Wichtige Regeln des Toralernens
„Im Bechukotai telechu… Wenn ihr meinen gemäß meinen Gesetzen gehen werdet und meine Gebote beachtet und sie ausübt, so werde ich euch euren Regen zu ihrer rechte Zeit geben…“
Raschi zitiert die Erklärung von Chasal, wonach sich „gemäß meinen Gesetzen gehen“ nicht auf die Erfüllung der Mizwot selbst bezieht, denn es heisst ja gleich danach „und meine Gebote beachtet und sie ausübt“. Folglich bezieht sich der Passuk an dieser Stelle auf das Torahlernen und verlangt: „schetihju Amelim baTorah“, dass sich jeder mit seiner ganzen Kraft und Konzentration bemühe, Torah zu lernen, d.h. ein regelrechtes Gehen, Vertiefen und Eindringen in die Welt der Torah.
Auch der Or haChajim haKadosch macht auf den ungewöhnlichen Wortlaut des Passuks „gemäß meinen Gesetzen gehen“ aufmerksam, und fragt, weshalb hier die Torah das Wort “telechu“ verwendet? Er gibt dazu 42 umfangreiche Erklärungen, mit denen er auch andere Fragen zu diesem Passuk beantwortet. In den folgenden Zeilen sei ein kleiner Auszug aus diesen Erläuterungen zitiert, aus denen klar ersichtlich wird, wie der Zugang des Jehudi zum “Limud haTorah“ im Allgemeinen sein sollte:
1) Man muss sich immer mit der Torah beschäftigen, auch wenn man sich auf der Reise befindet oder sonst irgendwo hingeht. So wie es heisst (Dewarim 6,7): „uBelechtecha waDerech – und wenn du dich auf dem Weg befindest“.
2) Dawid haMelech sagte (Tehilim 119,59): „Ich berechne meine Wege, doch meine Füsse kehren zu Deinen Gesetzen zurück“. Im Midrasch wird erklärt, dass jedesmal, wenn Dawid haMelech auf dem Weg war, um verschiedene wichtige Dinge zu erledigen, seine Füße ihn aus purer Gewohnheit und der Freude des Körpers am Torahlernen gleich ins Bet haMidrasch brachte[1]. Der Jehudi soll also so viel Freude an der Torah empfinden, dass seine Füße von alleine zum Bet haMidrasch gehen.
3) Die Torah umfasst bekanntlich vier Teile: „Pschat, Remes, Drusch und Sod (einfache Erklärungen, Andeutungen, talmudische Auslegungen und Geheimnisse), und jeder Teil kann auf 70 verschiedenen “Wegen” gelernt werden. Jeder dieser “Wege” ist wiederum in “Straßen”, “Gassen”, “Wege” und “Pfade” eingeteilt. Die Torah muss mit allen diesen “Wegen” gelernt – “begangen” werden und keiner davon darf ignoriert oder abgelehnt werden, auch wenn nicht jeder “Weg” für jeden offen und verständlich ist.
4) Die Erlaubnis des unbeschränkten Gehens und Wandelns im Garten der Torah ist jedoch nur dann gegeben, wenn dies noch im Bereich der Gesetze der Torah erfolgt. Diese Grenze darf niemals überschritten werden!
5) Schlomo haMelech sagt in Mischle (3,6): „beChol Drachecha de’ehu – auf all deinen Wegen sollst du Ihn (G“tt) erkennen“, was vom Ramba“m so kommentiert wird: „Der Mensch denke immer – zu jeder Zeit und während all seinen Taten – daran, G“tt und seiner Torah gerecht zu werden. Auch während des Essens und vor dem Schlafen, denke er, dass er diese menschlichen Tätigkeiten zur Erhaltung der Gesundheit des irdischen Körpers macht, um weiterhin Torah zu lernen und G“tt dienen zu können. Alle deine Wege, die du gehst, selbst die Verrichtung irdischer Notwendigkeiten, sollen ausschließlich dem Zweck der Torah dienen!“[2]
6) Über den Limud haTorah sagen Chasal: „Wandere nach einem Ort der Torah und denke nicht, sie wird dir nachkommen“[3]. Man muss von zu Hause weggehen und sich oft sehr weit entfernen, um Torah lernen zu können. Es wird sogar von einem der Chachamim berichtet, der sechs Monate für den Hinweg und weitere sechs Monate für den Rückweg benötigte, um einen Tag Torah zu lernen![4] So soll auch derjenige, der zu Hause ist, ins Bet haMidrasch gehen, damit er erstens nicht beim Torahlernen gestört wird und zweitens Talmide Chachamim trifft und von ihnen lernen kann.
7) Wer sich ständig mit der Torah beschäftigt, der kann unbesorgt überall hingehen, ohne den „Jezer haRa“ zu fürchten, denn die Torah behütet ihn[5].
8) Wer die Torah richtig lernen und verstehen und sich deren Weisheit aneignen will, muss sich zuerst die in den Pirke Awot (Kap. 6) aufgezählten „48 Kinjane haTorah“[6] aneignen. Sie sind wie eine Art Wegweiser, die den genauen Weg zum Verständnis und Erlangung der Torah beschreiben, den man einschlagen muss, um ans Ziel zu gelangen. Wer auf dem Pfad der Torah wandeln will, muss sich auch auf ihre Bedingungen und Regeln einlassen – „Im Bechukotai telechu“ – nur mit meinen Gesetzen könnt ihr gehen!
9) Alle irdischen Arbeiten und vollbrachten Leistungen auf dieser Welt bleiben nicht ewig erhalten und nützen im zukünftigen Leben nichts mehr. Die Torah hingegen, die man gelernt und sich erworben hat, bleibt einem immer erhalten; man geht überall mit ihr zusammen.
10) Der Mensch beginne seinen Tag immer mit dem Torahlernen. Auch wenn er zur Arbeit gehen muss, um sich ernähren zu können, so geschehe das erst, nachdem er ein wenig Torah gelernt hat. Damit zeigt er, dass bei ihm in Wirklichkeit die Torah die Hauptsache ist und die Arbeit nur eine Nebensache – „asse Torahtecha kewa uMelachtecha arai“[7]. Eigentlich hätte er am liebsten weiter gelernt, doch muss er leider wegen der „Parnassa“ das Lernen unterbrechen. In seinen Gedanken geht er jedoch fortwährend mit der Torah, und selbst während seiner Arbeit und den täglichen Verrichtungen, denkt er daran, gleich wieder und so schnell wie möglich zum Torahlernen zurück zu kehren.
- Midrasch Wajikra Rabba 35,1 ↑
- Mischne Tora Hilchot De‘ot 3,3 ↑
- Awot 4,18 ↑
- Chagiga 5b ↑
- Sota 21a und Awoda Sara 17a ↑
- Siehe Awot Kap.6 ↑
-
Awot 1,15 ↑