Mit der Überschreitung des Jardens begann für die Bne Jisrael eine neue Epoche in ihrer Geschichte als jüdische Nation. Schon viele Jahrhunderte lang war die Rede von „Erez Jisrael“. Doch das Volk musste viel Leid und Mühsal ertragen, bis es endlich vor den Pforten des ersehnten Landes stand.
In den langen Wanderjahren in der Wüste waren sie von Mosche Rabenu seelisch auf den Eintritt vorbereitet worden. Diese Vorbereitung bestand aus zwei Teilen: Er warnte sie oft und eindringlich vor der Verleitung zum Götzendienst durch die heidnischen Völker, den Urbewohnern dieses Landes, die sie aus diesem Grund vorsorglich vernichten mussten. Ferner lehrte er sie alle Mizwot „hatelujot ba‘Arez“, die nur in Erez Jisrael zu erfüllenden Gebote, die mit dem Besitz von Grund und Boden und dem landwirtschaftlichen Betrieb zu tun hatten.
Bei näherer Betrachtung finden wir einen wichtigen Zusammenhang zwischen diesen beiden Lehren und verstehen, warum Mosche Rabenu das Volk gerade in diesen beiden Bereichen so dringend warnen und vorbereiten musste.
Zum besseren Verständnis müssen wir uns aber zuerst mit dem eigentlichen Zweck des Götzendienstes befassen, wie er uns vom Malbi“m und Nezi“w an viele Stellen gelehrt wird: Es ist unsinnig anzunehmen, dass die heidnischen Völker tatsächlich an die Kraft oder Erschaffung der Welt durch Götzen glaubten. Wer war so dumm anzunehmen, ein von Menschenhand gehauenes Bild hätte seinen Schöpfer erschaffen können? Einen solchen Unsinn könnte man höchstens bei unkultivierten Völkern vermuten, nicht aber bei den Völkern, die im damaligen Gebiet von Erez Jisrael und Bawel wohnten, wo sich die Wiege aller alten Kulturen und Zivilisationen befand.
Sie waren die damals am höchsten entwickelten und die gebildetsten Nationen; ausgezeichnete Astronomen und Astrologen, die ein grosses Wissen über das Universum und dessen Aufbau besaßen, sie kannten den Sinn und die Kraft vieler Sterne und Planeten, welche die Natur der gesamten Erde, der Tiere und der Menschen beeinflussten.
Durch den Götzendienst, der Darbringung von Opfergaben und durch schwarze Magie (‘Kischuf’) wollten sie die Konstellationen der Sterne und die sich daraus ergebenden, auf die Erde einwirkenden Energien beeinflussen; Dazu beschworen sie auch „Schejdim“ (Dämone) und die „Koach haTum‘ah“ (unreine Kräfte), die ihnen bei diesem Vorhaben halfen. Deshalb, schreibt der Nezi“w, glaubte der Klall Jisrael nicht an die wirkliche Allmacht der Götzen, selbst wenn er ihnen diente, sondern nur an Hkb“H. Die „Awoda Sara“ an und für sich war nur ein Mittel zum Zweck, und zwar für die „Parnassa“ (Wohlstand). Sie wandten sich an die Götzen der Nochrim, weil sie sich erhofften, dadurch das Wetter und das Klima nach ihrem Gutdünken verändern zu können.
Deshalb begriffen sie auch nicht die große Gefahr des Götzendienstes und weshalb es eine so schwere Sünde darstellte!
Es wurde sogar so schlimm, dass – wie Chasal ausführlich berichten – sich die „Ansche Knesset haGedola“ zu Beginn des zweiten ‘Bet haMikdasch’ gezwungen sahen, den Trieb zu dieser Sünde auszulöschen, da der Klall Jisrael ihm sonst für immer verfallen wäre[1]. Die Sefarim haKedoschim lehren uns, dass nur ein Teil dieses Triebes getilgt werden konnte, und zwar der mit ihm verbundene Drang zum effektiven Götzendienst. Der Trieb, sich die Parnassa auf unerlaubte Weise zu beschaffen, ist leider immer noch da, und einer unserer größten täglichen Prüfungen. Viele nennen daher das Geld die ‘moderne Awoda Sara’, oder wie der etwas modernere Spruch heisst: „Al scheloscha Dewarim haOlam omed (auf drei Dingen steht die Welt[2]): al Kessef, al Money, we’al Dollar!“
Um diesem Trieb entgegenzuwirken, wurden dem in Erez Jisrael eintretenden Klall Jisrael die „Mizwot hatelujot ba’Arez“ gegeben, so dass sie bei jedem Schritt zur Sicherung ihrer Ernährung und allgemeinen Wohlstandes G’tt und Torah im Blick haben. Mit den ersten gewachsenen Früchten wird die Mizwa von ‘Bikurim’ ausgeführt; der erste Ertrag der Ernte – ‘Teruma und Ma’assarabgaben’, der erste Bissen des Teiges – ‘Chala’, die erste Schur der Schafwolle – ‘Reschit haGes’. All dies gehört Haschem, damit der Jehudi immer als Erstes an seinen wahren Schöpfer denkt, Der ihn nicht nur erschaffen hat, sondern sich auch täglich um seine Ernährung und Wohlstand sorgt – und nicht irgendwelche Götzen oder Himmelsgestirne!
So erfolgte die Abgabe der „Bikurim“ (Erstlingsfrüchte) nur von den „Schiw’at haMinim“, den sieben Früchten, mit denen Erez Jisrael gerühmt wird.
Weshalb wollte die Torah nicht, dass wir Hkb“H auch für die gute Ernte aller anderen Früchte, Gemüse und anderer Nutzpflanzen danken lassen? Weil wir unseren Dank an Haschem bereits durch die jeweiligen Berachot vor- und nach dem Genuss aller Speisen ausdrücken. Für die „Schiw’at haMinim“ hingegen bedarf es eines besonderen Dankes, weil durch sie „Erez Jisrael“ gerühmt wird. Sie verkörpern den besonderen Status des Heiligen Landes auch im materiellen Sinn.
Wenn der Jehudi jedes Jahr mit seinem ersten Ertrag ins Bet haMikdasch kommt, und dort bei der Abgabe der ‘Bikurim’ Hkb“H seinen Dank ausspricht, muss er dabei die ganze Geschichte seit dem Beginn der jüdischen Nation schildern (26,5-9): „Arami owed Awi wajered Mizrajma…“ Man beginnt mit der Ankunft der Bne Jakov in Mizrajim, erwähnt das schwere Galut der versklavten Kinder, ihre wunderbare Erlösung durch G’tt und ihre gelungene Ankunft im Gelobten Land.
Wer sich nämlich dieser gewaltigen „Haschgacha Pratit“ (g‘ttliche Vorsehung über jeden Einzelnen) bewusst ist, kann unmöglich zum Götzendienst verleitet werden.
Wer ernährte denn bisher das jüdische Volk während den vergangenen 40 Jahren in der Wüste und wer gibt ihnen die Parnassa jetzt in Erez Jisrael? Wer schickt den Regen und lässt die Ernte gut gedeihen? Wer Torah lernt, die Mizwot richtig beachtet und sich mit seiner Tefila an Hkb“H wendet, der erhält seine Nahrung direkt von Haschem. Er benötigt keine Umwege und Ausflüchte bei „Fremden“ – ‘Awoda Sara’.
„WeHischtachawita lifne Haschem Elokeach, weSamachta bechol haTov ascher natan lecha Haschem Elokeach…“ – „Du wirst dich vor Haschem deinen G’tt bücken, und dich freuen mit allem Guten, was Er dir gegeben hat“ (26,10-11). Wenn du dich zu Haschem bückst, dich Ihm und nur Ihm ohne “Fremdgehen” zuwendest, dann wird Er dich mit allem Guten und Nötigen erfreuen und sich selber um deine Parnassa kümmern.
- Joma 69b ↑
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In Anlehnung auf den bekannten Spruch unserer Weisen sl zu Beginn der Pirkej Awot: „Al haTorah, we’al ha’Awodah, we’al Gemilud Chassadim”. ↑