Wochenabschnitt Tezawe – Die Aufgabe des Kohen Gadol – Beschützer der Flamme Jisraels

Datum: | Autor: Rav Chaim Grünfeld | Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag
Kohen Gadol

„Wejikchu elecha Schemen Sajit – sie sollen [zu] dir reines Olivenöl nehmen“ (27,20).

„Alle irdischen Besitztümer und Leistungen, wie auch die meisten geistigen Errungenschaften die man sich Zeit seines Lebens aneignet“, schreibt der Zeror haMor, „gehören einem nicht wirklich, denn man hinterlässt sie nach seinem Ableben anderen. So wie Dawid haMelech in Tehilim sagt (49,11): „Sie lassen anderen ihr Vermögen“.

Deshalb drückt sich die Torah in Bezug auf die „Teruma“ (Abgabe) für den Bau des Mischkan so aus (Schmot 25,2): „Wejick‘chu Li Teruma – Sie sollen für Mich eine Abgabe nehmen“ und nicht „Wejitnu Li – Sie sollen Mir geben“, denn man kann nicht weggeben was einem nicht gehört. Und G’tt sagte (Chagai 2,8): „Li haKesef weLi haSahaw – Mir gehört das Silber und Mir ist das Gold!“

Einzig „Tora und Mizwot“ gehören dem Menschen selber, und begleiten ihn auch nach seinem Ableben von dieser Welt in jene Welt, wie Chasal sagen: „Kana Schem Tov, kana le‘azmo – wer sich einen guten Namen erworben hat – durch gute Taten -, hat ihn für sich erworben – ein wahres Gut, dass ihm nie entrissen werden kann. Kana lo Diwre Tora, kana lo Chaje Olam haBa – wer sich Worte der Tora erworben hat, hat sich das Leben der ’kommenden Welt’ erworben“[1].

Deshalb heisst es bei den Mizwot immer: „weLakachtem lachem…, uSefartem lachem,,,, – Ihr werdet euch (die Arba Minim) nehmen am ersten Tag Sukkot[2], ihr werdet euch (die Omertage) zählen[3]. Die Mizwot, die ein Jehudi erfüllt, sind sein eigenes Hab und Gut, sie gehören „euch“ – Jisrael.

Aus diesem Grund steht zu Beginn dieser Parscha bei der Spende des Olivenöls – im Gegensatz zu allen anderen Spenden des Mischkans: „Wejikchu elecha Schemen Sajit – Sie sollen dir nehmen reines Olivenöl“, es steht „elecha – zu dir“ und nicht „elai – zu Mir“. Haschem sagte zu Mosche Rabenu, hier geben sie „Mir“ nichts, denn Ich benötige ihr Licht nicht, sondern es ist für euch Jisrael selbst!

Das Licht der Menora symbolisiert nämlich das ewige Licht der Torah, die den Jehudi auch im „Olam haBa“ begleitet und sein Eigentum bleibt.

In diesem Sinne verstehen wir womit Hkb“H den Aharon haKohen tröstete, als dieser darüber traurig war, dass der Stamm Levi bei der Einweihung des Mischkans keine Korbanot wie die anderen Stämme, darbringen durfte und sagte: „Schelcha Gedola miSchelahem – deines ist grösser als das der anderen“[4]. Denn die Existenz des Mischkans und der Korbanot wird einmal aufhören, während das Licht der Menora – das Licht der Torah und Mizwot immer leuchten wird.

Somit versteht man auch, weshalb man einem „Mamser“ (Bastard), der ein „Talmid Chacham“ ist, mehr Kawod geben muss als einem Kohen Gadol, der ein „Am ha’Aretz“ (Unwissender) ist[5]. Weil die Grösse eines Menschen sich weder an seiner Herkunft, noch an seinem Stand und Funktion messen lässt, sondern nur an seinem echten Eigentum, an Dingen, die ihm alleine gehören. Der Talmid Chacham hat sich die Kenntnisse und die Eigenschaften der Torah erworben, sie machen seine wahre Größe aus. Ein unwissender Kohen Gadol hingegen, besitzt rein gar nichts, denn die Ehre, die er als Kohen Gadol erhält, gehört ihm nicht.

Wie es so treffend heißt: „Kleider machen Leute!“ Wenn aber der ‘Kohen Gadol‘ seine Kleider auszieht, so steckt nichts dahinter. Es heisst aber auch: „Leute machen Kleider!“ Der echte ‘Talmid Chacham‘ und ‘Gadol haDor‘ erhebt selbst seine Kleider und irdischen Gerätschaften zu Besonderheiten – es wird zu einem Kleid oder Stock eines Zadiks, das den Abglanz und die Aura seiner Heiligkeit besitzt![6]

So erklären die Rischonim auch den Unterschied, weshalb ein Raw auf seine Ehre verzichten kann, ein König aber nicht[7]. Weil dem Raw nur seiner sich selbst angeeigneten Tora wegen Ehre gebührt, ist sie somit sein eigener Besitz und er kann über sie nach seinem Gutdünken verfügen. Dem König hingegen gebührt die Ehre seines Amtes wegen, er verkörpert die himmlische Majestät auf Erden. Sie gehört daher nicht ihm, sondern G’tt alleine, und der König kann nicht auf sie verzichten!

Die heilige Awoda des Entzündens der Menora passte daher zu Aharon haKohen, den die Sünde des Egels (‘goldenes Kalb‘) noch immer sehr bedrückte und daher das Amt des ‘Kohen Gadol‘ nicht annehmen wollte. Doch Mosche Rabenu antwortete ihm: „Lama ata bosch, leKach niwcharta – Warum schämst du dich? Eben deshalb wurdest du ausgewählt!“[8]

Genauso wie Aharon bei der Tat des Egels bestrebt war, die ganze Sünde auf sich zu nehmen, damit das Volk seine Reinheit bewahrt, versuchte er auch jetzt die volle Konsequenz dieser Tat auf sich zu nehmen. Mosche erklärte ihm, dass der Kohen Gadol eben diese besondere ‘Mida‘ (Eigenschaft) benötigt: „So wie du dich jetzt anstelle des ganzen Klall Jisrael schämst, weil du deiner Liebe zum Klall Jisrael wegen diese Schuld niemanden anderen zuschieben willst, so kann auch ein Kohen Gadol nur dann um „Mechila“ (Verzeihung) vor G’tt für das jüdische Volk bitten, wenn er spürt, dass es seine eigenen Sünden sind und er dafür verantwortlich ist![9]

Mosche Rabenu war der Vermittler der Torah, der perfekte Talmid Chacham. Er verkörperte das Feuer und die Flamme der Lichter der Menora. Daher heisst es im Passuk: „Wejikchu elecha – Sie sollen zu dir nehmen das Olivenöl“. Jeder Jehudi kann sich die Torah so wie Mosche Rabenu aneignen, wenn er sich ein Vorbild an Mosche nimmt. Er wird somit zu etwas, er reift zu einer geistigen Persönlichkeit heran, die dank ihrer eigenen Größe andere Menschen von ihrer niedrigen Stufe erheben kann, und sogar Kleider und andere Nichtigkeiten zu etwas Wertvollem machen kann.

Aharon hingegen war der echte Kohen Gadol, der für sich selber nicht zählt, sondern sich völlig hinter seinen prachtvollen Amtkleidern verbirgt. Er geht völlig in seiner Liebe und Identifizierung zum Klall Jisrael auf, er ist nichts und alles zugleich!

Aharon ist nicht das Feuer und die Flamme der Torah und Jiddischkeit, aber er hegt und pflegt sie. Er reinigt sie sorgfältig vom Schmutz und Asche des verbrannten Dochts, er gießt das nötige Mass Öl dazu. Er entfacht schließlich das Feuer und lässt die Flamme aufsteigen. Er ist das Schutzkleid der Flamme, er reinigt und beschützt das ganze Volk mit seinen Tefilot und seiner Awodat haKodesch. In seinem „Sechut“ (Verdienst) erhielt Jisrael die „Anane haKawod“, die schützenden Wolken[10], mit denen die Bne Jisrael in der Wüste umringt und beschützt wurden. Er ist nicht die Flamme selber, doch ohne ihn würde es diese gar nicht geben!

Dies ist der „Kohen Gadol“ – der grosse Amtsträger – um dessen Person es gar nicht geht, sondern um dessen wichtige Funktion in der Ausübung seines Dienstes.

Und gerade deshalb gelang es ihm, so viel Frieden und gegenseitige Liebe im Klall Jisrael stiften. Über Aharon sagt die Mischna: „Gehöre zu den Schülern Aharons, Frieden liebend und nach Frieden strebend, die Menschen lieben und sie der Torah näher bringend“[11]. Waren zwei Personen miteinander verfeindet, suchte Aharon in der Weise versöhnend einzuwirken, dass er jedem von ihnen sagte, der andere bereue sein verschulden gegen ihn. So versöhnte Aharon unter anderem auch tausende Ehepaare miteinander, die ihre danach geborenen Kinder „Aharon“ nannten, um ihren Dank gegenüber ihrem Friedensstifter zum Ausdruck zu bringen[12]. Deshalb wurde Aharon nach seinem Ableben vom ganzen Volk 30 Tage lang beweint![13]

Um eine solch starke ‚Hazlacha‘ (Gelingen) zu erreichen, musste Aharon äusserst engagiert, mitfühlend und authentisch auftreten. Wie gelang es ihm, dies zu bewerkstelligen? Weil solange es irgendwo in Jisrael keinen Frieden, Liebe und Achdut (Einigkeit) gab, spürte er diesen Schmerz in sich selber, und es liess ihm keine Ruhe. Er fühlte sich dann wie ein zerrissenes oder beflecktes Kleid, das in seiner Funktion beeinträchtigt war, die Menschen zu schützen und zu erwärmen, oder ihnen ein ehrwürdiges und prachtvolles Aussehen zu vermitteln. Also suchte er aus Liebe zu Jisrael die Schuld bei sich selber, und konnte so jeden von der innigen Liebe des anderen ihm gegenüber überzeugen.

Daher bezeugt die Torah über das Entzünden der Menora durch Aharon haKohen (Bamidbar 8,3): „Waja’at ken Aharon“, er kam genau dem Gebot von Haschem nach: „Lehagid Schwacho schelo schana – dies lehrt uns sein Lob, dass er nichts änderte“[14].

Wie bereits in den Meforschim (Kommentatoren) bemerkt wird, musste Aharon nicht über die exakte Ausführung der Mizwa gelobt werden, das war für einen Zadik wie ihn doch selbstverständlich. Gemeint ist die ‘Kawana‘ (Andacht), die Aharon beim Entzünden der Lichter hatte. Es gab bei ihm keinen Unterschied zwischen der einen und der anderen Person. Bei ihm waren alle gleich heilige jüdische Neschamot, deren Licht und Flamme er schützen musste. Folglich dachte er während der Reinigung der Menora an die Reinigung und Läuterung aller Neschamot, und bat bei der Entzündung der Menora für die Beleuchtung aller jüdischen Neschamot durch das Licht der Torah und ihre Mizwot.


  1. Pirke Awot 2,8 gemäss Kommentar von Raw S. Bamberger sZl.
  2. Wajikra 22,40
  3. ibid. 23,15
  4. Raschi Bamidbar 8,2
  5. Mischna Horijot 13a
  6. Im Talmud Jeruschalmi (Moed Katan 3,1) wird von einem Schüler von Rabbi Meier berichtet, der äußerst scharfsinnig war, weil er den Wanderstab seinem Rebben in der Hand hielt! Und über Elischa haNawi berichtet der Passuk (Melachim 2, 2,14) wie er den Mantel seines Rebben Elijahu haNawi nahm und damit ein Wunder verrichtete.
  7. Ketuwot 17a
  8. Raschi Wajikra 9,7 gemäss Torat Kohanim
  9. Gemäss Be’er Mosche (-Ozharov)
  10. Ta’anit 9a
  11. Awot 1,12
  12. Awot deRabbi Nathan Kap.12
  13. Raschi zu Bamidbar 20,29
  14. Raschi zu Bamidbar 8,3 gemäss Sifri

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