.[8] bringt einen Beweis für Chiskijahus Verhalten aus dem dieswöchigen Midrasch, wo es zum Passuk „Im Bechukotai telechu“ heißt:

„Rabbi Elasar lehrte: „Das Schwert und das Buch wurden zusammengebunden vom Himmel gegeben“. Hkb“H sagte zu Jisrael: „Wenn ihr beachtet, was in diesem Buch steht, so werdet ihr vom Schwert verschont bleiben; falls nicht, so werdet ihr damit bestraft! Rabbi Schimon bar Jochai sagte: Das Brot und der Stock wurden zusammengebunden vom Himmel gegeben. Werdet ihr Torah lernen, so werdet ihr Brot zu essen haben, falls nicht, so wird euch der Stock schlagen“[9].

Der Midrasch gibt uns hier den tieferen Sinn und Zweck der „Tochacha“ zu verstehen, welche die Funktion einer Art des Damokles-Schwertes besitzt.

„haSefer wehaSajef, haKikar wehaMakel“ – das Buch der Torah muss für den Jehudi wie das täglich Brot sein, und muss deshalb ständig mit der Drohung des Schwertes oder des Stockes verbunden sein, weil nur so der ewige Fortbestand des Torah-Lernen garantiert ist. Manchmal genügt ein kleiner Schlag des Stockes und manchmal braucht es, chalila, die Androhung einer größeren Bedrohung, so wie bei Haman haRascha durch das Schwert…

Ebenso finden wir bald nach dem Auszug aus Mizrajim – als Jisrael sich nicht genügend mit der Torah beschäftigte – dass sie sogleich vom Schwert des Amalek (j“s) bedroht wurden[10].

Wie die Gedole haDor mahnen, ist auch dies unsere Aufgabe in der heutigen Zeit und Situation, ob in Erez Jisrael oder in Chuz la’Aretz. Nicht die Politik oder sonstwelche Massnahmen alleine retten uns vor dem Schwert des Feindes oder dem uns schlagenden und lebensbedrohlichen Stock, sondern nur das „Bechukotai telechu“, das „Sche‘tihju Amelim baTorah“, unsere unaufhörlichen Bemühungen im Verstehen der Torah!

  1. Megila 31b
  2. Schabbat 88a
  3. Schmot 24,7
  4. Tosfot Schabbat ibid.
  5. Joma 4b und Berachot 22a
  6. Sanhedrin 94b
  7. Hilchot Melachim Kap.11
  8. R. Jakov amtierte als Rabbiner in Reische (Rzeszów in Galizien), Ansbach, Worms und später in Metz, wo er auch begraben wurde. Er war der Verfasser der Werke Ijun Jakov, Schwut Jakov, Chok Jakov, u.a., gest. 5493/1732
  9. Midrasch Wajikra Rabba 35,6
  10. Sanhedrin 106a

HINTERLASSEN SIE EINE ANTWORT