Wochenabschnitt Jitro – Woran kann jeder G’ttes Größe erkennen?

Datum: | Autor: Rav Chaim Grünfeld | Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag
Jitro

„Jitro sprach: „Jetzt erkenne ich, das Haschem grösser ist als alle Götzen, denn durch die Sache, womit sie gefrevelt hatten, [kam Er] über sie“ (18, 11).

Raschi erklärt die Aussage von Jitro anhand dessen, was Chasal[1] über ihn berichten; Dass er zuvor bereits alle Götzen und Religionen der damaligen Völker und Kulturen kennengelernt hatte und nach eingehender Prüfung deren Nichtigkeit feststellte. Folglich konnte er aus eigener Erfahrung verkünden, dass “Haschem größer ist als alle Götzen“.

Dennoch besitzt dieses Lob einen üblen Nebengeschmack:

Wenn alle Götzen auf der Erde null und nichtig sind, was für ein Lob ist es dann für Hkb“H, das Er “größer“ als dieses Nichts ist? Jitro hätte einfach sagen sollen: „Jetzt erkenne ich, dass es nur einen einzigen G’tt gibt – Haschem – und alle anderen Götzen sind nur Lug und Trug“!

Des Weiteren erklärt Raschi, worauf Jitros Feststellung basierte: „Denn die Sache, mit der sie gefrevelt haben, kam über sie“. Jitro erkannte die besondere Eigenschaft der g’ttlichen Vergeltung anhand des Prinzips von „Midah keneged Midah“ (Maß um Maß), dass die Mizrim genau ihrer Sünden entsprechend bestraft wurden. So wie sie die jüdischen Knaben im Wasser ertränkten, wurden sie im ‚Jam Suf‘ ertränkt!

Jeder, der seinen Verstand gebrauchte, ein Denker war wie Jitro, konnte doch die Hand G’ttes bei ‚Jeziat Mizrajim‘ (Auszug aus Ägypten) und ‚Keriat Jam Suf‘ (Spaltung des Schilfmeeres) ohne weiteres erkennen. Weshalb erkannte dann Jitro G’ttes Größe nur durch die Wahrnehmung Seiner „Mida Kenegd Mida“?

Überhaupt kam Jitro von Midjan zu den Bne Jisrael in die Wüste nur, weil er von den Wundern des ‚Keriat Jam Suf‘ und dem ‚Krieg gegen Amalek‘[2] erfuhr.

Wenn diese Wunder ihn nicht ansprachen, weshalb kam er dann überhaupt?

Der Nezi“w von Voloszin sZl. erklärt an zahlreichen Stellen, dass es sich bei den Götzen der früheren Völker nicht einfach nur um eine primitive Steinanbetung handelte. Dies galt höchstens für die Unwissenden und einfachen Leute, die von ihren Priestern in die Irre geleitet und manipuliert wurden, ohne zuviel darüber nachzudenken. Die Kultur der Götzenanbetung basierte auf enormen astronomischen und astrologischen Erkenntnissen und anderen Wissenschaften. So wussten die Priester genau um die Aufgaben der sieben um die Welt kreisenden Planeten und den Einfluss von anderen Sternen auf die Erde. So wie der Mond Einfluss auf die Gezeiten (Flut und Ebbe) hat, sind alle Metalle, Mineralien, Pflanzen und menschliche Eigenschaften diesen Gestirnen in irgendeiner Form untergeordnet[3]. Folglich versuchten sie die Einflüsse der Gestirne durch Opfergaben und andere Zeremonien zu ihrem Gunsten zu ändern[4].

Somit ist verständlich, weshalb die Torah auch die Götzen “Elohim“ nennt, was eigentlich etwas schwer verständlich ist. Wie kann man für solchen Unfug und einer solchen Ketzerei die selbe erhabene Bezeichnung verwenden, die doch für G’tt steht?

In der Torah jedoch wird die Bezeichnung “Elohim“ auch im Sinne von “Führer“ benutzt. So sagte Hkb“H zu Mosche Rabenu (Schmot 7,1): „Siehe, Ich habe dich zum Elohim – Herrn über Par’oh gemacht“. Auch die “Richter“ des Bet-Din werden “Elohim“ genannt[5].

“Elohim“ bezeichnet demnach ein mächtiges Wesen, das einen starken Einfluss ausübt (die Wurzel “El“ bedeutet “stark“[6]).

Der ehemalige Priester Jitro lernte die Kultur aller Götzen der Völker kennen, auf welche Weise sie die Gestirne des Himmels anbeten, um ihre Einflüsse und Macht zu ihren Gunsten zu bewegen.

Doch all dies waren irdische Mächte und Jitro, der Denker, war sich sicher, dass über all diesen Gestirnen eine mächtigere Macht stehen musste – etwas Überirdisches und Unbegrenztes, das ihnen diese Kraft gibt.

Als er nun die Wunder von Jeziat Mirajim und Keriat Jam Suf vernahm, war dies für ihn noch kein Beweis einer g’ttlichen Existenz. Es gab genügend ‘Apikorsim‘ (Ketzer) – wie etwa Amalek – die all diese Wunder dem mächtigen Einfluss himmlischer Gestirne zuschrieben.

Der Ibn Esra erwähnt die unsinnigen Worte eines Karäers, der das Wunder von ‚Keriat Jam Suf‘ mit der natürlichen Vorgänge von Ebbe und Flut erklären möchte – עפרא לפומיה (“Staub in seinen Mund“)[7]. Erst als Mosche Rabenu seinem Schwiegervater die genauen Ereignisse in Mizrajim schilderte[8], erhielt Jitro einen tieferen Einblick in diese Vorgänge und verstand die genaue Vergeltung der “Midah keneged Midah“. Jetzt hatte Jitro erstmals den klaren Beweis der Existenz G’ttes vernommen, diese über allem stehenden und alles führenden unendlichen Macht, der Ursprung allen Seins. Denn wie gross der Einfluss der Gestirne auch ist, so ist diese immer nur einseitig und hat nicht im mindesten mit gerechter Vergeltung zu tun!

Die Gestirne prüfen nicht die Taten der Menschen, ob sie diese mit ihrem Einfluss belohnen oder bestrafen sollen, und sie kennen ganz sicher nicht deren Gedanken. Jitro war jedoch einer der drei Ratgeber des Par‘oh und war vor der großen Frage, ob man die Bne Jisrael knechten lassen solle oder nicht, aus Mizrajim geflohen[9]. Er kannte daher die verschiedenen boshaften Pläne, welche die Ägypter gegen Jisrael gehegt hatten, und er verstand besser als viele andere die exakte Bestrafung der Mizrim: „Badawar ascher sadu – mit derselben Sache, mit der sie gefrevelt hatten“, wie der Targum es übersetzt, „die bösen Gedanken, die sie gedacht haben“.

Wer kann der Richter der Welt sein? Wer kann Strafe und Lohn genau bemessen?

Nur derjenige, der alle Taten und selbst die Gedanken aller Geschöpfe kennt! Deshalb lobt Jitro Haschem, dass Er größer ist als alle Götzen, als alle irdischen und daher begrenzten Mächte und Einflüsse ist, die ihre Kraft von Ihm erhalten. Und womit erkannte er dies? Durch die “Midah keneged Midah“: „Badawar ascher sadu, alehem – mit derselben Sache, mit der sie gefrevelt hatten, strafte Er sie“, wie Raschi anhand Chasal erklärt: „in dem Topf, in dem sie gekocht hatten, wurde sie gekocht“ [10].

Der Brisker Raw sZl. erzählte: Ein russischer General fragte einst Rabbi Jizchak Volosziner sZl., weshalb Dawid haMelech in Tehilim sagt (117,1-2) „Hallelu et Haschem Kol Gojim… – Lobt Haschem, all ihr Völker, preist Ihn, alle Nationen, denn mächtig über uns (Jisrael) ist Seine Güte...“.

Weshalb sollten alle Völker der Erde Hkb“H loben, weil Er Jisrael mit Seinen Gnaden überhäuft?

„Weil nur ihr das Ausmaß dieser g’ttliche Gnade genau erkennt!“ lautete Reb Itzeles Antwort. „Nur ihr wisst, wie viele ‚Geserot‘ (schlechte Dekrete) und welches Böse die Ministerien in St. Petersburg den Juden antun wollten, und das G’tt dennoch eure Pläne zunichte machte“[11].

Gerade in heutiger Zeit, in der ganz Jisrael täglich unter den Völkern zu leiden hat, sind diese g’ttliche Gnaden vermehrt erkennbar. Es gilt daher, sich Jitro als Vorbild zu nehmen, indem wir diese Erkenntnisse zugeben, und dann die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen – „Kabbalat Ol Malchut Schamajim und Kabbalat Ol haTorah“ (das ‚Joch der himmlischen Allmacht‘ und das ‚Joch der Torah‘ auf sich zu nehmen).

  1. Mechilta zur Stelle
  2. Siehe Raschi zum Passuk 18,1
  3. Siehe dazu ausführlich in den Kommentaren zum ‚Sefer Jezira‘ Kap.4 (Ra’awad und Chakmuni), Ramba“m in Moreh Newuchim 2,10 und Kap.11, Ramcha“l in Derech Haschem 2,7 und Sefer Twunot Kap.8
  4. Siehe Ramba“m Hilchot Awoda Sara Kap.1, Ramcha“l in Sefer Twunot 2,36 u.a.
  5. Siehe z.B. Schmot 21,6 und 22,7-8
  6. Pardes Rimonim (Rema“k) 19,1 gemäss Bereschit 31,29, Jecheskel 17,13, Tehilim 36,7 und 80,11
  7. Ibn Esra zu Schmot 15,27. S.a. Ba’al Schem Tov zu Parschat Beschlach 7
  8. 18,9
  9. Sota 11a
  10. ibid.
  11. Chidusche Hagri”s haLevi zu Torah (P. Jitro 18,10). Siehe ferner auch Chumasch Ha’amek Dawar (Nezi“w) zu Schmot 3,4.

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