Bearbeitet von Dr. Ari Lewenstein und erschienen im Buch „Glanzlichter der Tora – Meore Hassar“.
ט (כ) וְיֵשׁ אֲשֶׁר יִהְיֶה הֶעָנָן יָמִים מִסְפָּר עַל הַמִּשְׁכָּן עַל פִּי ה‘ יַחֲנוּ וְעַל פִּי ה‘ יִסְעוּ. (כ“א) וְיֵשׁ אֲשֶׁר יִהְיֶה הֶעָנָן מֵעֶרֶב עַד בֹּקֶר וְנַעֲלָה הֶעָנָן בַּבֹּקֶר וְנָסָעוּ אוֹ יוֹמָם וָלַיְלָה וְנַעֲלָה הֶעָנָן וְנָסָעוּ (כ“ב) אוֹ יֹמַיִם אוֹ חֹדֶשׁ אוֹ יָמִים בְּהַאֲרִיךְ הֶעָנָן עַל הַמִּשְׁכָּן לִשְׁכֹּן עָלָיו יַחֲנוּ בְנֵי יִשְׂרָאֵל וְלֹא יִסָּעוּ וּבְהֵעָלֹתוֹ יִסָּעוּ.
Kap. 9,20-22: Es kam auch vor, dass die Wolke nur wenige Tage auf der Wohnung blieb; nach G-ttes Ausspruch lagerten sie, und nach G-ttes Ausspruch zogen sie (20). Es kam auch vor, dass die Wolke von Abend zu Morgen blieb, und es erhob sich die Wolke am Morgen und sie zogen; oder an einem Tag und nachts, und es erhob sich die Wolke und sie zogen (21). Oder zwei Tage oder einen Monat oder ein Jahr, usw. (22).
Die Prüfung: das nächste Ziel und die Dauer der Rast waren unbekannt
Die Wolke war der Hirtenstab, durch den der Hirte Jisraels dem Volk Seinen Willen kundtat, wo und wann sie lagern, wann und wohin sie aufbrechen sollten. Wie hier geschildert wird, war diese Führung ganz und gar unberechenbar. Manchmal eine lange Rast, dann wieder eine Rast von nur wenigen Tagen. Dann eine Rast von nur einer Nacht oder einem Tag und einer Nacht, dann wieder von zwei Tagen oder einem Monat oder einem Jahr. Da, wie der Ramban bemerkt, die Dauer der Rast nie vorhersehbar war, musste das Volk, sobald die Wolke das Zeichen zur Rast gab, sich völlig zum Lager einrichten, um dann möglicherweise nach kürzester Zeit wieder alles abzubrechen und zur Weiterreise bereitmachen.
Das ist die Schule der Wanderschaft durch die Wüste, in welcher wir für alle Zeiten lernen sollten, uns vertrauensvoll der Führung unseres Hirten zu überlassen. Wohl mögen uns die G-ttesführungen oft unbegreiflich erscheinen, die uns auferlegen, kaum Liebgewonnenes bald wieder zu verlassen oder in schwieriger Stellung geduldig auszuharren. Unser Vertrauen in Seine Führung soll uns jedoch ermöglichen, mit immer heiterem Mut die Aufgaben zu lösen, die G-tt uns in jedem Moment und and jedem Ort unseres Lebens aufträgt. Wir sollen uns unter dem Stab der G-ttesführung glücklich fühlen im Wissen, keinen Moment von Ihm verlassen zu sein, und Ihm deshalb in treuer Gehorsamkeit stets unsere Lebensplanung überlassen. Wir sollen immer bereit sein, selbst zu ganz unbekannten Zielen hin, auf ganz unbegreiflichen Wegen, mit ausharrender Geduld und mit nicht zu trübendendem „Wandermut“ Seiner Führung zu folgen.
Die zusätzliche Prüfung: die lange Dauer der Rast
Interessanterweise wird im Bericht über die Schule der Wanderschaft das geduldige Ausharren während der langen Rastzeiten als Prüfungsaufgabe hervorgehoben, und nicht die Anstrengung langer Wanderungen. So heißt es bereits[1]: וְאַחֲרֵי כֵן יִסְעוּ וגו, dass sie erst aufbrachen, nachdem sich die Wolke erhoben hatte und nicht früher. In Passuk 18 heißt es עַל פִּי ה‘ יִסְעוּ בְּנֵי יִשְׂרָאֵל וְעַל פִּי ה‘ יַחֲנוּ, trotzdem wird nochmals im gleichen Passuk wiederholt: – כל ימי וגו‘ solange die Wolke auf der Wohnung ruhte, lagerten sie. Schließlich wird in Passuk 19 das לא יסעו, das Nichtaufbrechen, wenn auch die Wolke viele Tage auf dem Mischkan ruhte, als ‚שְׁמִירַת מִשְׁמֶרֶת ה als besonderes Beachten des G-ttlichen Gebotes, und Beweis des Gehorsams bezeichnet.
Offenbar wird also auf die Übung der ausharrenden Geduld besonderer Nachdruck gelegt. Dies ist verständlich, wenn man an die Unwirtlichkeit der Wüste denkt, und dass dem Volk ja bewusst war, dass die Wüste nicht das Ziel ihrer Wanderung war, und jedes Verweilen an einem Ort in der Wüste sie nur von ihrem eigentlichen Ziel fernhielt. Dies insbesondere vor dem Verhängnis der vierzigjährigen Wanderung.
So übte Jisrael die Tugend der vertrauensvoll ausharrenden Geduld, eine Tugend, die das Volk auf seiner Galutwanderung durch die „Völkerwüste“[2] während so vieler Jahrhunderte so sehr brauchen würde. Diese Geduld bezeichnet der Prophet treffend mit den Worten: – כִּי עוֹד חָזוֹן לַמּוֹעֵד וְיָפֵחַ לַקֵּץ וְלֹא יְכַזֵּב אִם יִתְמַהְמָהּ חַכֵּה לוֹ כִּי בֹא יָבֹא – denn es gibt noch eine Offenbarung für die bestimmte Frist, und sie eilt dem Ende zu und täuscht nicht. Wenn sie zögert, harre auf sie, denn sie trifft ein, bleibt nicht aus![3]